Presseführung | Hito Steyerl 

20.09.2022
Presseführung | Hito Steyerl 

Pressetermin

20.09.2022 11:00 - 13:00 Uhr

Ort des Pressetermins

Kunsthaus Graz, Space04, Foyer, Needle

Kuratiert von

Katrin Bucher Trantow

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Was ist ein Garten, ein Habitat, eine Sphäre, ein „Cave“? Welche Geister leben da und wie zeigen sie sich? In direkter Auseinandersetzung mit dem Kunsthaus Graz schafft die international herausragende Künstlerin und essayistische Dokumentarfilmerin Hito Steyerl eine digital und analog mehrfach ineinandergreifende Installation im dunklen Kuppelraum des Space01.

 

 

 

Die immersive Installation von Hito Steyerl im Kunsthaus Graz zeigt die interaktive Weitererzählung der für das MMCA in Seoul 2022 geschaffenen Arbeit Cave.

 

„Animal Spirits ist ein Begriff, den der britische Ökonom John Maynard Keynes 1936 prägte, um den Einfluss menschlicher Emotionen auf die Märkte zu beschreiben. Furcht und Gier beeinflussen einander und erzeugen eine Sphäre der Irrationalität. Die pseudonaturalistische Idee des ‚Survival of the fittest‘ kontrolliert die menschlichen Vorstellungen der Gesellschaft und des Tausches.“ (Steyerl)

 

 

 

Ausgangspunkt der Ausstellung ist der essayistische Film Animal Spirits. Darin wird Nel porträtiert, ein Mitglied des spanischen Kollektivs INLAND, Schäfer, YouTuber und Käsehersteller. Von ihm aus entblättert sich eine mehrschichtige Installation, deren Energie- und Datenaustausch sich gegenseitig befruchtet und belebt und über die Macht des Bildes selbst reflektiert. So verweist ein schwarzes Quadrat am Dach des Eisernen Hauses auf Malewitsch und das bereits 1915 ausgerufene Ende des Bildes (und den Sieg über die Sonne). Gleichzeitig speist es als Solarpaneel auch einen Teil des Energieverbrauchs der Installation, wie etwa jenen der Pflanzen im Space01. Sie wachsen unter künstlichem UV-Licht und sind mit Sensoren ausgestattet, welche die Wände rund um den Hauptfilm mittels projizierter Höhlenmalerei in Bewegung versetzen. So wird ein Bogen zum Energieverbrauch durch den globalen Datentransfer in der (Bild-)Kommunikation gespannt.

 

 

 

Die Besucher*innen finden sich in einer Höhle wieder, wo unterschiedliche Lebensformen miteinander interagieren und Tiermalereien zum Leben erwachen. „Eine Live-Simulation, die teilweise durch Pflanzen und die Beteiligung des Publikums kontrolliert wird, zeigt von der KI imaginierte, tanzende paläolithische Tiere." (Steyerl)

 

Einmal mehr geht es in der Installation um gemeinschaftliches Leben im Informationszeitalter und dabei auch um die Frage des Bildes und seines Wahrheitsgehaltes als reines Dokument. In Die Farbe der Wahrheit schreibt Steyerl, „angesichts zunehmend prekärer Wahrheit und Zeugenschaft von Bildern, sage die Form dennoch eine Wahrheit über den Kontext des Bildes, seiner Herstellung und deren Bedingungen“. In diesem Sinne stellt sich – wie in Platons Höhle – im Kunsthaus über Animal Spirits die Frage, ob das digitale Feuer die tanzenden Tierwesen an der Wand nur als Schattenrisse unserer unbegründeten Angst projiziert. Welche realen Bedrohungen unserer direkten Umwelt zeigen sich hinter ihnen in der aufgewendeten Energie, in deren Nutzung, Verbrauch und insbesondere in deren Wertschöpfungsketten? Im Jahr 2022, in dem die Frage nach den Gewinnern unseres Energieverbrauchs eine unerwartet zugespitzte Wendung nimmt, wirkt Steyerls spekulative Erzählung eines Tappens im Dunkeln nicht nur unheimlich, sondern geradezu beklemmend visionär.  

 

 

 

Steyerls Arbeiten sind pointierte Analysen der hoch technologisierten Gesellschaft, die in multiplen, teilweise interaktiven Erzählungen das Bild als Ort von Weltwahrnehmung identifizieren und mit der Manipulationskraft des Visuellen spielen. Die Künstlerin folgt dabei der durch „die Technologie erweiterten Realität“ und beschäftigt sich ebenso kritisch wie subversiv mit ökologischen Systemen und ihrer Verbindung zu globalen Finanz- und Warenflüssen, zu Migration und der Frage der Teilnahme an bestehenden Machtgefügen.

 

Im Sog pulsierender Bilder, digitaler Rhythmen und Klänge lässt Steyerl das Publikum über Beziehungen zwischen technologischer Struktur, biologischem Leben und machterhaltenden Systemen spekulieren. Sie stößt aber auch Reflexionen an zwischen dem eigenen Verhalten im längst hybrid existierenden realen Raum und dem eigenen Befördern eines grundsätzlich ausbeuterischen Systems.

 

 

 

Hito Steyerl wurde 1966 in München geboren, sie lebt und arbeitet in Berlin. Steyerl gehört zu den bedeutendsten Medienkünstler*innen und fundierten Analytiker*innen einer digitalen, bildgesteuerten Welt. Sie studierte Dokumentarfilmregie am Japan Institute of Moving Image und später an der Hochschule für Film und Fernsehen in München. Das darauffolgende Studium der Philosophie in Wien an der Akademie der bildenden Künste schloss sie mit Promotion ab. Sie hat an der Universität der Künste Berlin eine Professur für Experimentalfim und Video inne und hat dort das Research Center für Proxy Politics mitgegründet. Seit 20 Jahren werden ihre Arbeiten in Kunstkontexten ausgestellt und international breit rezipiert.

 

2019 wurde Hito Steyerl von der Akademie der Künste Berlin mit dem Käthe-Kollwitz-Preis ausgezeichnet. 2016 nahm sie mit Hell Yeah We Fuck Die an der Biennale von Sao Paolo und 2017 an den Skulptur Projekten Münster teil. Der Neue Berliner Kunstverein widmete ihr eine Einzelausstellung und mit Factory of the Sun war sie 2015 im deutschen Pavillon auf der Biennale von Venedig vertreten. Das Van Abbemuseum in Eindhoven sowie das Institute of Modern Art in Brisbane richteten ihr 2014 mit too much world die erste Überblicksausstellung ein.

2004 wurde November auf der Manifesta 5 in San Sebastian gezeigt. Mit Lovely Andrea und Red Alert wurde sie auf der documenta 12 (2007) in Kassel einem breiteren Publikum bekannt.

 

 

Kooperation mit

Im Rahmen von steirischer herbst ’22

Zusatzinformationen

Freier Eintritt am 24.09. sowie am 25.09. (Energie-Graz-Tag)