Richtete der Krieg alles nach „vorne“, zur Front hin, aus, so gab es auch den Weg in die umgekehrte Richtung.
Rasch trafen die ersten Kriegsgefangenen ein, für die Lager geschaffen werden mussten. In Knittelfeld und Feldbach wurden die ersten großen Lager errichtet. Lager veränderten ihre Umgebung. In Knittelfeld übertraf die Zahl der bis zu 30.000 Kriegsgefangenen die heimische Bevölkerung um ein Mehrfaches. Die Lagerinsassen mussten versorgt, bewacht und medizinisch betreut werden. Wasser und Abwasser mussten reguliert und Bäckereien produziert werden, man brauchte Strom sowie Bautrupps und vieles mehr. Lager bewirkten einen ökonomischen Schub für die betroffenen Gegenden. Man konnte Gefangene als Arbeitskräfte rekrutieren und man verzeichnete eine gewaltige Nachfragesteigerung. Um gegen psychische Abbauerscheinungen anzukämpfen, beschäftigten sich die Gefangenen im Lager mit Handarbeiten und Kulturprogrammen. Auch die Österreicher in den Lagern der Kriegsgegner versuchten, den Alltag auf diese Art bewältigbar zu machen.
Lager bedeuteten aber auch: andere Religionen, andere Sprachen, andere Kulturen.

Neben den Kriegsgefangenen kamen auch Flüchtlinge aus den Frontgebieten. Vor allem aber wurden Menschen – vornehmlich aus Galizien –, die verdächtigt wurden, mit dem Feind zu sympathisieren, zwangsweise in Lager im Hinterland gebracht. Am 1. 12. 1914 waren bereits 6.000 sogenannte „Ruthenen“ im Lager Thalerhof zwangsinterniert, ohne ein kontrolliertes Rechtsverfahren. Darunter waren Männer, Frauen, Kinder und Alte. Weit über 1.000 davon verstarben im ersten Jahr der Gefangenschaft an den Folgen von Epidemien. Heute erinnert eine Gedenkstätte an diese unglücklichen Menschen, die ihre Verschickung oft nur der Denunziation durch neidische Nachbarn zu verdanken hatten.
Auf die Aufgabe, das Massenphänomen Lager logistisch zu bewältigen, waren die kriegsführenden Parteien schlecht vorbereitet. So dauerte es Monate, ehe die Lager zumindest den humanitären Mindeststandards entsprechen konnten.
Nach „hinten“ kamen auch eigene Soldaten. Auf Urlaub von der Front, was als glückhaft empfunden werden konnte, oder aber als Verwundete, oft mit amputierten Gliedmaßen oder Verstümmelungen.

Und es kamen psychisch Beschädigte, die „Zitterer“, die schon in den Letzten Tagen der Menschheit von Karl Kraus sprachlos die Szene bevölkern. Für sie hatte der vormals in Graz lehrende und ordinierende Nervenarzt Julius Wagner-Jauregg den Elektroschock weiterentwickelt, wobei in einer einmaligen Sitzung Schmerzen zugefügt wurden, die den „Simulanten“ vom wirklich Kranken unterscheidbar machen sollten.
Und zurück kamen die Toten, sofern sie nicht in den Massengräbern oder unbestattet an der Front verblieben.
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