Kulturstadtrat Günter Riegler und Bill Fontana am Rosenhain, Bild: Katrin Bucher Trantow

22. August 2017 / Katrin Bucher Trantow

Alles fließt – Zweiter Teil

Kunsthaus Graz

Was vor über zwei Jahren als ein Dialog über versteckte Energien zwischen dem Klangkünstler Bill Fontana und dem Kunsthaus Graz begann, entwickelte sich Ende Mai dieses Jahres mithilfe von Klaus Zausinger, Spartenbereichsleiter KundInnenmanagement & Vertrieb der Holding Graz, zu einer audiovisuellen Untersuchung der Wasserflüsse durch und in Graz.

Im Zentrum stand das Interesse Fontanas an sicht- und unsichtbaren Wasserwegen, an ihren vom Menschen gebauten Systemen, die der Leitung, der Säuberung, aber auch der Bändigung des mächtigen und lebenswichtigen Elementes Trinkwasser dienen. Bill Fontana, der bereits seit 2014 die Klänge aus den seit 2000 Jahren aktiven Aquädukten von Rom für das von Zaha Hadid gestaltete Kunstmuseum MAXXI hörbar macht, beschäftigt sich in vielen seiner Arbeiten mit den audiovisuellen Strukturen des Wassers. Er bringt Klänge und Bilder von ikonischen, das heißt vom Menschen gebauten Werken zusammen. Daraus schafft er eigenständige Sound- und Bildcollagen einer „kultivierten“ Natur und offenbart strukturelle Verwandtschaften zwischen den traditionell getrennten Begriffswelten.

Der Lauf des Wassers

Mit unseren Fragen nach dem Lauf des Wassers, nach seinen Nutzungen und Kanalisierungen stoßen wir bei Klaus Zausinger, der neben seiner Tätigkeit für die Holding Graz auch Kuratoriumsmitglied des Kunsthauses ist, auf offene Ohren. Nach einem regen Gespräch über die Geschichte der Wassernutzung und Wassergewinnung in Österreich, die gerade jetzt mit den Diskussionen um den umstrittenen Neubau des Wasserkraftwerkes in Gössendorf ins Zentrum des Interesses rücken, beschließen wir – quasi in Reflexion auf dieses aktuelle Thema –, unseren Fokus auf die Herkunft des städtischen Wassers zu legen. In Referenz zu Fontanas Sonic Mappings der Aquädukte in Rom planen wir, den Wegen des Trinkwassers in Graz nachzugehen. Mit Zausingers Unterstützung wird daraus Ende Mai eine Bild- und Tonaufnahmereise entlang der Mur in Richtung Hochschwab: von den verschiedenen Speichern in der Stadt über die Grundwasseranreicherung in Andritz bis hinauf zum Wasseraustritt aus dem Berg, dem Hochbehälter in Tragöß-St. Katharein.

Der Grazer Wasserkreislauf

Es ist bereits ein heißer Morgen, als Bill Fontana, Clemens Mair und ich uns zusammen mit der Stadtführerin und lokalen Trinkwasserexpertin Claudia Nickl, mit Caroline Pengg, Franz Gundacker und Peter Hirschmann (er lenkte den Bus) vom Kompetenzzentrum Wasserwirtschaft der Holding Graz am 22. und 23. Mai aufmachen, um dem Wasserlauf aus der Stadt rückwärts zu folgen.

In Andritz, wo schon seit den 1870er-Jahren die Grundwasserwerke für Graz entstanden sind, verläuft auch heute noch der wichtigste Trinkwasser-Knotenpunkt für die Stadt, und dementsprechend befindet sich der Hauptsitz der Grazer Wasserwirtschaft in der Wasserwerkgasse 11. Mehr zur Geschichte

Im dortigen Wasserschutzgebiet wird mittels ergiebiger Brunnen das kostbare Nass ins städtische Trinkwassernetz gepumpt. Da dem Untergrund nicht unbegrenzt Wasser entnommen werden kann, betreibt die Holding Graz eine Grundwasseranreicherung. Dabei wird dem Grundwasser durch Versickerung (Kies-, Sand- und Grasbecken) vorgereinigtes Wasser aus dem Andritzbach zugeführt. Dieses Verfahren macht es möglich, mehr Wasser zu fördern, ohne das Gleichgewicht zwischen Erneuerung und Entnahme zu stören.

