Der „Große Krieg“ hat das Antlitz der Welt verändert. Man sah am Ende die Spaltung der Welt, die das 20. Jahrhundert politisch prägen sollte. Die USA waren die neue Großmacht, deren Präsident Wilson mit seinem Friedenskonzept der 14 Punkte noch einen „gerechten“ Frieden anstrebte, der Illusion bleiben sollte und in den Interessenslagern der Sieger und in der (historisch neuen) Kriegsschuldfrage untergehen musste. Und aus dem Zarenreich war ein bolschewistischer Staat geworden, der seinen eigenen Weg ging.
Die großen Monarchien der Verlierermächte waren gestürzt, das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie in Nachfolgestaaten auseinandergebrochen. Europa und der Nahe Osten waren neu zu ordnen.
Für die Steiermark bedeutete dies, dass sie sich – um ein Drittel verkleinert – in einem ungeliebten Staat „Deutschösterreich“ wiederfand. Die Regierungsform war nunmehr eine parlamentarische Demokratie, deren innere Struktur aber von großen gesellschaftlichen Konfliktlinien gekennzeichnet war. Die Loyalität der Bundesländer dem österreichischen Gesamtstaat gegenüber war gering.
Materiell hinterließ der Krieg in der Steiermark keine Zerstörungen an Häusern und Landschaften, er war ja nicht hier ausgetragen worden. Aber er hinterließ zerstörte Menschen. Krüppel, Zitterer und andere, die in der Gesellschaft am Rande stehen mussten und für die Versicherungssysteme nur mangelhaft griffen, bevölkerten die Straßen als Bettler, Straßenmusikanten oder aber als Verkäufer von kleinen Waren wie Zündhölzern.
Nicht nur sie waren arm. Die Nachkriegsinflation fraß die Ersparnisse rasant auf (Geldentwertung auf ein Vierzigtausendstel des Ausgangswerts), die neuen Grenzen engten Handelsmöglichkeiten ein, Hunger gehörte auch – ja: vor allem – nach dem Krieg zum Alltag. Die spanische Grippe raffte vor allem junge Menschen hinweg, auf den Friedhöfen zählen die Gräber dieser Toten wenig mehr als die auf den Kriegerdenkmälern genannten Gefallenen des Ersten Weltkriegs.
Der Krieg hatte auch das Kunstverständnis verändert. „Krieg dem Kriege“, die große Antikriegsausstellung Friedrichs, prägte eine Generation von Künstlern, welche die Schrecken des Erlebten in ihren Arbeiten festzuhalten versuchten. Die Fragmentierung, die man an der Front oder im Hinterland erlebt hatte, trug zu neuen Ausdrucksformen bei. Und Hoffnung, die man zumindest kurzzeitig auf das gesellschaftliche Experiment des Kommunismus setzte, schlug sich vor allem in der Dichtkunst nieder.
Einerseits herrschte Aufbruchsstimmung: Neuland war in Sicht. Demokratie, Frauenwahlrecht, Überwindung von Privilegien, Abschaffung der Adelstitel, Mitgestaltung und Sozialgesetze. Andererseits aber gab es Nostalgie: die Sehnsucht nach der verlorenen Größe, der Verlust der Unschuld, das Absinken in die ökonomische und politische Bedeutungslosigkeit. Die Strahlkraft des Großreichs und seiner Metropole(n) war der Realität des Kleinstaats gewichen.
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