Sue Williams

28.05.-21.06.1998


Eröffnung: 28.05.1998, 19 Uhr

Ort: Künstlerhaus, Graz

In Zusammenarbeit mit dem Centre d'Art Contemporain, Genf


Die Neue Galerie hat es sich zu ihrer programmatischen Aufgabe gemacht, ungewöhnliche und radikale Künstlerinnen der Öffentlichkeit vorzustellen und bzw. oder sie durch die Möglichkeit einer musealen Ausstellung in ihrer Arbeit zu unterstützen. So haben beispielsweise Sylvie Fleury und Pipilotti Rist in der Neuen Galerie ihre ersten Museumsausstellungen und ihre ersten monografischen Kataloge erhalten, bevor sie international erfolgreich wurden. Aus diesem Grunde bereitet die Neue Galerie auch die erste museale Retrospektive mit Sue Williams und das erste umfassende Buch über ihre Arbeit vor.
Über das konventionelle Medium der Malerei und gelegentlich auch der Skulptur hat die Künstlerin Sue Williams, 1954 in Chicago Heights geboren und nach einem Studium am California Institute of the Arts und an der Cooper Union University in N.Y. gegenwärtig Gastprofessorin an der Akademie der bildenden Künste in Wien, sowohl thematisch wie stilistisch tabubeladene Übereinkünfte der Gesellschaft in einer Art individuellem Krieg wagemutig aufgekündigt. Bildtitel wie "Testicle Flange on the Green" (Hodenklammer auf dem Rasen) verweisen auf die sexuellen Inhalte ihrer Malerei, wie sie diese selbst nicht so explizit erkennbar machen. Die primären und sekundären menschlichen Geschlechtsmerkmale, die sich auf ihren Gemälden ausbreiten, bilden nämlich ein alles überziehendes Muster, das letztlich nur aus bewegten Linien besteht.

 

 

SUE WILLIAMS IN GRAZ

 

Das ist, was wir zuerst sehen: Linien aus Ölfarbe auf einem relativ ruhigen Grund. Erst bei näherer Betrachtung geben sich diese Linien als menschliche Extremitäten und Körperteile preis. Die historischen Abkommen, die zwischen abstrakten und figurativen Malern beschlossen wurden, werden von Williams kritisch überprüft. War ihre Malerei anfänglich noch stark erzählerisch geprägt, sodaß neben Szenen des häuslichen Horrors und des Geschlechterkriegs witzige Kommentare zu lesen waren, hat sie im Laufe der Zeit mit zunehmender künstlerischer Komplexität die Linien der Texte und der Körperformen abstrahiert und zu einem neuen universalem Bildmuster verwebt. Haben wir uns daran gewöhnt, feministische Anliegen in der Fotografie formuliert zu finden, ist es nun überraschend, diese mit den Mitteln der Malerei vorgetragen zu sehen. Sie schreckt dabei nicht vor der Preisgabe persönlicher Erfahrungen mit den Abgründen der Psyche zurück.
Aber ebenso, wie sie den Konsens der ästhetischen Mittel verletzt, übernimmt sie auch nicht die politische Korrektheit der feministischen Kritik. Sie verweigert sowohl historische geschlechtsspezifische wie künstlerische Codes. Ihre künstlerischen Attacken auf den latenten Frauenhaß der Gesellschaft zeigen nicht nur fremde und eigene Wunden, sondern werden auch in einem cartoonhaften tagebuchartigen Stil vorgetragen, der Zorn mit Witz, Leid mit Galgenhumor mischt. Die Art und Weise, wie der Pinsel den Übergang von der gestischen Mobilität der Hand zur Konfiguration von Körperlinien schafft, wird in der Art und Weise wiederholt, mit der die Künstlerin den Übergang von der Aggression zum Witz, vom abgeschnittenen Penis zur spritzenden Fontäne, schafft. Ihre fast kalligrafisch anmutende Verteilung von weiblichen und männlichen Genitalien über die Bildfläche, gelegentlich mit monochromen Farbflecken strukturiert, erzeugt eine Malerei, die als Tapete fungiert, auf der die grausame Geschichte des Krieges gegen die Frau aufgezeichnet ist.
Ihre Inversion der weiblichen Ikonografie leistet allerdings einen neuen Beitrag zur Geschichte und Theorie der Malerei. Das Gewirr von Linien, Farbspritzern, Flecken und Öffnungen, das als geflochtenes Gewebe aus unbewußtem Material, als der Automatismus einer sexuellen Energie erscheint, der sich mit der Flüssigkeit der Farbe vereint, ist mehr als die Versöhnung der kontrollierten Produktion eines Erwachsenen mit der infantilen Faszination chaotischen Wucherns. Dieses Gewirr liefert neuartige Körperbilder, neuartige Bildstrategien, wie der Körper als libidonale Energie und nicht als anatomische Struktur empfunden werden könnte. Die kinetische Energie, die ihren Linearismus speist, desublimiert einerseits die heroische Abstraktion der amerikanischen Malerei und heroisiert gleichzeitig die bisher verachtete feminine Mobilität. Die Malerei von Sue Williams vereinigt auf überraschende Weise im konservativen Medium der Malerei die zwei neuen Paradigmen Visibilität und Mobilität, die normalerweise nur in den technischen Bildmedien triumphieren, unter dem Gesichtspunkt einer aggressiven und witzigen feministischen Kritik unserer Gesellschaft. Die Vermutung liegt nahe, daß nur diese feministische Perspektive solch einen malerischen Triumph ermöglichte. (Peter Weibel)