 

Der Eindruck, den die Anlage mit dem inzwischen angrenzenden, 73 ha großen Naturschutzgebiet  auf mich hinterließ, ist bleibend:

Ich bin überrascht vom betörenden Bild der mit der Technik harmonierenden Natur, still, kraftvoll und so nahe an der Stadt: Wiesen, die eine Vielzahl an Wildblumen in voller Blüte beherbergen, bilden neben den Speicherkammern und stetig fließenden Überlaufbecken assoziative Brücken zu kontemplativen Landschaftsgärten und sakralen Tempelgebäuden vergangener Jahrhunderte;

aber auch zu den mit der Industrie und der Technik verschwisterten Landschaftsdefinitionen, wie sie Robert Smithson schon 1967 in seinem wegweisenden Artikel Monuments for Passaic beschrieb. (Wiederabdruck in: Landschaft, Konstruktion einer Realität, hg. von Katrin Bucher Trantow, Katia Huemer, Peter Pakesch, Kat. Kunsthaus Graz 2015, S. 308 ff.)

….

Nach unserem Besuch in Andritz begeben wir uns zu einem Trinkwasserhochbehälter am Rosenhain. Wir treffen dort den am Projekt interessierten Grazer Kulturstadtrat Günter Riegler auf ein intensives Gespräch und besichtigen danach den Erweiterungsbau des Hochbehälters Rosenberg, der vom Büro Kampfhammer-Wegan-Kossdorf 1987 geplant und von Wolfgang Kampfhammer zwischen 1994 und 1998 gebaut wurde. (Vgl. Christian M. Peer und Helmut Nickl, , Wasser für Graz 1940|2010, Graz 2011, S. 138)

Durch ein wenig auffälliges Portal treten wir ein in den Berg, wo in der science-fiction-artigen Bunkerarchitektur, die geradezu magisch an James-Bond-Filme denken lässt, eine ganz eigene Klangkulisse herrscht.

 

Mur-Kraftwerke

Längst schon gibt es an der Mur eine Vielzahl verschiedener Kraftwerke. Über 28 Wasserwerke nutzen die Mur zur Energiegewinnung, viele davon speisen seit Jahrzehnten kleinere und größere Gemeinden. Aber auch bei der Trinkwasserleitung werden kleine energiegewinnende Wasserwerke genutzt, etwa zur Überwindung von Höhendifferenzen oder zur Speisung städtischer Zuleitungen.

In Friesach etwa wird das vom Hochschwab kommende Trinkwasser – rund ein Drittel des täglichen Wasserbedarfs der steirischen Hauptstadt – ins städtische Wasserleitungssystem übernommen. Der Höhenunterschied von 160 m zwischen Bruck an der Mur und Friesach ermöglicht die Erzeugung von elektrischer Energie.

 

St. Katharein

Gegen Nachmittag erreichen wir St. Katharein, dann dringen wir mit Fontanas hochfrequenten Aufnahmegeräten tief in den natürlichen Speicher des Berges am Hochschwab ein:

Die Kälte, das blaue Wasser, das in herrlichster Klarheit und mit klingenden Sauerstoffbläschen gesättigt 5-jährig aus dem Berg quillt, verschlägt uns am Ende des langen Tages fast den Atem.

Fontana hat viele Aufnahmen gemacht – akustisch und visuell. Einiges davon wird er verwenden und zu einer großen eigenständigen Arbeit über die audiovisuellen Strukturen der vom Mensch genutzten Wassergewinnung formen. Ich bin gespannt, wie das mächtige Element darin sein Echo erhält.

 

Lesen Sie auch den ersten Teil von Katrin Bucher Trantow:

Alles fließt – Besuch von Bill Fontana

 

 

Kategorie: Kunsthaus Graz
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