7. Oktober 2019 / Katrin Bucher Trantow
„Wo Kunst geschehen kann. Die frühen Jahre des CalArts“
Politisch korrekt ging es mit dem Zug um 6.30 von Graz los. Mit Umstieg in Wien und Nürnberg, Ankunft – pünktlich – um 17.30 in Hannover, waren wir (statt von Flug erschlagen) noch überraschend frisch, als wir aus der Bahnhofshalle in das auf den ersten Blick grau anmutende Hannover traten. Viele Häuser im Krieg zerbombt, einiges dabei zu schnell wiederaufgebaut, wirkt die Gegend um den Bahnhof wie auch in einigen anderen deutschen Städten zunächst wenig einladend. Umso auffallender das Gebäude der einflussreichen Kestner Gesellschaft, die von kulturbegeisterten Bürgerinnen und Bürgern als unabhängiger Kunstverein 1916 gegründet wurde (und bis heute von Privatpersonen und Firmen maßgeblich getragen wird). In diesem ehemaligen Schwimmbad, das im Krieg ebenfalls teilweise zerstört wurde, ist der Kunstverein untergebracht.
Die jetzige Leitung Christina Végh – eine ehemalige Kollegin von mir und Kuratorin aus der Kunsthalle Basel – hat dort zusammen mit Philippe Kaiser aus Los Angeles eine Ausstellung kuratiert, die sich dem California Institute of the Arts widmet. Dieses wurde nicht nur wegen seiner Gründung durch Walt Disney, sondern insbesondere wegen seiner ersten, wegweisenden Jahre und den Prägungen durch seine Lehrenden wie etwa John Baldessari, Judy Chicago oder Alison Knowles als progressive Ausbildungsstätte jenseits strikter Medientrennungen und rigider Lehrpläne berühmt.
Die Ausstellung, die sich erstmals anhand von zentralen Werken, Dokumentationen und Statements den Jahren 1971 bis 1978 widmet, bringt Werke von Schüler/innen und Lehrenden zusammen und zeigt die politische und kreative Stimmung der Zeit deutlich. Die aus heutiger Sicht wichtigsten amerikanischen und später auch internationalen Lehrenden schufen mit den Studierenden einen Ort der Freiheit, an dem Stereotypen von Geschlecht, mediale Grenzen von Werken und vor allem von Erfahrungen ausgelotet und verschoben wurden. Dass dieses Arbeiten bis nach Österreich strahlte und das Wirken zahlreicher progressiver Künstler/innen weltweit verband, bezeugt etwa eine Einladung der Wiener Aktionisten an das California Institute of the Arts in den späten 1970iger Jahren. Werke von John Baldessari, Matt Mullican oder Stephen Prina waren auch in der Neuen Galerie Graz oder im mumok in Wien zu sehen. Ab März 2020 werden wir diese Ausstellung aus Hannover im Kunsthaus Graz zeigen.
Am nächsten Morgen war es für mich – auch in Referenz an die Ausstellung „Peter Kogler with Fernand Léger with…“ eine Freude die Rekonstruktion des 1926 von Alexander Dorner installierten „Kabinett der Abstrakten“ von El Lissitzky in Sprengel Museum zu erleben. Wie Ferdinand Kiesler befasste sich El Lissitzky mit alternativen Formen des Zeigens von Kunst, um die Betrachter/innen aus ihrer Passivität zu holen und sprichwörtlich zu aktivieren.
Begeistert waren wir von einer Ausstellung mit graphischen und literarischen Arbeiten von Kurt Schwitters, die auch wegen ihrer Lichtempfindlichkeit selten gezeigt werden. Seine Merzgedichte haben auch heute nichts von ihrer politischen Schönheit verloren.
Schlagworte: Peter Kogler