Unsere Begegnung mit dem Arbeitskreis Heimische Pilze

von Gertrude Hahn & Volkmar Tesch

Die Power Point-Präsentation vom 26.03.2007 entstammt einer Koproduktion: Während Gertrude Hahn für die Bildgestaltung verantwortlich ist, habe ich (Volkmar Tesch) den Text des Vortrages zusammengestellt. Ich nutzte dabei die Gelegenheit, psychologische Überlegungen, die Faszinationskraft der Pilze betreffend, einzuflechten. Mit Rat und Tat unterstützt wurden wir bei dieser Gestaltungsarbeit vom zuständigen Joanneumsteam, in erster Linie von Harald Kahr, wofür auch an dieser Stelle herzlichst zu danken ist.

 

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Grundidee der gegenständlichen Power Point-Präsentation, nämlich Erstbegegnungserlebnisse von Pilzeleven, ebenfalls vom Joanneums-Pilzexpertenteam stammt und uns insbesondere von Harald Kahr „schmackhaft" gemacht worden ist.

Am 15.6.2005 kam es in Fladnitz/Teichalm zur Erstbegegnung mit dem Arbeitskreis Heimische Pilze. Wenn man versucht, den ersten Eindruck von dieser Gruppe festzuhalten und etwas zu analysieren, ergibt sich folgendes Bild: Der Großteil der Teilnehmer eher sportlich aussehend, leger gekleidet, gekennzeichnet durch ein Sammelkörbchen an der Hand. Hinsichtlich der Geschlechterverteilung ungefähr pari, mit leichtem Überhang zugunsten der reiferen Jahrgänge.
Auffällig bei einer Reihe von Teilnehmern ein erwartungsvoll strahlender Blick, zum Teil aber auch schelmisch-selbstironische Gesichtszüge, was dazu beiträgt, dass in der Gruppe niemals so etwas wie „tierischer Ernst" aufkommt.
Das Gruppenklima wirkt auf Anhieb nahezu familiär, wozu ein legerer, aber behutsamer Umgang miteinander sicher viel beiträgt, ebenso wie eine natürliche Wertschätzung, die man als Neuling besonders wohltuend empfindet. Die Befürchtung, sich womöglich als Gruppeneindringling fühlen zu müssen, weicht rasch der Sicherheit, voll akzeptiert zu werden.
Einige Beobachtungen zur Gruppendynamik: Es ist von vornherein keine starre Hierarchie erkennbar, auch keinerlei Expertenkonkurrenz (oder gar Besserwisserei!). Die Autorität Einzelner ergibt sich in natürlicher Weise aus der situationsgemäßen Kompetenz. Auf dieser Basis wird auch eine klare Zeit- und Programmstruktur vorgegeben, sodass sich der gesamte Tagesablauf (trotz nachmittäglichem Wetterunbill) bemerkenswert stressfrei entwickeln kann.

Auf diese Weise fiel es uns leicht, uns in diese Gruppe zu integrieren; dies umso mehr, als sich Harald Kahr vom Beginn an als geduldiger Mentor sehr um uns bemühte.

Was das Kennenlernen einzelner Pilzarten anlangt, erwiesen sich die im Anschluss an Exkursionen eingerichteten Pilzausstellungen als besonders hilfreich. Hier bieten sich unmittelbare Vergleichsmöglichkeiten an, die in anderer Weise kaum ermöglicht werden könnten. Jedenfalls haben wir gerade in diesen Situationen viel dazugelernt auch im Sinne wertvoller Anregungen zum selbstständigen Bestimmen von Pilzen.

 

Der Großteil der im Rahmen der Power Point-Präsentation vorgestellten Pilze stammt aus dem Gebiet rund um Anger (Quadrant 8760). Dieses Gebiet ist bei näherem Hinsehen bei weitem nicht so eintönig, wie es sich dem durchfahrenden Autofahrer präsentiert. Dies beweist auch die Buntheit der für dieses Gebiet erstellten geologischen Karte.

Auch für viele Pilzexperten hat ihre Karriere in der Kindheit mit dem Suchen von Steinpilzen begonnen. Es sieht überhaupt so aus, als wäre der Steinpilz (Boletus edulis) für viele der Inbegriff des Pilzes. Jedenfalls konnten wir rundum in der Steiermark beobachten, dass der Steinpilz gemeint ist, wenn von Pilzen die Rede ist.
Wer als Kind schon steinpilzsuchend unterwegs war, weiß, wie spannend Derartiges ablaufen kann. Gerade Steinpilze erscheinen relativ gut getarnt, und einen zu finden, an dem wahrscheinlich schon andere vorbeigelaufen sind, macht natürlich besonderen Spaß. Es sieht fast so aus, als würden hier menschheitsgeschichtlich alte Jäger- und Sammlerinstinkte geweckt bzw. reaktiviert.

