Bildinformationen
Laufzeit
22.05.2022 - 31.10.2023
Ort
Österreichischer Skulpturenpark
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Interesse und Aufmerksamkeit für Skulptur außerhalb des Museumsraums führte 2003 zur Gründung des Österreichischen Skulpturenparks als landesälteste und größte Institution zu diesem Thema, sieben Kilometer südlich von Graz. Eingebettet in die spezifische Landschaftsarchitektur des Schweizers Dieter Kienast kann hier auf einer Fläche von sieben Hektar die Entwicklungsgeschichte des Skulpturenbegriffs seit der Klassischen Moderne an nahezu 80 permanent installierten österreichischen und internationalen Positionen nachvollzogen werden. Skulpturen aus klassischen Materialien wie Stein, Marmor oder Bronze sowie modernen wie Beton, Glas, Schrottteilen, Kunststoff, Keramik, Spiegel oder Watte bis zu Arbeiten aus Wasser oder Bäumen sowie jenen, die Licht und Schatten als skulpturale Faktoren einbeziehen, interagieren hier mit der Natur und treten mit uns in Dialog.
24 junge Künstler*innen mit 14 unterschiedlichen Nationalitäten aus der Klasse von Peter Kogler an der Akademie der Bildenden Künste München entwickelten als Artists in Residence für dieses Jahr ein ausgefeiltes, mehrschichtiges temporäres Projekt in Auseinandersetzung mit dem Park, seinen Skulpturen und deren Relevanz für unser Leben.
Peter Koglers Medienarbeiten oder Mustersysteme schaffen neue reale Räume und verändern sich virtuell. Dabei werden wir selbst eingebunden und von seinen Arbeiten in eine Welt zwischen Realität und Fiktion entführt. Seine Studierenden verschränken Objekthaftes mit illusionärer Realität, wobei sie uns in eine neue Dimension der Wirklichkeit versetzen, die unser Leben bereits massiv bestimmt. Auf die Frage nach diversen Realitäten ist Augmented Reality jene Antwort, die sich sukzessive von Kino bis Kryptowährung, von second life bis NFT, von der Traumanalyse und surrealen Welten bis zu Avataren, vom Tauschhandel bis zu nicht nachvollziehbar agierenden Banken- und Firmenkonstruktionen, von der Erkenntnis wissenschaftlicher Spezialgebiete bis zur Weltraumforschung entwickelte und auf die wir seit Beginn der ersten technischen Revolution vorbereitet werden.
Unter Nutzung dieser erweiterten Realität lesen wir bereits über dem Eingangstor des Parks den pinken Schriftzug Augmented Dreams, der uns verheißungsvoll zum Eintreten einlädt.
In Erweiterung des Skulpturenbegriffs und Befragung von neuen Realitäten, deren Möglichkeiten und Auswirkungen, wurden klassische Liegestühle aufgestellt, deren Bezüge mit virtuellen Gebilden – abrufbar über eine eigens entwickelte App – korrelieren. Wir nehmen auf einer dieser Möbelskulpturen Platz und erkennen deren jeweilige Verbindung zu schwebenden Figuren, Installationen oder anderen Darstellungen. So wird beispielsweise die als Emmentaler ausgewiesene Sitzfläche dem System des Memory-Spiels entsprechend einem schwebenden Butterbrot zugeordnet, eine folkloristisch anmutende Stoffstruktur der virtuellen Baba-Yaga-Hütte, figurative Darstellungen skulpturalen oder realen (Körper-)Bildern, die synergetische Wahrnehmungen erweitern.
Der virtuellen Darstellung von Big Björn entsprach zusätzlich die reale Performance dieses Bodybuilders, der von Julia Walk dramaturgisch aufgeladen und überhöht mit grellfarbigem Zuckerguss übermantelt wurde, sodass die Arbeit zwischen analoger und digitaler Welt oszilliert.
Erfassbar werden die einzelnen Positionen mittels aufgeklebter Folie des fotografischen Park-Überblicks auf einem bespielbaren Tischtennistisch, der unter anderem auf die Ping-Pong-Diplomatie der 1970er-Jahre zwischen den USA und China verweist. Nach Abbruch aller diplomatischen Beziehungen waren es internationale Tischtennisspieler aus beiden Ländern, die sich während der Weltmeisterschaft 1971 in Japan angefreundet hatten, was schließlich diplomatische Treffen der Politiker Henry Kissinger und Richard Nixon mit Mao Zedong ermöglichte. Entsprechend dieser Strategie sind wir hier eingeladen, zu zweit oder in größeren Runden die Form von Auseinandersetzung und Kommunikation im Zusammenspiel aufzunehmen.
Als Überraschungsfaktor können einem Automaten, der in keinem illusionsversprechenden Environment fehlen darf, kleine Sticker als Sammelbilder entnommen werden.
So interagieren nicht nur die einzelnen Module und Sequenzen der breit angelegten Arbeit untereinander, sondern auch wir mit neuen Wirklichkeitsformen und (Schein-)Realitäten, wodurch differenzierte Ebenen und Wahrnehmungsmöglichkeiten der Welt über Kommunikation zwischen Mensch, Natur und Skulptur eröffnet und befragt werden.
Für die Möglichkeit der Umsetzung dieses Projektes danke ich Landeshauptmann Christopher Drexler als Vertreter des Landes Steiermark. Herzlichen Dank für diese spezifische Inszenierung, den intensiven Einsatz sowie die vielschichtige Erweiterung des Parks richte ich an Peter Kogler und alle Studierenden sowie an Veronika Günther für ihre umsichtige Betreuung des Projekts. Peter Gspandl-Pataki danke ich für die Koordination, Bettina El Khalfi und Franz Greistorfer für ihre Unterstützung vor Ort.
Großer Dank gilt auch den Sponsoren, dem Verein der Freunde für moderne und zeitgenössische Kunst am Universalmuseum Joanneum, Schwere Ausstattung Wolfgang Ure, Procedes Digital Printing, Jürgen Weishäupl, Colter Wehmeier und Georgios Artopoulos von Cypress Institute und den NCSA der University of Illinois.
Elisabeth Fiedler, Juni 2022
Besuchen Sie hier die Webseite der Klasse Kogler.
Zusatzinformationen
Der Österreichische Skulpturenpark lädt nationale und internationale Künstler*innen sowie Kunstklassen zur Auseinandersetzung mit dem Park und zur Entwicklung eigener temporärer Werke für den Skulpturenpark ein.