Herbert Brandl
MORGEN
23.10.2020-07.03.2021
Features: Thomas Baumann und Edelgard Gerngross
Open House: 22.10.2020, 15:00 - 21:00 Uhr
Über die Ausstellung
MORGEN – ein Begriff, so vielversprechend und hoffnungsvoll wie vage und ausweichend. Utopisch und dystopisch zugleich. Morgen könnte alles „besser“ sein als heute, doch die Ungewissheit bleibt. Mit diesem Titel ist der zwiespältige Grundton der Ausstellung von Herbert Brandl skizziert, der sich selbst als „Pessimist aus Leidenschaft“ bezeichnet.
Die Schau im Kunsthaus Graz nimmt ihren Ausgangspunkt bei der assoziativ verknüpfenden, prozesshaft angelegten Arbeitsweise des Künstlers, in der Gesehenes, Erlebtes und Imaginiertes aufeinandertreffen. Kindheitserinnerungen und Cartoons dienen genauso als künstlerische Impulse wie eigene Fotografien, Fernsehbilder, Webcams oder tagesaktuelle Bilder aus dem Internet. Als Spuren geraten sie in den Malprozess und werden dabei verdichtet, abstrahiert oder auch ausgelöscht. Die Ausstellung führt erstmalig Brandls wichtigste Werkgruppen – abstrakte und figurative Malerei, Malerei und Skulptur – sowie Arbeiten von Edelgard Gerngross und Thomas Baumann zusammen. Sie werden in Beziehung zueinander, aber auch zum Raum des Kunsthauses gesetzt, wobei biografische, konzeptuelle und materielle Verbindungen herausgestellt werden. Das von Brandl mit dem Gestalter Rainer Stadlbauer entwickelte Display nimmt seinen Ausgangspunkt bei Überlegungen des Künstlers und übersetzt diese ins Räumlich-Architektonische.
Die Ausstellung MORGEN entfaltet sich auf zwei Etagen des Kunsthauses. Die auf den ersten Blick unterschiedlichen Präsentationsformen adressieren die Singularität des einzelnen Werks und setzen dieses gleichwohl in Relation zu den anderen gezeigten Werken und zum architektonischen Raum. Im Space02 schlängelt sich eine mehrteilige gelbe Wand zickzackförmig durch den Raum. Dies erzeugt eine Dynamik in Ansicht und Abfolge der gezeigten Werke. Weil die einzelnen Wände vor- und zurückspringen, "verschwinden" in der und über die Bewegung bestimmte Bilder und es entstehen fortlaufend neue Nachbarschaften und Perspektiven. Im Space01 des Kunsthauses strukturieren mehrere großformatige abstrakte Leinwandbilder, präsentiert auf deckenhohen Metallstützen, den Raum. Auch hier eröffnen sich im Durchschreiten der Ausstellung überraschend weitere Perspektiven, Bilder und Räume. Von einem bestimmten Standpunkt aus kann jedes Leinwandbild für sich wahrgenommen werden. Die Werke bilden aber auch Ensembles beziehungsweise fragmentieren sie sich je nach Bewegung im Raum.
Im Rahmen von MORGEN entsteht ein Künstlerbuch in limitierter Edition und ein Katalog, der im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König erscheint. Beide orientieren sich an Büchern, die Brandl in den letzten Jahren beinahe jährlich für sich selbst und einige wenige Freunde publiziert hatte und die sein gesellschaftliches wie künstlerisches Interesse zeigen. In My Instagram Diary oder My Facebook Year greift der Künstler auf eigene Fotos und Bilder im Netz zurück. Für das Kunsthaus Graz entsteht in Anlehnung daran eine in mehrfacher Hinsicht außergewöhnliche Publikation, die das Entstehen der Ausstellung von Anfang 2019 bis Oktober 2020 nachvollziehbar macht und auf der Bildebene auch Querverbindungen zu seinen Ausstellungen im Belvedere 21 in Wien und im Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien herstellt.

Herbert Brandl (* 1959, lebt in Wien) studierte bei Herbert Tasquil und Peter Weibel an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. In den Jahren von 1985 bis 1991 lehrte er in Wien; von 2004 bis 2019 war er Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf. Seine Arbeiten wurden u. a. auf der Biennale in Paris (1985), der documenta IX in Kassel (1990), in der Neuen Galerie Graz (1984, 2002), in der Kunsthalle Basel (1992), der Albertina in Wien (2011), im Bank Austria Kulturforum, in der Kunsthalle Emden und in der Altana Kulturstiftung in Bad Homburg (alle 2012) sowie im Franz Gertsch Museum in Burgdorf (2017) gezeigt. 2007 vertrat Brandl Österreich auf der Biennale in Venedig. 2020 sind seine Arbeiten im Kunsthaus Graz, im Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien, sowie im Belvedere 21 in Wien zu sehen. Die Einzelausstellungen in den drei österreichischen Institutionen werden von jeweils eigenständigen Katalogen begleitet. Diese Publikationen zeigen das vielschichtige Werk des Künstlers bis hin zu seinen aktuellsten Arbeiten.

