Offener Appell: Museumsakademie Joanneum erhalten
Sehr geehrte Verantwortliche im Land Steiermark, im Bund (BMKÖS) und im Universalmuseum Joanneum, sehr geehrte kulturpolitische Entscheidungsträger:innen,
Ich schreibe diesen Appell nicht aus abstrakten kulturpolitischen Überzeugungen heraus, sondern aus persönlicher Erfahrung. Über viele Jahre hinweg war die Museumsakademie Joanneum für mich und tausende kollegiale Professionals in und außerhalb der Museen ein einzigartiger Ort des Lernens, des Austauschs und des offenen Blicks hinter die Kulissen musealer Praxis. Mir sind die Hintergründe nicht im Detail bekannt, so dass sicher das meiste in diesem Schreiben schon vorweg bedacht wurde, und daher als Impuls aufgefasst werden mag. Es sind erste, spontan aufgeschriebene Gedanken nach der heutigen, frühmorgendlichen Mail zum Aus der Akademie, und kein Plan – aber eine diskurslose, sang- und klanglose Schließung kann nicht das Ergebnis von Haushaltskonsolidierungen in einem internationalem Museums- und Bildungsstandort wie dem UJM sein. Was die Akademie einzigartig machte, war nie allein das vermittelte Fachwissen. Es war die Selbstverständlichkeit, mit der internationale Perspektiven eingebunden wurden: Kolleg:innen aus ganz Europa, aus unterschiedlichen Museumstraditionen, mit anderen institutionellen Rahmenbedingungen, anderen Fehlern, anderen Lösungen. Diese Gespräche – in Seminarräumen, vor Ort in den Museen, bei Exkursionen, beim gemeinsamen Abendessen – haben mein professionelles Denken nachhaltig geprägt. Die Teilnehmenden in den Kursen und Exkursionen wirken als Multiplikatoren, denn sie teilen ihre dortigen Erfahrungen und geben sie weiter an ihre Mitarbeitenden. Besonders prägend waren die „behind the scenes“-Einblicke: offene Gespräche mit Kurator:innen, Restaurator:innen, Vermittler:innen, Techniker:innen und Direktor:innen über die sehr erfreulichen erfolgreichen und wirksamen Seiten unserer Aufgaben, aber auch die realen Herausforderungen – über Budgetzwänge, unterschiedliche Konzeptauffassungen, politische Diskurse, Bauerfahrungen, Publikumskonflikte. Genau diese Offenheit braucht unser gemeinsamer kulturpolitischer Auftrag. Und genau sie ist es, die Professionalität schafft. Die Museumsakademie war ein geschützter Raum, in dem man Fragen stellen konnte, die im eigenen Tun, in der eigenen Institution, in den immer zu knappen Zeitfenstern, oft keinen Platz haben. Ein Ort der Analyse und des fairen Austauschs, in der Zustimmung und Kritik nicht hinter vorgehaltener Hand, sondern offen und konstruktiv, mit Charme und Herzenswärme für die Sache ausgetauscht wurde. Für viele Teilnehmende – mich eingeschlossen – war sie ein entscheidender Baustein beruflicher Orientierung und Weiterentwicklung. Vor diesem Hintergrund ist die angekündigte Schließung der Museumsakademie Joanneum nicht nur eine organisatorische oder finanzielle Entscheidung, sondern ein tiefer Einschnitt in die Weiterbildungslandschaft des deutschsprachigen Museumswesens – mit Auswirkungen weit über Graz und die Steiermark hinaus. Die angekündigte Schließung der Museumsakademie Joanneum wäre ein kultur- und bildungspolitischer Fehler mit Langzeitfolgen – für die Steiermark, für Österreich und für den gesamten deutschsprachigen Museumssektor. Gleichzeitig ist Universalmuseum Joanneum durch Subventionskürzungen und steigende Kosten zu Sparmaßnahmen gezwungen und kommt diesen Auflagen sicherlich mit Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein nach. Genau in einer solchen Lage darf man aber nicht die Strukturen abbauen, die Kompetenz, Nachwuchs und Resilienz des Systems sichern.
Warum die Schließung ein falsches Signal wäre:
• Qualitätssicherung statt Abbau: Museen stehen erheblich unter Druck (Digitalisierung, Provenienz, Inklusion, Klima, Vermittlungskonflikte, Sicherheitsfragen). Weiterbildung ist keine “Kür”, sondern Infrastruktur.
