Das Museum für Geschichte
Ein neuer Name, ein neues Selbstverständnis, ein neuer Stil … Vier Fragen an Bettina Habsburg-Lothringen zum neuen Museum für Geschichte
Was gibt es im Museum für Geschichte zu sehen?

Im Museum für Geschichte zeigen wir die Kulturhistorische Sammlung und die Multimedialen Sammlungen erstmals gemeinsam unter einem Dach.
Erstere wurde im späten 19. Jahrhundert gegründet, um die Kulturepochen des Landes ab dem Mittelalter sowie die regionale kunstgewerbliche Produktion zu dokumentieren. Heute umfasst diese Sammlung an die 35.000 historische Musikinstrumente und Fahrräder aus Holz, Schränke und Luster, Globen und Zunfttruhen, Rosenkränze und Grabkreuze oder Hüte und Spazierstöcke. Die Multimedialen Sammlungen wurden in den späten 1950er-Jahren angelegt. Sie bewahren die regionale Geschichte und Medienentwicklung in Form von Fotografien, Filmen und Tonaufnahmen. Insgesamt umfassen die Multimedialen Sammlungen rund 2,5 Millionen Objekte.
Die Verbindung der beiden Sammlungen ermöglicht es uns nun erstmals, das Werden und den Wandel der Steiermark über die letzten 900 Jahre verständlich zu machen. Dank der Multimedialen Sammlungen können wir dabei auch das 20. Jahrhundert in angemessener Weise berücksichtigen.
Für welche Themen sehen Sie das Museum für Geschichte zuständig und welchen Prinzipien folgt Ihre Arbeit?
Wir reduzieren Geschichte dezidiert nicht auf politische Geschichte. Unser Interesse gilt den Grundfragen, die Menschen und Gemeinschaften aufs immer Neue bewegen: Welches Bild der Welt und des Jenseits prägt unser Denken? Wie organisieren wir uns als Gesellschaft? Wie lösen wir Konflikte? Wie gehen wir mit Minderheiten um? Wie stellen wir uns technischen oder wirtschaftlichen Entwicklungen?
Zentral ist zudem, dass wir kein Haus für Objekte und Expertinnen/Experten sein wollen. Wir verstehen uns als Museum über Menschen und für Menschen von heute. Geschichte ereignet sich nicht, sie wird gemacht, von ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und allen Individuen, die sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu Ereignissen und Entwicklungen verhalten und so Geschichte aktiv mitgestalten.
Ein weiterer Grundsatz ist es, die Geschichte dieses Landes konsequent im Kontext der überregionalen und europäischen Geschichte zu beleuchten. Die Steiermark war nie eine Insel, und dementsprechend lässt sich auch ihre Vergangenheit und Gegenwart nicht isoliert betrachten.
Warum braucht es ein Museum für Geschichte?
Zum einen sind unsere Depots voller früherer Antworten und Lösungsansätze, die uns vielleicht heute dabei helfen können, Alternativen zu denken und Lösungen zu entwickeln. Geschichte ist damit nicht Selbstzweck, sondern unterstützt unsere heutige Orientierung und Meinungsbildung.
Zum anderen können wir einen guten Beitrag dazu leisten, den Menschen bewusst zu machen, dass die Gegenwart geworden und das uns Gewohnte relativ ist: Wir blicken heute dank der modernen Medien in die entferntesten Gegenden der Welt. Was wir dabei sehen, ist uns manchmal unverständlich und fremd. Im Museum haben wir die Möglichkeit, einen Rückblick in die eigene Geschichte zu organisieren und deutlich zu machen, wie fremd uns auch die eigene Kultur ist, wenn wir nur 150 Jahre zurückgehen und auf Konzepte von Herrschaft, die Macht der Kirche oder das Verhältnis von Mann und Frau oder Eltern und Kindern blicken. Ein Verständnis dafür, dass Kultur permanent in Bewegung ist, hilft vielleicht, die heute so offensichtliche Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen auszuhalten.
Was interessiert Sie persönlich am Museum?
Ich denke, es ist dieses beständige Sich-Bewegen zwischen Räumen und Zeiten, das mich am meisten interessiert: Wir finden als Museum an einem konkreten Ort statt, sind als Landesmuseum der Region verpflichtet und hören mit dem Denken nicht auf, wo unsere Sammlung endet.
Was die Geschichte, Gegenwart und mögliche Zukunft angeht, so bewegen wir uns laufend in diesen Zeiten, denen wir gleichermaßen verpflichtet sind. Für die Geschichte sind wir persönlich nicht verantwortlich, wohl aber dafür, uns zu ihr verantwortungsvoll zu verhalten. Als Individuum kann ich Museum nur vor dem Hintergrund meiner eigenen Gegenwart denken und betreiben, immer mit Blick auf die Zukunft, auf deren Gedächtnis wir schon heute bauen.
Museum für Geschichte
Sackstraße 16
8010 Graz, Österreich
T +43-316/8017-9800
geschichte@museum-joanneum.at
Öffnungszeiten
Di-So, Feiertag 10 - 18 Uhr
Ausnahmsweise geschlossen: