Mykologische Impressionen aus dem Nationalpark Gesäuse
von Mag. Bernhard Pock
Im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes des Nationalparks Gesäuse über die Ökologie totholzreicher Naturwaldparzellen wurde vom Autor die Pilzgruppe der Porlinge (Polyporaceae) untersucht. Dazu wurden zehn naturnahe Waldparzellen ausgewählt und im Sommer und Herbst 2006 mehrmals begangen.
Porlinge spielen im Ökosystem Wald eine wichtige Rolle als Destruenten (Abbauer) von Totholz, aber auch als Parasiten heimischer Waldbäume.
Neben den Porlingen wurden auch einige wenige andere Vertreter der Aphyllophorales (Nichtblätterpilze) kartiert, weil sie einerseits optisch sehr auffällig und anderseits als seltene und für Naturwälder charakteristische Arten für den Naturschutz von Bedeutung sind.
Nach einer kurzen Einführung über Landschaft, Geologie und Klima des Nationalparks wurde die Morphologie und Ökologie der Porlinge näher beleuchtet.
Bei der Gruppe der Braunfäuleerzeuger baut der Pilz den Zelluloseanteil des Holzes ab, wodurch das befallene Holz braun gefärbt erscheint und würfelig zerfällt.
Braunfäule erzeugende Porlinge befallen vorwiegend Nadelholz. Von Weißfäulepilzen befallenes Holz zerfällt nicht würfelig, sondern zersplittert faserig und ist weißlich gefärbt, da der Pilz den Holzstoff Lignin abbaut und die Zellulose übrig bleibt.
Als Nächstes wurden kurz die im Nationalpark vorkommenden Waldgesellschaften und ihre Baumartenzusammensetzung besprochen. Häufigster Waldbaum ist die durch forstliche Überprägung stark geförderte Fichte (Picea abies). Obwohl im Nationalpark die Mischwälder dominieren, gibt es auch gleichförmige Fichten-Monokulturen.
Die Fichte dient zahlreichen Porlingsarten als Substrat. Die häufigste Art ist wohl der Rotrandige Baumschwamm (Fomitopsis pinicola), der in allen untersuchten Waldparzellen häufig vorkommt. Mit der genannten Art nahe verwandt ist der viel seltenere Rosa Baumschwamm (Fomitopsis rosea), der im Gegensatz zum Rotrandigen Baumschwamm ausschließlich Nadelholz besiedelt. Diese Art ist zwar typisch für alte, naturbelassene Waldbestände, er zeigt aber auch eine gewisse Vorliebe für verbautes Holz. So kann man ihn nach mündlicher Mitteilung von Herrn Ditmar Baloch auch am Holz alter verfallener Almhütten finden.
Eine weitere aus der Steiermark bisher wenig bekannte Art ist der Dünne Feuerschwamm (Phellinus viticola). Diese Art konnte vom Autor im Nationalpark häufig auf abgestorbenem Fichtenholz gefunden werden. Im mikroskopischen Bild zeigt er die für die Gruppe der Feuerschwämme typischen Setae (Borsten), welche bei dieser Art weit ins Poreninnere ragen. Als Charakterart der naturnahen, montanen Fichtenwälder kann der Nordische Porling (Climacocystis borealis) bezeichnet werden. Er zählt im Nationalpark zu den häufigsten und auffälligsten Porlingen auf Nadelholz. Er erzeugt eine intensive Weißfäule im Stamm und in den Wurzeln von noch lebenden Nadelhölzern und wächst nach dem Absterben des Baumes auf dem toten Holz weiter. Der Pilz ändert also im Lauf seines Lebenszykluses seine Ernährunsweise bzw. sein ökologisches Verhalten. Er wird im Lauf seines Lebens vom Parasiten zum Saprophyten (Totholzzersetzer). Typische Erkennungsmerkmale von Climacocystisborealis sind neben seiner weichen und wässrigen Konsistenz und dem bitteren Geschmack die unregelmäßigen, runden bis geschlitzten, manchmal etwas labyrinthischen Poren auf der Hutunterseite.
