Von der Mobilität und dem, was man Heimat nennen könnte

Foto: UMJ/ N. Lackner

Arbeitsbuch, Identitätskarte für Fahrtbegünstigungen, Dienstbotenbuch


Die Kinder von den armen Leuten waren meistens nicht lange bei den Eltern. Wenn die an Schippl von sechs, sieben Kindern gehabt haben, war nicht für alle genug zum Essen da. Mit acht Jahren sind die Buben oft schon als Halterbuben auf einen anderen Hof gekommen. Und ein Dirndl ist schon mit zehn zu einem Bauern zum Kinderhüten gangen. Und wer ein uneheliches Kind war, ist überhaupt oft verschenkt worden. Wenn da nicht irgendeiner am Hof war, der ein Herz gehabt hätt’, dann ist es den Kindern nicht gut gangen. Aber das war dann ihr Daheim – überhaupt wenn die Eltern weit weg g’wohnt haben.

Und für die meisten ist das ein Leben lang so weiter’gangen. Heiraten hast nur dürfen, wenn das der Bauer erlaubt hat und wenn du was gehabt hast, um einen Hausstand zu gründen. Kein Besitz – kein Heiraten. Und so ist man dann von Hof zu Hof zogen. Die einen sind lange geblieben, die anderen nur ein paar Monate oder ein Jahr. Gewusst hat man schon, woher man kommt. Aber Heimat? Für viele war das nur eine schöne Erinnerung – und eine Eintragung auf dem Heimatschein.

Für die Bauern war das anders. Die sind ja g’hängt an ihrem Hof. Dafür sind die Töchter dann regelrecht verschachert worden. Die haben oft einen heiraten müssen, eben genau darum, weil ein Besitz da war. Da haben sie dann eine neue Heimat gehabt, egal, ob sie sich dort wohlgefühlt haben oder nicht. Ins Grundbuch sind sie oft nicht eintragen worden und auch auf dem Taferl auf der Kirchenbank ist nur g’standen, zu welchem Mann sie gehören.

Hörstation Konzept und Texte: Eine fiktive Erzählung über gewöhnliche Dinge des Alltags von Eva Kreissl und Roswitha Orac-Stipperger

Volkskundemuseum

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24. bis 25. Dezember 2023