Wenn man darüber nachdenkt, was Menschen vorstellungsmäßig mit dem Begriff „Pilz" verbinden, führt dies fast zwangsläufig zu der psychologisch hochinteressanten Frage, was sich eigentlich Kinder unter diesem Begriff vorstellen. Beispielsweise kann man sich die Frage stellen, was Kindern beim Zeichnen von Pilzen einfällt. In diesem Zusammenhang mussten Trudes Enkelkinder als Versuchspersonen herhalten: die 7-jährige Marlene und der 10-jährige Adam. Die Ergebnisse dieses kleinen Experiments:

  1. Pilze werden genauso spontan und freudvoll gezeichnet wie vorher Blumen, Haus und Auto.
  2. Beide Kinder zeichneten phantasievoll, aber doch erkennbar Fliegenpilze.
  3. Dabei wurde für die Gestaltung des Hutes 35 Mal so viel Zeit aufgewendet wie für alles übrige.

Das letztgenannte Ergebnis bestätigte meine psychologische Hypothese, dass gerade der Ausdruck des „Behütetseins" viel zur Attraktivität von Pilzen beiträgt, weil er unmittelbar das menschliche Sicherheitsbedürfnis anspricht. (Wie leicht Menschen über Sicherheitsbedürfnisse zu manipulieren sind, weiß jeder Politiker!)

 

Unsere bisherigen Erfahrungen im Zuge der intensiveren Beschäftigung mit Pilzen lassen sich eigentlich in einer Aussage zusammenfassen: Pilze sind immer wieder für Überraschungen gut! Damit verbunden sind natürlich psychologisch gesehen unsere entscheidenden Aha-Erlebnisse mit entsprechenden Lernfortschritten. Die Begeisterung für Pilze wird dadurch immer wieder neu belebt und es entwickeln sich daraus auch immer wieder neue Erklärungsansätze, was die Faszinationskraft der Pilze betrifft.

 

Zu derartigen Überraschungen (natürlich aus Anfängersicht) gehört u. a. das plötzliche unerwartete Auftauchen und wieder Verschwinden von Pilzen. Besonders auffällige Beispiele: Das Auftauchen von Speisemorcheln (Morchella esculenta) oder von Glänzenden Lackporlingen (Ganoderma lucidum) unmittelbar vor der Haustüre im eigenen Garten.

 

Vielleicht noch überraschender ist für den Anfänger die ausgeprägte Individualität einzelner Pilze bzw. die hohe Variabilität innerhalb einer Art in Abhängigkeit von Alter, Standort etc., z. B.: Schwefelporling (Laetiporus sulphureus).
Für Überraschungen sorgen manchmal auch außergewöhnliche Fundplätze, wie z. B. Kronenbecherlinge (Sarcosphaera coronaria) im Streuschotter eines Straßenbanketts.
Für besondere Überraschungsmomente sorgen auch Pilze mit auffälligen Veränderungen innerhalb kürzester Zeitabschnitte, z. B. der Wetterstern (Astraeus hygrometricus) in Abhängigkeit von der gegebenen Luftfeuchtigkeit.

 

Aha-Erlebnisse der besonderen Art entwickeln sich natürlich immer dann, wenn man Pilze beim ersten Hinsehen überhaupt nicht als Pilze erkennt, z. B. Tiegel-Teuerling (Crucibulum laeve).
Schaurige Gefühle überkommen den Pilzfreund, der erstmals einen Pilz sieht, der auf einem anderen Pilz schmarotzt. Solche „Kanibalen" sind z. B. der Parasitische Röhrling (Xerocomus parasiticus) oder der Stäubende Zwitterling (Nyctalis parasitica).

 

Was uns schon bei der ersten Begegnung mit der Pilzarbeitsgruppe aufgefallen ist: Dass Experten beim Bestimmen häufig an Pilzen riechen und gelegentlich auch deren Geschmack testen. Erstaunlicherweise ist es eine breite Palette von Gerüchen, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt. Leider ist gerade der Geruchssinn in unserer Zivilisation ziemlich verkümmert bzw. durch synthetische Produkte bis hin zu den chemischen Geschmacksverstärkern verbildet. Das Pilzbestimmen ist daher eine gute Gelegenheit, diese Sinne wieder zu schärfen, z. B. Fenchel-Porling (Gloeophyllum odoratum).

 

Ein besonders überraschungsreiches Thema liegt in dem Umstand, dass wir im eigenen Hausgarten (ca. 1.500 m2) im Vorjahr ca. 30 Pilzarten gefunden haben. Wobei das eigentlich Überraschende nicht so sehr in der Existenz dieser Pilzarten liegt, sondern in der Erkenntnis, wie rasch durch intensivere Beschäftigung mit einer Thematik die eigene Wahrnehmung fokussiert und geschärft wird; wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass wir einige Pilzarten früher einfach nicht gesehen hatten, wie z. B. die vor dem Küchenfenster wachsende Goldgelbe Wiesenkoralle (Clavulinopsis helvola).
Für Überraschungen kulinarischer Art sorgen nicht zuletzt Pilze, die man erst nach mehrmaliger Ermutigung durch andere Pilzfreunde der Arbeitsgruppe verkostet, z. B. die vom Aussehen und Namen her abschreckende Toten-Trompete (Craterellus cornucopioides).

 

Im Übrigen hoffen wir, dass wir noch viele gedeihliche Stunden mit dem Arbeitskreis Heimische Pilze verbringen können!

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