Unterrichtstafeln für Erzherzog Ferdinand Karl, 1760

Jacques Roëttiers, Unterrichtstafel für Erzherzog Ferdinand Karl, Wien, 1760, KHS, Inv.-Nr. 09634.11: „CALLIGRAPHIA“, Foto: UMJ/ N. Lackner

Die genaue Festlegung von Erziehungszielen war ein zentrales Element in der Prinzenerziehung am Wiener Hof. Dem im Rang eines Obersthofmeisters stehenden Erzieher, nach spanischem Vorbild „ajo“ genannt, kam daher besondere Bedeutung zu. Seine Arbeit wurde sorgfältig überwacht. Um die männlichen Sprösslinge auf politische Ämter angemessen vorzubereiten, beauftragte das kaiserliche Elternpaar, Franz I. Stephan und Maria Theresia, Georg Philipp von Rottenberg mit der Ausarbeitung eines umfangreichen Programms für die „institutio archiducalis“, die Ausbildung der Erzherzöge: Ferdinand Karl Anton (17541806), der bis zum Einmarsch Bonapartes 1796 in Mailand Statthalter der österreichischen Lombardei war, und Maximilian Franz (17561801), der als letzter Kurfürst von Köln in Bonn residierte.

Bereits in sehr jungen Jahren hatten die Zöglinge ein enormes Pensum zu bewältigen. Davon zeugen die über 30 Tafeln, deren farbenfreudige, im Detail präzise Ausführung die Fülle an Lehrstoff optisch gemildert haben dürfte. Geschaffen hat sie der französische Graveur Joseph-Charles Roëttiers (16911779), dessen Werk noch ganz dem Rokoko angehört. Die Tafeln zeigen deutliche Anlehnungen an Vorlagen aus der Augsburger Grafik, die um diese Zeit als „Augsburger Geschmack“ europaweiten Ruf genoss. Eine weitere umfangreiche Serie hat sich in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien erhalten.

 

Mit ihrem farbenfrohen Erzählreichtum gehört die Grazer Serie zu den bedeutendsten und künstlerisch reizvollsten Dokumenten zur Geschichte aristokratischer Erziehung. Dem Selbstverständnis der Dynastie getreu hatten die Kaisersöhne schon von klein auf die geistigen Grundlagen des traditionellen Absolutismus zu verinnerlichen. Dies waren primär das hierarchische Gesellschaftsverständnis und das religiös bestimmte Menschenbild im Sinne intensiv gelebter Katholizität, der „pietas Austriaca“, wie sie von der Gegenreformation herrührte. Hinzu trat eine sehr weit gespannte Skala praktischer Fertigkeiten, die auf eine möglichst anschauliche, kindgerechte Weise vermittelt werden sollten.  

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24. bis 25. Dezember 2023