Als besonders bedeutender Fund im Rahmen des genannten Projektes kann wohl der Nördliche Stachelseitling (Climacodon septentrionalis) bewertet werden. Dieser zur Familie der Meruliaceae unter den Polyporales zählende Pilz steht dem besprochenen Nordischen Porling nahe. Er weist ähnliche mikroskopische Merkmale wie bauchige, kristallschopftragende Zystiden und ähnliche Sporen auf. Seine in vertikalen Reihen treppenartig angeordneten Fruchtkörper können eine Ausdehnung von vier bis sechs Metern erreichen. Er wächst bevorzugt in Naturwäldern auf alten abgestorbenen, noch stehenden Rotbuchen. Auf der Hutunterseite befindet sich die stachelig ausgebildete Fruchtschicht. Die Art ist neu für die Steiermark und wird in den Roten Listen von Österreich (Krisai-Greilhuber 1999) als stark gefährdet (RL 2) eingestuft.
Typische Nadelholzbewohner sind Arten der Gattung Gloeophyllum („Blättlinge"), die allesamt im befallenen Holz Braunfäule hervorrufen. Der seltenste von den vier gezeigten Arten ist der Balken-Blättling (Gloeophyllum trabeum) mit labyrinthischer Porenoberfläche als wichtigstes Erkennungsmerkmal.
Eine seltene Art, die bevorzugt in Naturwaldgebieten vorkommt, ist die Alpen-Tramete (Antrodia alpina). Der weißliche bis zitronenfarbene Pilz wächst auf totem, schon stärker zersetztem Nadelholz der Gattungen Picea (Fichte), Larix (Lärche) und Pinus (Kiefer). Er gilt in der Steiermark als gefährdet! (RL 3).
Zu den in der Steiermark stark gefährdeten Arten zählt der auf der Weißtanne (Abies alba) wachsende Tannen-Stachelbart (Hericium alpestre), der als Indikatorart für ökologisch wertvolle, naturnahe Wälder gilt. Außerdem gehört er zu den essbaren holzbewohnenden Pilzarten, sollte aber wegen seiner Seltenheit auf jeden Fall geschont werden.
Ebenfalls auf Tanne konnte der Tannen-Feuerschwamm (Phellinus hartigii) nachgewiesen werden. Dieser stattliche Porling kommt bei uns fast ausschließlich auf noch lebendem oder abgestorbenem Tannenholz vor.
Größere Schwierigkeiten bei der Bestimmung bereiten die resupinat wachsenden Porlinge, die dem Substrat flach aufliegen und keine Hüte oder Hutkanten ausbilden. Für eine Bestimmung dieser Arten ist eine mikroskopische Untersuchung unerlässlich. Eine im Nationalpark häufige resupinat wachsende Art ist der Grauweiße Resupinatporling (Poria lindbladii). Dieser Porling bildet auf Nadelhölzern weißliche, mehrere Dezimeter groß werdende Überzüge, die sich leicht vom Substrat ablösen lassen.
Zu den auffälligen, wenn auch nicht häufigen Porlingsarten auf Nadelholz zählen die Harzporlinge (Ischnoderma sp.). Ihren Namen verdanken die beiden bei uns vorkommenden Arten der Eigenschaft, dass sie in jungen Entwicklungsstadien eine zähe, harzartige Flüssigkeit absondern. Die häufigere Art ist der Schwarzgebänderte Harzporling (Ischnoderma benzoinum), der Nadelhölzer, nämlich bevorzugt Fichte und Kiefer, besiedelt.
Seltener ist der Laubholz-Harzporling (Ischnoderma resinosum), der im Nationalpark mehrfach auf abgestorbenem Buchenholz festgestellt werden konnte. In jungem frischem Zustand sind beide Arten morphologisch nicht zu unterscheiden. Eine Artbestimmung ist in diesem Stadium nur über das Substrat möglich. Erst ältere, völlig ausgereifte und harte Fruchtkörper weisen auch makroskopisch erkennbare Unterschiede auf. Die Arten unterscheiden sich auch in der Zeit der Bildung von reifen Fruchtörperstadien. Während Ischnoderma benzoinum schon im Sommer (Juli, August) reife Fruchtkörper ausbildet, gelangen die Fruchtkörper von Ischnoderma resinosum erst im Oktober bis November zur völligen Reife.
