16. Januar 2018 / Katrin Bucher Trantow
Die “Initiative Kunstverleih” im Gespräch
Katrin Bucher Trantow (KBT): Die Initiative Kunstverleih bringt Kunstinteressierte sowie Künstlerinnen und Künstler zusammen und ermöglicht es Menschen, Kunst für einen Zeitraum auszuleihen. So wie eine Artothek bringt ihr die Kunst zu dem, der Kunst bei sich zu Hause haben will. Dabei schafft ihr eine Miniausstellung, also eine Plattform für die Öffentlichkeit aus dem Künstlernetzwerk heraus. Wie wichtig sind eurer Meinung nach Netzwerke zwischen Künstlerinnen und Künstlern?
Andreas Heller (AH): Ich finde das sehr wichtig und würde mir wünschen, dass es mehr Künstlerinnen und Künstler gibt, die über ihre eigene Arbeit hinaus sehen und durch Zusammenarbeiten die Möglichkeit wahrnehmen, ein kunstbezogenes Gesamtklima zu schaffen.
Zweintopf (ZT): Für uns bedeutet es ein Stück weit eine Art Selbstermächtigung. Die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, spielt einen frei von den Bedingungen der Institutionen, seien es nun kommerzielle Galerien oder Ausstellungshäuser. Es ist schon so, dass man sich als Künstler, der „nur“ ausstellt, bei aller Freiheit in der eigenen Arbeit, in verschiedenste Formen von Abhängigkeiten begibt. Man muss ja auch darauf hoffen, irgendwann von den wichtigen Leuten wahrgenommen zu werden, eingeladen zu werden. Dabei ist das Fortkommen oft von Zufälligkeiten bestimmt. Über Netzwerke und Eigeninitiativen hat man die Möglichkeit, selbst Schwerpunkte zu setzen und aufzuzeigen, was in einer Stadt oder einer Gesellschaft fehlt, was wichtig und interessant ist. Gleichzeitig finden wir den persönlichen Austausch mit anderen Künstlern vor Ort sehr wichtig – man braucht eine Basis – besonders im Sinne einer gegenseitigen Wertschätzung.
KBT: Ein zentrales Instrument der Zusammenführung von Künstlerinnen, Künstlern und Interessierten ist das lockere und – durch Alkohol auch noch lustigere – Speed-Dating, das in gewissem Sinne ein außergewöhnliches Forum schafft, das im Normalfall nur eingefleischte Sammler, Kuratorinnen und Kuratorinnen bzw. vielleicht Kunstjournalisten kennen: den direkten Dialog über das Werk. Aus Erfahrung weiß ich, dass in diesem Dialog noch einmal viel passiert, dass das Verständnis für das Werk meist gewinnt – ab und zu aber auch verliert. Ist eigentlich allen Künstlerinnen und Künstlern das Gespräch und das Ausgesetzt-Sein – in gewissem Sinne ist das ja ganz schön performativ – recht?
Oder was ist die Motivation der anderen, teilzunehmen? Was überwiegt?
AH: Ich denke, die Motivation für andere Künstlerinnen und Künstler, daran teilzunehmen, liegt in der Gesamtheit des Projekts. Man hat Austausch mit anderen Künstlerinnen und Künstlern, es schafft die Möglichkeit, dass ein Werk jemandem Freude macht, es vielleicht – wie schon oft passiert – gekauft wird, man lernt neue Leute kennen. Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass verschiedene Situationen des Ausstellens oder Zeigens praktiziert werden, das gehört zur Vermittlung von Kunst und zum normalen Leben und dem Umgang mit Kunst. Ich hätte das Speed-Dating in dieser Form nicht als performativ gesehen, sondern eher als lockeren Gesprächsrahmen. Wer sich dabei unwohl fühlt und wem selbst der Schnaps nicht hilft, der wird nicht zum Dialog gezwungen. Aber es besteht kein Zweifel daran, dass die Chemie zwischen Leihnehmerin oder Leihnehmer, Werk und Künstlerin bzw. Künstler passen muss. Deshalb muss die Atmosphäre auch locker und nett sein.