• Hebelwirkung: Jeder Euro in Professionalisierung wirkt vielfach zurück – in bessere Projekte, nachhaltigere Betriebsmodelle, höhere Publikumsbindung. • Standort- und Reputationsschaden: Graz/Steiermark verlieren ein sichtbares Kompetenzzentrum und ein Netzwerk, das weit über die Region hinaus ausstrahlt.
• Bruch eines bewährten Modells: Die Finanzierung wurde bislang zu gleichen Teilen von Land und Bund getragen; wenn eine Seite aussteigt, kippt ein funktionierendes System. Bitte bedenken Sie alternative Finanzierungsmodelle, bevor es zum Totalschaden kommt. Sicher sind auch Mehrsäulenmodelle denkbar, als nur das bisherige duale Finanzierungssystem. Momentan wichtig scheint die Schaffung einer Übergangsfinanzierung und eines Konsolidierungsplan, ein befristeter „Brückenfonds“ von Land/Bund/UMJ, gekoppelt an klare Ziele (künftige Finanzierungsstrategien, Eigenmittelquote, Drittmittel, Teilnehmerzahlen, digitale Formate… ). So verhindert man einen Strukturbruch und gewinnt Zeit für neue Wege. Die Gründung eines Fördervereins / Freundeskreis Museumsakademie wäre denkbar (Mitgliedsbeiträge privat + institutionell, Patenschaften für Stipendien für die Teilnahme an den Weiterbildungen, gezieltes Fundraising) Programmatisch passende EU- und internationale Förderungen können eruiert werden, z.B.: • Creative Europe (Kooperationsprojekte, Capacity Building)
• Erasmus+ (Weiterbildung, Mobilität, Partnerschaften)
• ESF+ (Qualifizierung/Arbeitsmarktbezug, auch Soloselbständige und KMU als Nutzer der Museumsakademie – je nach nationaler Umsetzung)
• Grenzüberschreitende Kultur-/Wissenskooperation mit Partnern in der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz
• Einbindung Forschung/Innovation zu Museumspraxis, Digitalisierung, Heritage Science, wie im Programm Horizon Europe (abgeschlossen?) Hier kann gezielt recherchiert werden, welche strategischen Konsortien in Frage kommen, die die Akademie als Weiterbildungshub positionieren. Weiterhin: “Institutional Memberships” für Museen und Träger Jahrespakete für Museen/Kommunen/Verbände: Kontingente für Kurse, planbare Einnahmen, fair für kleine Häuser (Staffelpreise) –Beträge, die in Summe wirksam wären Stiftungs- und Unternehmenspartnerschaften Kooperationen mit regionalen Stiftungen, Banken, Versicherungen, Industrie Kooperation mit Hochschulen (Co-Branding, Co-Funding, Lehre) - die Akademie als „Interface“ zwischen Wissenschaft und Museumspraxis
Ich bitte die Verantwortlichen folgende Maßnahmen vor der endgültigen Schließung zu prüfen:
• Moratorium der Schließung bis mindestens 31.12.2026 (Planungssicherheit schaffen).
• Runder Tisch von Land–Bund–UMJ–Museumsbund–Hochschulen–Partner
• Finanzierungs- und Programmplan 2026/27 mit Ziel: ab 2027 stabile Mehrsäulenfinanzierung (öffentliche Basis + Drittmittel + Eigenmittel)
Die Museumsakademie ist kein “nice to have”. Sie ist Teil einer museal-kulturellen Grundversorgung –eben für diejenigen, die Museen jeden Tag professionell möglich machen. Wer sie schließt, spart kurzfristig und zahlt langfristig mit Qualitätsverlust, Know-how-Abfluss und geringerer Innovationskraft. Die Museumsakademie Joanneum steht für eine Haltung: für Offenheit, für kollegialen Wissensaustausch, für das Lernen aus der Praxis. Sie ist kein Luxus, sondern ein Fundament. Wer dieses Angebot aufgibt, verliert nicht nur ein Weiterbildungsangebot, sondern ein enormes, internationales Netzwerk aus Erfahrung, Vertrauen und Dialog, das sich nicht einfach neu aufbauen lässt. Gerade in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Spannungen, knapper Mittel und steigender Erwartungen an Museen braucht die Museumsakademie mehr denn je. Bitte setzen Sie die Schließung aus und öffnen Sie den Weg für ein zukunftsfähiges resilient finanziertes Träger- und Betriebsmodell.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ulrich Hermanns CEO Dr. Ulrich Hermanns Ausstellung Medien Transfer Gmbh, Münster