Wer lesen kann, ist im Vorteil. Dieses geläufige Scherzwort könnte unschwer auf die enge Verbindung zwischen Reformation und Bildung angewandt werden. Die Hinwendung zu schriftlicher Überlieferung von Glaubens- und Bildungsinhalten lässt im Zeitalter des Humanismus eine neue Buch- und Gelehrtenkultur entstehen. Sie blüht überall dort auf, wo die lutherische Lehre Fuß fassen kann, die selbst das Kind einer Universitätsstadt ist. Selbstständiger Wissenserwerb und intellektuelle Leistungen stehen nun hoch im Kurs. Gelehrsamkeit ist ein überaus fruchtbarer Boden für Neuerungen, getragen von dem Bedürfnis, Missstände wie Defizite zu beheben. Dieser Startvorteil sichert der Reformation eine zeitweilige Überlegenheit über die geschwächte römische Kirche. Nicht umsonst hat es ein protestantischer Gelehrter, der englische Philosoph Francis Bacon (1561–1626), auf den Punkt gebracht: Wissen ist Macht.
Die Einführung der Reformation ist kein bloßer Umsturz, sondern die Etablierung einer neuen religiösen Ordnung. Dafür braucht es Eliten, die zunächst von außen kommen müssen. So stammt die neue steirische Kirchenordnung von dem aus Schwaben stammenden, im norddeutschen Rostock wirkenden Theologen David Kochhäfe, der seinem Namen nach Humanistenart eine lateinische Fassung gibt: Chyträus.
Von größter Bedeutung ist die Stiftsschule in Graz, eine Hochburg evangelischer Bildung. Mit ihr sind die Namen berühmter Lehrer verbunden: Der aus der Lausitz (heute Freistaat Sachsen/D) zugewanderte Hieronymus Lauterbach hat als „Landschaftsmathematicus“ die nach seinen Berechnungen angefertigte „Säulensonnenuhr“ hinterlassen, die mit ihrer Präzision ein imponierendes Zeugnis der Entwicklungsgeschichte naturwissenschaftlicher Lehrmittel ist. Noch bedeutender ist der Begründer der modernen Astronomie, Johannes Kepler, auch er ein Zuwanderer aus Süddeutschland. Bis zu seiner Ausweisung 1600 unterrichtet er ebenfalls an der Stiftsschule.
Museum für Geschichte
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