3. November 2021 / Jasmin Edegger
Vom Audioguide zum Mediaguide
Ab sofort ist der Architektur-Audioguide im Kunsthaus Graz um eine Ebene erweitert. Um endlich auch gehörlosen Menschen Informationen zur Architektur des Hauses leichter zugänglich zu machen, wurden Videos in Österreichischer Gebärdensprache für den bereits vorhandenen Audioguide gefilmt. Übersetzt und gebärdet wurden die Texte von Sarah Radojičić, der Landesverbandsleiterin des STLVGV (Steirischer Landesverband der Gehörlosenvereine im Österreichischen Gehörlosenbund) und produziert von Kunstvermittlerinnen des Kunsthauses.
Die Videos sind auf der Homepage des Kunsthauses sowie in der Museum Joanneum-App abrufbar. Video und Ton werden dabei immer gemeinsam abgespielt.
Wir haben Sarah Radojičić noch ein paar Fragen zu ihrer Wahrnehmung der Angebote von Museen für Gehörlose gestellt.
JE: Jasmin Edegger (Kunstvermittlerin)
SR: Sarah Radojičić (Landesverbandsleiterin des STLVGV)
JE: Wie ist deine Wahrnehmung der Angebote für gehörlose Menschen in kulturellen Einrichtungen – speziell in Museen? Gibt es viele oder wenige und wie sehen diese aus?
SR: Ich würde sagen, dass gehörlose Menschen im Allgemeinen aufgrund verschiedener Faktoren keine Museen besuchen. Der Hauptgrund ist der fehlende Zugang zu den Inhalten im Museum bzw. der Ausstellung, da diese meist auditiv verfügbar gemacht werden mittels Audioguides und zum anderen daran, dass die (falls) vorhandenen schriftlichen Texte eben nur eine Kurzzusammenfassung der Inhalte sind und u.a. auch Fachbegriffe enthalten. Die Gebärdensprache hat eine eigene Grammatik und Struktur, die sich von der deutschen Sprache unterscheidet – trotzdem ist die Gebärdensprache eine vollständige und gleichwertige Sprache. Dadurch, dass die Gebärdensprache visuell geprägt ist, beschreibt man sprachliche Inhalte im dreidimensionalen Raum anhand von “Bildern”. In der deutschen Sprache werden viele Begrifflichkeiten, Metaphern, Redewendungen, Fremdwörter und Fachbegriffe verwendet, die es in dieser Form nicht in der Gebärdensprache gibt. Daher ist es oft für gehörlose schwieriger einen deutschen Text vollständig zu verstehen. Um die Frage konkret zu beantworten: es fehlt am barrierefreie Zugang zu den Inhalten. Optimal wäre ein Angebot an Videos in der Österreichischen Gebärdensprache mit allen Museums- und Ausstellungsinhalten sowie ein “Leseguide” mit einem nicht gekürzten Text in Einfacher Sprache.
JE: Was würdest du dir von Museen wünschen?
SR: Siehe Punkt 1. Die vorhandenen Angebote sind wie bereits erwähnt, nicht optimal für gehörlose Menschen und daher bieten sie auch keinen Anreiz ein Museum zu besuchen. Am schönsten wäre es wenn Museen öfters Führungen mit Gebärdensprachdolmetschung anbieten würden. Das wäre sicherlich interessanter und auch spannender, da wir da wirklich alle Informationen bekommen können. Die Dolmetscher*innen sind nicht nur Sprachvermittler*innen, sondern auch Kulturvermittler*innen – somit können wir gehörlosen Menschen die Kunst oder Ausstellung besser verstehen.
JE: Vermeintliche “Barrierefreiheit” beschränkt sich häufig auf bauliche Gegebenheiten – also Rampen für Rollstuhlfahrer etc. Wie sieht es deiner Meinung nach mit dem Zugang zu Inhalten aus? Wird da genauso viel getan oder auf manche Menschen häufig vergessen?
SR: Leider ist die Gehörlosigkeit eine unsichtbare Beeinträchtigung, denn man sieht sie ja nicht auf den ersten Blick und daher wissen viele Menschen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Somit fehlt auch oft das Miteinbeziehen der Bedürfnisse von gehörlosen Menschen. Es ist unbedingt notwendig, die Inhalte auch optimal für diese Zielgruppe aufzubereiten. Es gibt leider viel zu wenige Informationsvideos in ÖGS (Österreichische Gebärdensprache).
JE: Was wünscht du dir persönlich, aber vor allem auch als Landesverbandsleiterin des STLVGV?
SR: Ich wünsche mir von Institutionen, dass sie nicht auf uns gehörlose Menschen als Minderheitengruppe vergessen und uns durch ÖGS-Videos und/oder Gebärdensprachdolmetschung die Möglichkeit geben, an Kultur, Geschichte und Kunst teilhaben zu können.
Schlagworte: Barrierefreiheit | Kunsthaus Graz | Kunstvermittlung