 

Zur Ausstellung wird ein Katalog mit Texten von Elisabeth Janus, Dan Cameron, Peter Weibel und einem Interview mit Sue Williams erscheinen. (ca. 200 Seiten, Abbildungen in Farbe)

Ausstellungen und Projekte

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1998
Neue Galerie, Graz
Galerie Jean Bernier, Athens

 

1997
Centre d´Art Contemporain, Geneva
Galleria Il Capricorno, Venice
Johnen & Schöttle, Cologne

 

1996
303 Gallery, New York
Galerie Ghislaine Hussenot, Paris
Galerie Jean Bernier, Athens
Regen Projects, Los Angeles
Modulo Gallery, Lisbon

 

1995
Jack Hanley Gallery, San Francisco
Galerie Metropol, Vienna

 

1994
303 Gallery, New York
Galleria Il Capricorno, Venice
Modulo Gallery, Lisbon
Galerie Walcheturm, Zürich
"In The Best of All Possible Worlds", project for Voltaire Issue Furor, Geneva

 

1993
Vera Vitagioia, Naples
San Francisco Art Institute, San Francisco
"They Eat Shit", artist´s book, San Francisco Art Institute

 

1992
303 Gallery, New York
Regen Projects, Los Angeles
Gallery 210, University of Missouri, St. Louis

 

1989
Loughelton Gallery, New York
Project for Bomb Magazine

 

1986
Performance: "Damaged Goods", The New Museum, New York

SELECTED GROUP EXHIBITIONS

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1997
Biennial Exhibition, Whitney Museum of American Art, New York
"Multiple Identity: Works from the Whitney Museum of American Art", Museu d´Art Contemporani, Barcelona
"Birth of the Cool", Deichtorhallen, Hamburg & Kunsthaus, Zürich

 

1996
"Ideal Standard Life", Spiral Wacoal Art Center, Tokyo
"Screen", Friedrich Petzel Gallery, New York (curated by J. Decter)

 

1995
Biennial Exhibition, Whitney Museum of American Art, New York
"Twenty-five Americans: Painting in the ´90s", Milwaukee Art Museum, Milwaukee, Wisconsin
"Imperfect", University of Massachusetts, Amherst
"femininmasculin: le sexe de l´art", Centre Georges Pompidou, Paris

 

1994 "Miriam Cahn, Marlene Dumas, Kiki Smith, Sue Williams", Centre d´Art Contemporain, Geneva (curated by Elizabeth Janus)
"Uncertain Identity", Galeria Analix, Geneva
"Cocido y Crudo", Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Madrid (curated by Dan Cameron)
"Sue Williams, Lorna Simpson, Tony Oursler, John Currin, Kathe Burkhart", Galleria Gabbiani, Genova
"Sue Williams/Wendy Jacobs", Galerie Walcheturm, Zürich

 

1993 Biennial Exhibition, Whitney Museum of American Art, New York
"Aperto" La Biennale di Venezia
"Bad Girls", Institute of Contemporary Art, London
"The Art of Language", Kunsthalle Vienna & Frankfurter Kunstverein
"The Subject of Rape", Whitney Museum of American Art, New York
"Playing House", Nathalie Karg Gallery, New York
"Die Arena Des Private", Kunstverein München, Munich
"Privacy", Documentario, Milan

 

1992
"Spielhölle", Akademie der Kunst und Wissenschaften, Frankfurt
"Fear of Painting", Arthur Roger Gallery, New York
"Darkness Visible", Drawing Center, New York

 

1991
"New Generations: New York", Carnegie Mellon Art Gallery, Pittsburgh
"The Abortion Project", Simon Watson Gallery, New York & Real Art Ways, Hartford, Connecticut

 

1990
"Karen Kilimnik, Gavin Brown, Sue Williams", 303 Gallery, New York
"Re-framing Cartoons", Loughelton Gallery, New York
"Brut 90", White Coumns, New York
"Racing Thoughts", Thomas Solomon´s Garage, Los Angeles

 

1989
"Hard Life", White Columns, New York

 

1987
"Lust", M-13 Gallery, New York
"The Double Bind", Loughelton Gallery, New York

 

1983
"Vincent Gallo, Sue Williams", Patrick Fox Gallery, New York (curated by Edit Deak)

 

