Stadt und Land

Vom Land stammend und einen großen Teil seines Lebens in der Stadt verbringend, sind Peter Rosegger beide Welten vertraut.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kommt es wie nie zuvor zu einer räumlichen Verdichtung des sozialen Lebens. In der Stadt zu leben, wird ökonomisch und kulturell zur dominierenden Lebensart. Viele ziehen vom Land in die Stadt, was zu großen Bauprojekten führt – auch in Graz. Es entstehen Gebäude mit teilweise mehr als zehn Wohneinheiten, die Zahl der Wohnhäuser steigt innerhalb von 50 Jahren um 35 %, jene der Wohneinheiten um 50 %. Auch die Infrastruktur wird ausgebaut: Zubringerstraßen erhalten Boulevardcharakter, Brücken entstehen nach neuesten technischen Möglichkeiten, Gas- und Wasserwerke werden errichtet. Gründe für den starken Zuzug nach Graz sind dessen Position als Landeshauptstadt und Verwaltungsmittelpunkt, als dominanter Handelsort und Konzentrationspunkt des Kapitals. Angestellte des öffentlichen Dienstes, Beamte und wohlhabende Selbstständige leben in den neu errichteten bürgerlichen Wohnhäusern in St. Leonhard und Geidorf. In der Murvorstadt siedeln sich entlang der Eisenbahnlinien und der wichtigsten Fernverkehrsstraßen Industrien an, die Arbeiter/innen anziehen. Trotz allem bleibt Graz eine grüne Stadt und damit reizvoll für Rentner aus der ganzen Monarchie.

 

Peter Rosegger weiß Graz zu schätzen und bringt sich in die Debatten um das Stadtbild ein – sei es zur Frage der Erhaltung des Mariagrüner Waldes oder der Umgestaltung des Schlossberges. Es gibt aber auch Seiten an Graz, die ihn stören, wie zum Beispiel die Luftverschmutzung, die um 1900 bereits ein großes Problem darstellte.

Blick vom Eisernen Tor in die Herrengasse, Leopold Bude, 1890, Multimediale Sammlungen, UMJ

Stadt

Die bäuerliche Bevölkerung in den alpinen Regionen der Obersteiermark lebt in der Mitte des 19. Jahrhunderts karg und arbeitsreich. Steiles Gelände, kaltes Klima und lange Winter machen den reinen Getreideanbau unattraktiv, Mischwirtschaft und Viehzucht dominieren. Diese Formen der Bewirtschaftung sind ganzjährig arbeitsintensiv und erfordern viele hausgebundene Dienstboten. Im Vergleich mit anderen steirischen Regionen sind die Besitzgrößen ausgedehnt und verfügen über viel Wald. Beides verstärkt sich bis zum Ende des Jahrhunderts, unter anderem als Folge der Aufhebung der Grundherrschaft inklusive Grundentlastung. Ankäufe verlassener Höfe führen zu Besitzkonzentrationen, freie Gebiete werden aufgeforstet und erhöhen den Waldanteil. Das gewonnene Holz geht anfänglich an die Industrie, später dient der Wald den Industriellen auch als Erholungsraum – zur Jagd. Vor allem in den Industrieregionen gibt es in der Steiermark um die Jahrhundertwende aber auch viele Zwergbetriebe bis 5 ha. Viele Arbeiter/innen führen zugleich kleinste Landwirtschaften zur Existenzsicherung oder Verbesserung des Einkommens. Das dafür nötige Land erhalten sie oft vom Arbeitgeber.

 

Rosegger beobachtet die Landflucht mit zunehmender Bitterkeit. Wiederholt prangert er den Steuerdruck an. Er spart aber auch nicht mit Kritik an den Bauern, die ihre Höfe verkaufen, er unterstellt ihnen Habgier und Naivität. Am deutlichsten bringt er seine Einschätzung in seinem Roman Jakob der Letzte zum Ausdruck, den er als Dokumentation über den Untergang des Bauerntums in den Alpen versteht.

Beim Brotschneiden, ohne Datum, Fotosammlung Volkskunde, UMJ

Land

Museum für Geschichte

Sackstraße 16
8010 Graz, Österreich
T +43-316/8017-9800
geschichte@museum-joanneum.at

 

Öffnungszeiten


Di-So, Feiertag 10 - 18 Uhr

 

29. Mai 2023

24. bis 25. Dezember 2023