7. Juni 2019 / Walter Feldbacher
Von Krötenstechern bis zur Pfingstluckn – südsteirische Pfingstbräuche einst und jetzt
So fallen heutzutage meist nur mehr „Zuagroaste“ den Streichen der „Pfingstbuam“ zum Opfer, wobei im ersten Jahr noch „höflicherweise“ in großen Lettern vor der Hauseinfahrt auf diese „Ehrenschuld“ hingewiesen wird.
Mancherorts findet man noch Spuren des pfingstlichen Treibens auf den Landstraßen. Mit Kalkfarbe werden Liebschaften oder andere lokale Geschehnisse des letzten Jahres in Schrift und/oder Bild auf dem Asphalt „offengelegt“. Und es war nicht der Heilige Geist, dessen Hochfest Christinnen und Christen zu Pfingsten feiern.
„Pfingstluckn“ und „Wagenzieher“
Bis in die 1980er-Jahre war noch eher das direkte Kassieren des Pfingstobolus üblich. Die Burschen zogen in Gruppen von Hof zu Hof und verlangten lautstark mit dem Ruf „Sind die Wagen gʼschmiert“ nach ihrem „Trinkgeld“ oder die Bewohnerinnen und Bewohner kredenzten ihnen gleich vor Ort Wein, Bier, Most oder Schnaps. Blieb ihre Aufforderung ungehört, wurde eifrig „ausgezogen“. Die nächtliche Kreativität bei den Pfingststreichen kannte keine Grenzen, manchmal wurden sogar die des Gesetzes überschritten. Unabdingbar war jedoch, dass ein „Pfingstbua“ das 14. Lebensjahr erreicht haben musste, der Eintritt in die „Pfingstlucknmündigkeit“.
Eine ortskundliche Stoffsammlung der Volksschule Weinburg am Saßbach aus dem Jahre 1954 – ebenfalls in der Pfarre St. Veit am Vogau gelegen – für den damals zuständigen Bezirksschulrat berichtet:
Die Jugend verbindet mit Pfingsten wieder die scherzhafte Sitte „Pfingstluckn zu machen, so bekränzt man einen Langschläfer das Fenster mit Brennnesseln oder kitzelt ihn damit aus dem Bett. Mit Sägespäne zeichnet man den Weg eines verliebten Paare nach. Von einem gern gesehenen Mädchen trägt man die Blumenstöcke weg, einem stolzen Mädchen stellt man eine männliche Strohfigur („Pfingstlotter“) vor das Fenster. Geizigen Bauern stellt man den Fuhrwagen in den Graben oder gar aufs Dach („Wagenziehen“), ihre Melkeimer finden sich auf einem Mast wieder.
„Blitzkrautbuschen“
Ein anderer hier in diese Jahreszeit gehörender, aber beinahe vergessener Brauch ist das Binden der „Sonnwendbuschen“ aus Blumen und Heilkräutern wie Arnika, Margeriten und Johanniskraut.
So wurden in Weinburg am Saßbach noch in den 1950er-Jahren um den Johannitag (24. Juni) das Johanniskraut auf den Feldrainen gesucht und deren Stämmchen in Form eines Andreaskreuzes den Sommer über ins Fenstergitter als Schutz vor Unwetter und Blitz gesteckt.
Beim Brotbacken hat man beim Anheizen des Backofens das Feuer mit „Blitzkrautbuschen“ (Johanniskraut) entfacht. Da diese Blitzkrautbuschen aber nicht durch kirchliche Segnung geschützt waren, versuchte der Schlossbenefiziat Moritz Schwarzl bereits zu Ende des 19. Jahrhunderts diesen Brauch als „heidnische Unsitte und Aberglauben“ abzuschaffen.
„Pfingslucknritt“
Ein für uns heute wahrlich skurril anmutendes Spektakel offenbarte sich jeweils am Pfingstsonntag in St. Veit am Vogau in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Jurist und Autor mehrerer kulturhistorischer Publikationen Anton Schlossar (1849–1942) beschreibt dies in seinem Werk „Cultur- und Sittenbilder aus Steiermark“ (1885):
Zu Wagendorf bei St. Veit am Vogau in Mittelsteiermark wurde zu jener Zeit der „Pfingstlucknritt“ der Halter- und Ochsenbuben (Viehalter) abgehalten, an welchem sich später auch angesehene Bauernsöhne gern beteiligt haben sollen.
Bei diesem uns heute skurril erscheinenden Festzug wurden Rang und Rolle der Reiter durch den Zeitpunkt ihres morgendlichen Eintreffens auf der Gemeindeweide bestimmt, wobei der letzte eben der sogenannte „Pfingstluckn“ war.
Am Pfingstsonntag zeigte sich das ganze Dorf in Aufregung. Jeder Bauer gab gerne ein Pferd für den Zug her. Voran ritt der Fahnlführer, hinter ihm die Krötenstecher mit Helm und Schwert und einem langen Spieß auf welchem Frösche und Kröten steckten, dann die „Stababkehrer“ mit großen Besen, welche sie beim Vorbeireiten in Wasser tauchten und damit die Leute bespritzten, die „Klaubauf“ griffen auf, was ihnen in die Hände fiel und warfen es zwischen die Zuschauer. Zuletzt kam der „Pfingstluckn“ ganz mit grünen Birkenreisern umflochten und bekränzt auf den schlechtesten Gaul geritten.
Der Zug lenkte in das nahe St. Veit am Vogau und stellte sich in Reih und Glied nahe der Pfarrkirche auf, als die Leute vom Kirchgang heimkehrten. Hier schleuderten die Krötenstecher die Frösche und Kröten in die Menge und jeder machte Possen seinem Namen entsprechend. Der Maulabwischer etwa fuhr den Leuten mit dem Besen übers Gesicht. Dann ging es wieder zurück ins Dorf, wo der Fuchstanz aufgeführt wurde.
Die herrschaftlichen Beamten und Honoratioren befanden sich ebenfalls unter den zahlreichen Zuschauern. So wurde dem Brauch schließlich dadurch ein Ende bereitet, dass einmal ein Krötenstecher einige dieser Persönlichkeiten mit Kröten bewarf.
Im Jahre 1847 wurde der „Pfingstlucknritt“ in St. Veit am Vogau behördlich verboten. Das Spiel der Dorfbuben soll jedoch noch einige Zeit an dieses Schauspiel erinnert haben.
Dieses vorchristliche Brauchtum geht ursprünglich auf ein Fest zur Begrüßung des Sommers zurück. Das Bloßstellen einer Person, die dieses Fest verschlafen hat, kann in Beziehung zum germanischen Gott Donar gesehen werden, der als Donnergott (naturgemäß) auch als Wetter- und Vegetationsgottheit verehrt wurde. Auch der Fuchstanz – so war der rothaarige Fuchs dem Donar heilig, da er an seinen roten Bart erinnert – sowie die Donnerkröten stehen in diesem Zusammenhang. Der mit grünen Birkenzweigen geschmückte „Pfingstluckn“ könnte als der nun endgültig besiegte Winter gedeutet werden.
Birkenzweige finden sich auch häufig neben Maiglöckchen, Maikäfern und Fröschen – letztere oftmals personifiziert – als Motive für die zwischen ca. 1900 und 1960 besonders im deutschen Sprachraum beliebten Pfingstgrußkarten.
Schlagworte: Aberglauben - Aberwissen | Multimediale Sammlungen