Die kulissenhafte “neue” Altstadt Warschaus, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut wurde.

6. Juni 2017 / Elisabeth Schlögl

Blog 5 aus Łódź … aber eigentlich über fünf Tage und vier Nächte in Warschau

Kunsthaus Graz

Die Hauptstadt ist hoch, weit, laut und es war für kurze Zeit Sonnenbrille-Jumpsuit-Flip-Flop-und-Schleckeis-Wetter.

Kaum in Warschau angekommen, fand ich mich in einem Wiener Kaffeehaus wieder…– Martin Meisel, Direktor des österreichischen Kulturforums, holte das “Café Korb” nach Wien, ließ Melange, Einspänner, frischen Apfelstrudel und Sachertorte von einem eigens aus Wien bestellten Ober (der übrigens viel zu freundlich war, um ein echter Wiener Ober zu sein) servieren und nahm sich ein paar Stunden für mich und meine Neugierde Zeit.

Gut gelaunt erzählt er mir von seiner Arbeit, in dessen Zentrum der Dialog zwischen österreichischer und polnischer Kultur steht. Sein Programm spielt alle Genreregister: Konzerte aller Musikrichtungen, Lesungen, Ausstellungen bildender Kunst, Performances, Tanz … Die Türen stehen weit offen und Martin hat große inhaltliche Freiheit, ist froh darüber, “keine politische Agenda” zu haben: “Noch nie gab es einen Einspruch von österreichischer oder polnischer Seite gegen mein Programm” – das hat doch großes Potenzial, wenn man bedenkt, dass seit dem Rechtsruck der polnischen Regierung alle öffentlichkeitswirksamen Medienhäuser strenger Überwachung unterworfen sind. Die größte Motivation für seine Arbeit sind Erfolge, “wenn ein Projekt Früchte bringt und beispielsweise neue Kooperationen zwischen Polen und Österreich entstehen. Wenn die Menschen, die ich zusammengebracht habe, weiterhin zusammenarbeiten oder wenn ich mit meiner Arbeit etwas dazu beitragen kann, die Reputation Österreichs im Ausland zu steigern.

Martin schätzt seine Programmfreiheit sehr, liebt es zu experimentieren, von Projekt zu Projekt dazuzulernen, und er lebt nach dem Motto:

Jedes Projekt endet mit einem Herzinfarkt, wenn man es zu ernst nimmt.”

Auf meine Frage, wo denn Österreich aufhöre und Polen anfange, meinte er: “Es gibt für mich keine globale Kunst. Kunst hat immer einen Kontext. Ich verstehe aber Österreich nicht als nationalen, sondern als staatlichen Begriff. Wenn ich Kuratoren oder Künstler einlade, handle ich nach dem ‘Lebt und arbeitet in’-Konzept. Das heißt, wenn beispielsweise ein italienischer Staatsbürger zum Zeitpunkt der Einladung ins österreichische Kulturform in Österreich lebt und arbeitet, ist er herzlich willkommen.”

Das Schloss – Ujazdowski Castle

Eine ehemalige Gastkuratorin im österreichischen Kulturforum war auch Anna Czaban. Sie kuratierte damals eine queere Ausstellung mit Arbeiten von Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl. Anna ist eine inspirierende Querdenkerin. Sie arbeitet im Ujazdowski Castle, einem ehemaligen königlichen Jagdschloss, gelegen an der “Königsstraße” südlich des heutigen Stadtzentrums.

Heute ist das Ujazdowski Castle ein Zentrum für zeitgenössische Kunst, wo übrigens ab September unsere Taumel-Ausstellung zu sehen sein wird.

Die Nachbarschaft ist schick, das Schloss befindet sich inmitten einer Parklandschaft, die spanische, deutsche und französische Botschaft ist ebenso in Sichtweite wie eine nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaute finnische Holzhaussiedlung, in der sieben Familien leben, ein Jugendsportzentrum und eine psychiatrische Klinik. Anna initiiert seit zwei Jahren, in denen sie für die Abteilung Social Programming am Ujazdowsky Castle arbeitet, einmal im Monat ein Nachbarschaftstreffen. Der Staat Polen hat den Drang, Konzepte für Stadtgebiete zu erstellen – leider des Öfteren ohne die “Natur des Stadtgebiets” zu berücksichtigen.

Das Gebiet rund ums Ujazdowski Castle hat noch kein derartiges Konzept verschrieben bekommen, und um dem entgegenzukommen, lernt Anna die Nachbarn kennen, damit eine “natürliche” Gemeinschaft entstehen kann. Den Treffen ging von Anfang an kein konkreter Anlass voraus, es gab kein definiertes Ziel einer Zusammenarbeit. Im Vordergrund standen Menschen und das gegenseitige Kennenlernen. Seit sich die Nachbarschaft kennt, werden Tische, Stühle, Werkzeug, Technik und Kontakte ausgetauscht, entstehen Kooperationsprojekte und gegenseitiges Vertrauen. Anna schätzt diese side effects ihrer Arbeit am meisten, geht offen auf andere zu und gehört definitiv zu den Menschen, die auf Worte Taten folgen lassen.

Sie machte mir Mut für meine Arbeit – danke dafür, Anna!

Kategorie: Kunsthaus Graz
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