2. Juni 2020 / Barbara Steiner
Kunst und Social Media
KB: Ich verfolge schon länger Aktivitäten von Künstlerinnen und Künstlern in den sozialen Medien, die das Medium künstlerisch und auslotend verwenden. Einige tun das wirklich so spannend, dass Millionen von Menschen ihre Feeds abonniert haben. Allen voran etwa Cindy Sherman, die Grande Dame der Selbstinszenierung und Veränderung, oder Ai Weiwei, dessen weltweit gesichteter Twitter-Account vor allem vor einigen Jahren als einer der ersten zwischen kunstaktivistischer Intervention und medialem Kalkül oszillierte.
BS: Manchen Künstlerinnen und Künstlern kommen die gegenwärtigen medialen Möglichkeiten einfach sehr entgegen. Cindy Sherman verwendet Instagram als Tool, das perfekt zu ihren künstlerischen Interessen passt. Sie nutzt Mittel, die heute allen zur Verfügung stehen – wie etwa die App „YouCam Makeup“. Nur setzt sie diese in entgegengesetzter Absicht ein. Sie machen nicht unbedingt attraktiver, ihren Bildern haftet eher etwas von gescheiterten Selbstoptimierungen an. Begeisterung an und Ablehnung ihres Instagram-Accounts halten sich allerdings die Waage. Während die einen finden, „Cindy Shermanʼs Instagram account may be the best art exhibition of 2017“ (Salon), konnte man in der Kunstzeitschrift Monopol lesen, dass ihre Beiträge doch „sehr berechenbar, zu sehr Klischee“ seien. Und weiter: „Wenn nicht Cindy Sherman die Absenderin wäre, 63 und eine der erfolgreichsten und teuersten Künstlerinnen der Welt, würde man beim Durchscrollen laut gähnen, denn hier wird plötzlich gar nichts mehr antizipiert, es wird nicht provoziert, sondern nur noch mitgespielt.“
KB: Sie spielt mit dem Klischee ihrer eigenen Berühmtheit – und das ist in den sozialen Medien absolute Realität. Meiner Ansicht nach macht sie den Faktor ihrer eigenen Berühmtheit ebenso zum Thema wie die fotografischen Mutationen selbst. Mit ihren 309.000 Followern trifft Sherman den Nerv unserer Zeit und offenbart gleichzeitig auch das Potenzial der Niederschwelligkeit des digitalen Bildraumes und der sozialen Medien für die Kunst. Gerade Berühmtheit und Follower sind auf den sozialen Medien – man denke an die warme Luft von Donald Trump – ein wesentlicher Erfolgsfaktor von Sichtbarkeit. Je mehr Erfolg, desto mehr Erfolg. Je mehr Bilder auf Bilder folgen, desto mehr Aktualität.
Laut Marketingagentur müssten wir mindestens zweimal pro Woche posten, sonst lassen uns die Algorithmen gar nicht mehr an die Front … Gerade in dieser Hinsicht interessieren mich auch Kritiker wie Jerry Saltz oder Hans Ulrich Obrist, die ihre Künstler/innen-Interviews seit Jahren gekonnt an aktuelle Zeitphänomene wie internationale Auszeichnungen der Interviewten, Modeströmungen und Ausstellungseröffnungen koppeln und dabei eine Gratwanderung gehen zwischen Relevanz und Rummel.
BS: Jerry Saltz war auch einer der ersten namhaften Kunstkritiker, der Instagram auch als künstlerische Plattform ernstgenommen hat. Und er nutzt Facebook aktiver als viele andere Kunstkritiker, beinahe täglich. Seine Posts sind spielerisch, fast leichthändig, aber nie banal, selbst wenn er mit Banalitäten kokettiert. Ich schätze vor allem, dass er im besten Sinn unterhaltsam schreibt. Er nutzt Social Media als populärkulturelles Medium und als Raum, in dem Zigtausende zusammenkommen. Wie er dem New York Observer sagte, ist es für ihn „aufregend, mit 5.000 Menschen in diesem Raum zu sein.“
KB: Für mich zeigt sich, dass das Netz selbst ein Raum ist, in dem mehr und mehr künstlerische Aktivitäten und kritische Kommentare stattfinden. Es ist auch für uns Kuratorinnen und Kuratoren ein zusätzlicher, ausgesprochen spannender Kommunikations-, Produktions-, aber auch Reflexionsraum.
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