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Ingeborg Strobl, 1989/90

Scheingräber wurden zum Andenken an Tote, deren Gebeine nicht aufgefunden werden konnten, errichtet und seit der Antike auch als gartenkünstlerische Akzente eingesetzt. Sie erinnern an die Vergänglichkeit des Lebens und stellen eine besondere Art der Outdoor Sculpture dar. Strobl nimmt mit diesen beiden „Grabsteinen“, die bezeichnenderweise unbetitelt bleiben, auch Bezug auf den Toten- und Gedächtniskult. Die Griechen verstanden ihre Toten beispielsweise als Schatten. So kann sich die Inschrift („Sei geduldig mit deinem eigenen Schatten“) sowohl auf den Tod als auch auf den Schatten als Abspaltung des Selbst beziehen.

Zwei Grabsteine aus glattem Stein. Die Inschrift des ersten: Sei Geduldig". Die Inschrift des Zweiten: "Mit deinem eigenen Schatten". Zwei Grabsteine aus glattem Stein. Die Inschrift des ersten: Sei Geduldig". Die Inschrift des Zweiten: "Mit deinem eigenen Schatten".

Bildinformationen

Autor*in

Elisabeth von Samsonow, Kurztext adaptiert von Lisa Schantl und Lukas Sperlich

Planübersicht

Besitzer*in

Universalmuseum Joanneum

Künstler*innenbiografie

Ingeborg Strobl

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Zum Werk

Grabsteine sind eine besondere Art der outdoor sculpture, und die Kunsthistoriker kamen auf der Suche nach dem Anfang der Kunst auf die Idee, dass der Grabstein, der aufgestellte Stein, der einen bestimmten Ort markiert, das erste Kunstwerk oder Bild gewesen sei.

Ingeborg Strobl hat an gut gewählter Stelle zwei eher kleinere Steine von der Art, wie sie sich als Allerweltsgrabstein auf den Friedhöfen finden lassen, nebeneinander aufgestellt. Die beiden Steine erinnern an die mosaischen Gesetzestafeln, die ebenfalls paarweise in ähnlicher Form dargestellt werden.

Die Steinsetzung bildet ein wichtiges Element der klassischen Gartengestaltung, wobei die Inschrift dem Wanderer etwas zuflüstert, das ihn nachdenklich machen soll. Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth beispielsweise hat in der Eremitage und in Sanspareil im Stil des 18. Jahrhunderts sogenannte Kenotaphe aufstellen lassen, leere Gräber, Steine, die erinnern sollen. Auf halbüberwucherten Steinen liest man da etwa „manibus Dorotheae“, für die Totengeister von Dorothea.

Ingeborg Strobl ruft diese Tradition einer Gartenkunst, die mit dem Toten- und Gedächtniskult in Verbindung steht, in ihrer Arbeit wach. Die Inschrift auf den Steinen wendet sich direkt an den Besucher, der „viator“, der ermahnt wird, geduldig mit seinem Schatten zu sein. Die Griechen hatten ihre Toten als Schatten aufgefasst, die sich im Totenreich Hades befinden. Ferner ist die Art der Gravur mit Goldauflage, die die Künstlerin benutzt, die gewöhnlich auf Grabsteinen vorkommende.

Geduld mit seinem Schatten zu haben, kann sich also einmal auf den Tod beziehen, so dass die Installation als ein subtiles Memento Mori entziffert werden könnte, aber auch als eine Mahnung in psychoanalytischer Hinsicht verstanden werden, dass man nämlich mit seinem Schatten, der das in die Welt projizierte Abgespaltene bedeutet, vorsichtig umgehen soll. Die beiden Steinkörper wirken wie doubles, von denen einer jeweils des anderen Schatten ist.