ZT: Diese Bedingungen rund um unsere Veranstaltungen sind jedem im Vorhinein bekannt, die Teilnahme ist freiwillig, es wird niemand zwangsverpflichtet. Wir sind ja auch nicht ohne Grund auf diese Art der spielerischen Formate gekommen. Die Idee mit dem Speed-Dating ist der Beobachtung geschuldet, dass sehr oft bei Eröffnungen über alles, nur nicht über Kunst gesprochen wird. Und das ist für die Künstlerinnen und Künstler dann unbefriedigend. Wir haben daher nach einer Form des Austauschs gesucht, die die Kunst und die Künstler/innen ins Zentrum stellt.
Und wir wollten dieser lästigen Gruppenbildung vorbeugen: Es stehen ja immer nur die zusammen und tauschen sich aus, die sich eh schon kennen, die Künstler sind oft unter sich. Das Publikum ebenfalls. Beim Speed-Dating wird für eine bewusste Durchmischung gesorgt. Für neue Bekanntschaften und Erkenntnisse. Und das Feedback beider Seiten bestätigt: Es wird endlich über die Werke gesprochen. Das finden alle gut. Das ist eine Motivation, dabei zu sein.
KBT: Welche Rolle spielt der Faktor, dass ihr sowohl Kuratorinnen und Kuratoren als auch Künstlerinnen und Künstler sowie Institutionen repräsentiert (habt)?
AH: Wenn man für das Forum Stadtpark tätig ist – so wie ich lange für die bildende Kunst im Forum verantwortlich war –, dann macht man das als Künstler. Das Forum ist ein Haus, in dem immer Künstlerinnen und Künstler tätig waren, die mehr wollten, als nur ihre eigene Arbeit zu vermarkten oder präsentieren. Ich wollte hauptsächlich für die Kunstszene in Graz etwas tun. Insofern ist der Kunstverleih ein Baustein dieser Tätigkeit. Ich habe mich nie als Kurator gesehen und auch nie drüber nachgedacht, eine Institution zu repräsentieren – denkt man an das Forum Stadtpark, ist man ja immer nur ein Teil eines größeren Ganzen.
ZT: Kunst war für uns immer schon in ihrer Gesamtheit interessant. Es geht nicht darum, nur seine Werke zu produzieren. Es geht auch um die anderen Akteure, um interessante Strömungen. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder Interventions- und Ausstellungsprojekte organisiert, weil wir diese Art der Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum sehr spannend finden und mit einem Publikum teilen wollten. Das Forum Stadtpark bietet uns nun die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen sowohl kuratorisch auch gezielt kulturpolitisch tätig zu sein, indem man Räume offenhält, Leute unterstützt oder Dinge zulässt.
KBT: Was mich vom Projekt überzeugt hat, war einerseits die erwähnte Stimmung und die Ernsthaftigkeit, mit der über Kunst im persönlichen Gespräch geredet wurde. Andererseits war es dann aber auch insbesondere die hohe Qualität der Arbeiten, die ihr hier versammelt. Was mich interessieren würde: Was hat euch am meisten erstaunt bzw. erfreut an diesem Projekt?
ZT: Uns hat erstaunt, was man mit begrenzten Mitteln, aber viel persönlichem Einsatz erreichen kann. Denn obwohl es physische Kunstwerke sind, die ihren Aufenthaltsort wechseln, ist es zuallererst ein Kommunikations- und Vernetzungsprojekt. Das zeigt sich besonders in den intensiven Phasen vor dem Wechsel, wo man mit allen Beteiligten in Kontakt ist. Gleichzeitig ist es schön zu sehen, was für eine Dynamik entsteht, wenn man Dinge über einen längeren Zeitraum kontinuierlich macht. Es gibt unterschiedliche Häuser, die uns aufgenommen haben, es gibt immer neue Leute, die begeistert andocken und leihen. Und die Künstlerinnen und Künstler haben auch immer noch Freude daran …
KBT: Ich freue mich auch: Auf das Speed-Dating am Samstag, dem 27.1., ebenso wie auf die Installation im Raum, den wir wieder einmal ganz anders, ganz einfach und trotzdem ganz innovativ nutzen und inszenieren werden – auf den Möbeln von Haegue Yangs Projekt und parasitär an den Glaswänden des frei zugänglichen Erdgeschossraumes Space04.
Hier erfahren Sie mehr über die Ausstellung
Hier geht es zum Speed-Dating
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