Edelgard Gerngross‘ sensible Kunst bewegt sich zwischen Skulptur und räumlicher Installation. Ihre Säule (2020), flüchtig anmutend und gefertigt aus fragilen Materialien, dockt unmittelbar an das Gebäude an. Sie erinnert an einen freundlichen Parasiten, der aus der trichterförmigen Nozzle herauszuwachsen scheint, um eine sanfte Stütze zwischen der wuchtigen gewölbten Decke und dem Boden zu bilden. In die gitterförmige Grundstruktur, umwickelt mit dünnem Silberdraht, sind Garn, Wolle und Textilien eingewoben. Mit Techniken, die „weiblichem Kunsthandwerk“ zugeschrieben werden – knüpften, häkeln, nähen etc. – durchbricht Gerngross die rigide Geometrie der Säule und lässt weiche und sperrige Materialien zueinanderfinden. Sie bilden ein vielschichtiges Hybrid zwischen Architektur, Skulptur und Kunsthandwerk, ohne sich klar in eine dieser Kategorisierungen einzuordnen.
Die einzelnen Elemente wirken wie natürlich gewachsen, fließen ineinander und verspinnen auf symbolischer Ebene Erinnerungen und Imaginiertes. In ihrer Fragilität weckt die Säule Assoziationen von Verletzlichkeit, gleichzeitig wächst sie förmlich über sich hinaus, um stramm und ungebrochen hoch bis zur Decke zu ragen. Eine netzartige Wand (2016) aus Seide und einem Baumwoll-Leinengemisch bildet eine sanfte Barriere zu Herbert Brandls in Bronze gegossener Baumwurzel, die stellenweise bedrohlich in die Umgebung ragt. Wie Kleidung den menschlichen Körper vor äußeren Einflüssen schützt, legt sich die textile Wand behütend zwischen Besucher*in und Bronzeskulptur mit deren stellenweise bedrohlich wirkenden Verästelungen. Das Verbindende der beiden Werke durch psychologische Aufladung einerseits und räumliche Bezüge andererseits, sind hier am Deutlichsten.
Automatisch legt Edelgard Gerngross‘ feinfühliger Umgang mit dem Material subjektive Zusammenhänge nahe. Fast wirken ihre Arbeiten wie Selbstporträts, zur Skulptur gewordene Emotionen, die durch die Hände der Künstlerin greifbar werden. Die intuitive Herangehensweise, mit dem sich Gefühle und Gedanken in den Werken manifestieren, ist deutlich zu spüren. Die Arbeiten entstehen aus einer inneren Bereitschaft heraus und bergen Erfahrungen oder Themen, die in der Künstlerin schlummern, bis sie bereit sind, skulpturale Gestalt anzunehmen. Dabei vermitteln sich die Spezifika des Konstruierens – von der Materialauswahl über das Gestalten bis hin zur Betrachtung durch andere – ebenso intuitiv wie die Werke selbst entstanden sind. Auch die Natur in Form von Fundstücken (Steine, Hölzer, Kristalle, Heu etc.) webt sich ein und wird Teil des menschlichen Seelenzustands, den Edelgard Gerngross skulptural übersetzt.
Weitere Herbert-Brandl-Ausstellungen 2020/2021:
Weitere Perspektiven auf das facettenreiche Werk von Herbert Brandl zeigen
- Herbert Brandl. Exposed to Painting. Die letzten zwanzig Jahre, Belvedere 21, Wien, 31.01. - 26.10.2020
- Herbert Brandl. 24/7, Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien, Graz, 23.10. - 07.03.2021, Eröffnung: 22.10.2020, 15:00 - 21:00 Uhr
Die drei Ausstellungen werden jeweils von einem Katalog begleitet und bilden darin das vielschichtige Werk von Brandl aktualisiert ab.
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Herbert Brandl. MORGEN
Aus dem Programm
Do 22.10.
15:00-21:00
Open House. in der Ausstellung "Herbert Brandl. MORGEN"
Veranstaltung> Kunsthaus Graz
Veranstaltung
> Kunsthaus Graz
Do 22.10.
16:00-19:00
KoOgle: Blühende „Schöpfung". Papierschöpf-Workshop
Veranstaltung, Workshop> Kunsthaus Graz
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> Kunsthaus Graz
Mi 28.10.
13:00-17:00
UNI KUM! 2020. Studierendentag
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Fr 30.10.
14:30-16:00
Kunst trifft Natur. Von 2 Seiten betrachtet: Herbert Brandl. MORGEN. ABGESAGT
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Herbert Brandl features Thomas Baumann
22.10.2020-07.03.2021 > Kunsthaus GrazSchwarz oder weiß, ja oder nein, 0 oder 1? Über einfache Entscheidungen wie diese findet Thomas Baumann einen scheinbar simplen Zugang zu komplexen Zusammenhängen in der Auseinandersetzung mit digitalen Prozessen. mehr...
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