1980
"Americans", Grand Palais, Paris
"Interiors", Barbara Gladstone, New York

SELECTED BIBLIOGRAPHY

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1997
Camhi, Leslie, "Domestic Horrors", Parkett no. 50 (December)
Chauvy, Laurence, Journal de Genève (October)
Curiger, Bice, "Birth of the Cool", exh. cat. Deichtorhallen Hamburg & Kunsthaus Zürich
Dannatt, Adrian, "Sweet Williams", Parkett no. 50 (December)
Goodman, Jonathan, "Sue Williams at 303", Art in America (May)
Nesbit, Molly, "Touched", Parkett no. 50 (December)
Saltz, Jerry, Time Out New York (January)
Schjeldahl, Peter, "Shock of the Good", The Village Voice (January)
Schwendener, Martha, Flash Art (March-April)
Smith, Roberta, The New York Times (January)
Stevens, Marc, "The Ends of Art", New York Magazine (March)

 

1996
Cooper, Jacqueline, The New Art Examiner (May)
Gonzales-Day, Ken, Art Issues (May)
Hofleitner, Johanna, "Auf den Leib geschrieben (Written on the Body)", Flash Art (March-April)
McKenna, Kristine, "After Darkness, Sue Williams Discovers Softer Hues of Life", The Los Angeles Times, March 30

 

1995
Monika Faber & Brigitte Huck "Von der Geburt des Körpers aus dem Geist der Sprache", exh. cat. Auf den Leib geschrieben, Kunsthalle Vienna
Hapgood, Susan, Art in America (January)
Kertess, Klaus, "Postcards from Babel", exh. cat. Biennial, Whitney Museum of American Art, New York
Romano, Gianni, "Oltre la Normalità Concetrica", exh. cat. Commune di Padova, Italy
Schwabsky, Barry, Artforum (January)

 

1994
Bonami, Francesco, Flash Art (Summer), p.65
Cameron, Dan, "The Cooked and the Raw", exh. cat. Cocido y Crudo, Museo Nacional de Arte Reina Sofia
Janus, Elizabeth, ed. Voltaire Issue, Furor (Summer)
Levin, Kim "Choices", The Village Voice (Nov. 9-15)
Namuth, Hans, "Beyond Victimology", The New Yorker (November 14)
Rimanelli, David, "Beyond Victimology", The New Yorker (November 14)

 

1993
Baker, Kenneth, "Sue Williams In Your Face Art", The San Francisco Chronicle, (July 25), p. 45-46
Bonami, Francesco, "Spotlight", Flash Art no. 177 (Italian issue)
Bonetti, David, "Artists Find Fresh Ways of Looking at the Human Torso", San Francisco Examiner (July), p. E-11
Cottingham, Laura, "What´s So Bad About ´Em?", exh. cat. Bad Girls, Institute of Contemporary Art, London
Danto, Arthur, The Nation (April 19), pp. 533-536
Edelman, Robert G., Artpress (September), p. 87
Helfand, Glen, "Changing the Subject" SF Weekly
Hughes, Robert, "A Fiesta of Whining", Time, pp. 68-69
Larson, Kay, "What a Long, Strange Trip", New York Magazine, pp. 71-71
Lebovici, Elisabeth, "Le Whitney de New York à l´heure de Clinton", Libèration (Paris, April 24), p. 31
Madoff, Steven Henry, "Whitney Biennial: Apocalypse Now?" Artnews (April), p. 129
Moore, Catriona, "Cunts with Attitude: Acting Out in the Gallery", Art & Text (September), pp. 34-37
Phillips, Lisa "No Man´s Land: At the Threshold of a Millennium", exh. cat. Biennial, Whitney Museum of American Art (New York)
Smyth, Cherry: "Bad Girls", exh. cat. Bad Girls, Institute of Contemporary Art, London

 

1992
Barden, Lane, "Body Language", Artweek (January 7), p. 23
Cameron, Dan, "Reverse Backlash", Artforum (November), pp. 70-73
Cottingham, Laura, "Painted Bad", Frieze (June/July/August), pp. 32-36
Hess, Elizabeth, "Spiritual America", The Village Voice (May 19), p. 101
Kandel, Susan, "Hurtful Laughter", LA Times (November 12)
Mahoney, Robert, Arts Magazine (April), pp. 92-93
Rian, Jeff, "What´s All This Body Art?" Flash Art (January/February), p. 50
Rugoff, Ralph, "It´s a Bash", LA Weekly (December 4), p. 47
Smith, Roberta, The New York Times (May 15), p. C24
"An Angry Young Woman Draws a Bean on Men", The New York Times (May 24), p. 25

 

1991
Hess, Elizabeth, "Death to the Masters", The Village Voice (October 22)
Holst, Lise, Art in America (Summer)
Kimmelmann, Michael, The New York Times (November 1), p. C16

 

1990
Humphrey, David, "Hair Piece", Art Issue (February)
Saltz, Jerry, "Twisted Sister", Arts Magazine (May)

 

1989
Dechter, Joshua, Arts Magazine (October)
Levin, Kim, "Choices" The Village Voice (July 11)
Miller, John, "Sue Williams", Artforum (September)
Smith, Roberta, "Reviews", The New York Times (June 30)

Neue Galerie Graz

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