Auf der feuchten Unterseite eines liegenden Fichtenstammes konnte der Rosarote Wachsporling (Ceriporia excelsa) nachgewiesen werden. Dieser seltene resupinat wachsende Porling bildet sowohl auf Laubholz als auch auf Nadelholz wachsartige Überzüge von auffallend rosaroter bis violetter Farbe.
Eine seltene Art der Gattung Inonotus (Schillerporlinge) ist der Vielgestaltige Schillerporling (Inonotus hastifer). Er wächst wie sein viel häufigerer Verwandter, der Knotige Schillerporling (Inonotus nodulosus), ebenfalls auf Buchenholz, bildet aber im Gegensatz zu jenem keinerlei Knoten oder Hutkanten aus, wächst also völlig resupinat. Wichtigstes Erkennungsmerkmal sind die langen Setae (Makrosetae) in den Dissepimenten (Hyphenschicht zwischen den Poren).
Ein auffälliger Ascomycet (Schlauchpilz) auf Buchenästen ist der Gemeine Buchenkreisling (Neobulgaria pura), dessen 10 bis 30 mm große napfförmige Fruchtkörper liegendes Buchenholz in großer Zahl überziehen.
Von den Arten der Gattung Trametes (Trameten) sei nur die Samtige Tramete (Trametes pubescens) genannt, ein Besiedler von Laubholz, dessen zahlreich erscheinende, weißliche Fruchtkörper sehr rasch von Insekten befallen werden und nach der Reife von diesen zu einem weißen Pulver verarbeitet werden.
Wärmeliebende Arten mit mediterranem bis submediterranem Verbreitungsschwerpunkt sind im inneralpinen Klima des Nationalparks selten zu finden. Eine solche wärmeliebende Art mit süd- bis zentraleuropäischer Verbreitung ist der Weitlöchrige Porling (Polyporus arcularius), der auf einer südexponierten Kahlschlagfläche auf Buchenholz gefunden wurde. In den Laub-Mischwäldern des Nationalparks dominiert die Rotbuche (Fagus sylvatica). Zu dieser gesellt sich in steilen, zumeist südexponierten Hangwäldern gerne der Bergahorn (Acer pseudoplatanus). In Stammwunden von stehenden Bergahornstämmen kann man den Treppenförmigen Steifporling (Oxyporus populinus) finden.
Außer auf Bergahorn wurde diese Art im Untersuchungsgebiet auch auf Buche festgestellt. Die Hutoberfläche dieser kleinen Porlingsart ist dicht mit Moosen überzogen, sodass diese Art leicht übersehen werden kann.
Ebenfalls auf Rotbuche findet man die gelblich gefärbte Spitzwarzige Tramete (Antrodiella hoehnelii), welche eine Weißfäule auf verschiedenen Laubhölzern (Harthölzern) erzeugt.
Ein Naturwald der besonderen Art ist zweifellos der nordöstlich des über 2.000 m hohen Zinödl-Gebirgszuges gelegene Zinödlwald. Er stellt einen der unberührtesten Naturwälder des Gebietes dar. Durch seine hohe Lage zwischen (1.100–1.700 m) und der nördlichen Exposition im Schatten der hohen Berggipfel herrschen in seinem Inneren sehr kalte und feuchte Klimabedingungen. Hier konnte als sicherlich bedeutendster Fund auf einem liegenden Fichtenstamm der Lärchen-Violettporling (Trichaptum laricinum) nachgewiesen werden. Diese Art gilt nach Ryvarden als typisches Florenelement der sibirischen Taiga, wo sie meist auf Rotföhre (Pinus sylvetris) vorkommt. Außerdem ist die Art noch in Skandinavien (Norwegen, Schweden, Finnland) verbreitet. Nach Ryvarden stammt der bisher südlichste Fund aus Polen.
Mag. Bernhard Pock
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