Hotel Post Mürzzuschlag, 1928, Winter!Sport!Museum! Mürzzuschlag

25. Januar 2018 / Christoph Pietrucha

Die fotografierenden Flaneure

Museum für Geschichte

Flaneure sind spazierengehende Genießer. Mit offenen Augen schreiten sie durch die Stadt, lassen ihre Augen an Häuserfassaden entlang streifen. Sie lassen sich von ihrer Umgebung inspirieren und tragen das Gesehene in ihre Träume hinein. Und die fotografierenden Flaneure? Suchen sie nach passenden Motiven? Oder sind sie gar keine echten Flaneure, da sie nicht herumstreifen, sondern mit ihrer Kamera gezielt bestimmte Orte des Geschehens aufsuchen?

Habernal & Lindl, Mariazell bei Nacht. Wienerstrasse mit Hotel Feichtegger, Privatsammlung

Der Amateur und wohl auch die Amateurin musste erst vom Fotografieren in der Nacht überzeugt werden. In den 1930er-Jahren ändert sich das aber allmählich. Für Walter Heering war die „Photogpraphie bei Nacht, vor einigen Jahren noch ein Sondergebiet vereinzelter Anspruchsvoller, […] heute bereits Allgemeingut weitester Amateurkreise geworden.“ Im zehnten Heft der 1930 in Wien herausgegebenen Zeitschrift Kamera-Kunst nennt er auch die Gründe hierfür. Zu einem war es der technische Fortschritt, zum anderen waren es die „allerorten veranstalteten Lichtfeste […], die das Interesse für dieses schöne Gebiet lichtbildnerischer Betätigung weckten.“ Die Feststellung des Fotografen aus Halle an der Saale in Deutschland teilen aber auch steirische Fotografen. Erich Sieghard aus Graz erklärt sich die „unbegreifliche Scheu vor Aufnahmen bei nächtlicher Beleuchtung“ mit dem Problem der Belichtungszeit, die für ihn aber keine Schwierigkeit mehr darstellt. In der Zeitschrift Photo- und Kino-Sport. Illustrierte Monatshefte für Amateure vom November 1931 beschreibt er die Fotografie bei Nacht als „eine der dankbarsten lichtbildnerischen Beschäftigungen. Vorwürfe, die bei Tage in ihrer banalen Gegenständlichkeit für die photographische Wiedergabe gänzlich ungeeignet sind, empfangen im Scheine einer Laterne mit ihren Reflexen im nassen Pflaster jenen Zauber, durch den uns Nachtaufnahmen so reizvoll erscheinen.“

Maximilian von Karnitschnigg, Die Nacht an der Mur, Graz, um 1925, Multimediale Sammlungen/UMJ

Auch Maximilian Karnitschnigg beobachtet die entflammte „Vorliebe für Nachtaufnahmen“. Neben den technischen Voraussetzungen ist es die Elektrifizierung der Stadt, die die fotografierenden Flaneure nachts auf die Straßen lockt. In Kamera-Kunst von 1929 schreibt er, dass nach dem Ersten Weltkrieg die Straßen noch lange Zeit in einer „ägyptischen Finsternis“ lagen, sich nun aber „mit der Besserung der allgemeinen Verhältnisse ein förmlicher Lichthunger bemerkbar“ mache. Die Hauptstraßen erstrahlen „in einer bisher ungekannten Lichtfülle, die noch eine Verstärkung aus den taghell beleuchteten Auslagen der Geschäfte erfuhr und Lichtreklamen tauchten wie gespenstige Erscheinungen an allen belebten Punkten auf, dem gesamten Straßenbilde ein gründlich verändertes Aussehen verleihend.“ Ein Motiv, das auch nach dem Zweiten Weltkrieg beliebt bleibt.

Maximilian von Karnitschnigg, Hauptplatz Graz, um 1925, Multimediale Sammlungen/UMJ

Die  Ausstellung Land bei Nacht. Fotoexpedition in die nächtliche Steiermark im Museum für Geschichte zeigt das nächtliche Leben in Graz und in den steirischen Regionen.

Kategorie: Museum für Geschichte
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