Die verkehrte Welt...
Trauerzug der Wildtiere
Titel: Trauerzug der Wildtiere
Künstler: Maler Fridolin Leiber (1853 - 1912)
Technik: Chromlithografie aus der Druckanstalt E.G. May in Frankfurt
Eigentümer: Sammlung Jagdkunde, JK 5415
Trauerzug der Wildtiere
Im Jagdmuseum Schloss Stainz finden wir unter anderem ein Blatt aus einem vierteiligen Zyklus des deutschen Malers Fridolin Leiber (1853–1912), den Trauerzug der Wildtiere, der auch als Jägerbegräbnis bezeichnet wird. Es handelt sich hier um eine Chromolithografie aus der Druckanstalt E. G. May in Frankfurt. Die weiteren Blätter F. Leibers in dieser Reihe zeigen satirische Darstellungen der Jagd und werden als Des Jägers Grab, Des Jägers Erwachen und Hochzeit mit den Waldtieren (Des Jägers Hochzeit) im Kunsthandel geführt.
Beim Trauerzug der Wildtiere schlüpft der Braunbär in die Rolle des Pfarrers, das Wildschwein in die Rolle des Totengräbers, Dachs und Luchs in die Rolle der Ministranten, und vier kapitale Hirsche übernehmen die Rolle der Sargträger. Dass hier auch die Fantasie eine gewisse Rolle spielt, beweist die Tatsache, dass auch Antilopen im Trauerzug zu finden sind. Als engste „Angehörige“ des Jägers werden die beiden Jagdhunde hinter dem Sarg dargestellt. Der elegante „Reinecke Fuchs“, der Trauernde mit Zylinder und Schal, der „humpelnde Wolf“ mit einer Gehhilfe, vier Wildkatzen im Chor sowie Gamswild sind ebenfalls auf diesem Öldruck zu finden, der sich einreiht in eine Form von Trivialkunst, die man sich auch am Ende des 19. Jahrhunderts leisten konnte.
Diese Darstellungen zeigen in humorvoller Weise das offensichtliche Bedürfnis, gewohnte Ordnungen für bestimmte Zeiten außer Kraft zu setzen.
Die "verkehrte Welt"
Die "verkehrte Welt" spiegelt sich in vielen künstlerischen Darstellungen wider, die sehr weit zurückreichen. Ein außerordentlich beliebtes Motiv sind Tiere, die in die Rolle von Menschen schlüpfen.
Diese Bezeichnung möchte man heute öfter denn je verwenden, denn im 21. Jahrhundert erscheinen so manche Gewohnheit oder auch gewisse Abläufe in der Natur als verkehrt. Waren es im Frühjahr dieses Jahres die Spätfröste und die enormen Schneemengen die uns Sorgen bereiteten, so sind es im Herbst dieses Jahres die blühenden Apfelbäume in der Südsteiermark die uns in Staunen versetzen.
Aber diese „verkehrte Welt“ ist nicht nur ein Zeichen der Gegenwart, diese sich nicht nur in der Natur dargestellte Veränderung spiegelt sich auch in der Geschichte in vielen künstlerischen Darstellungen wider, die sehr weit zurückreichen. Ein außerordentlich beliebtes Motiv ist die Darstellung von Tieren, die in die Rolle von Menschen schlüpfen.
Verkehrte Welt in Kunst und Architektur
Ein bekanntes Beispiele dafür ist die im Jahre 1509 in der Wiener Kärntner Straße gestaltete Fassade, die auf Anregung von Kaiser Maximilian in Szene gesetzt wurde. Er ließ die Fassade mit Jägern, Hasen und Hunden verzieren und das Gebäude wurde nach der Fertigstellung „Haspelhaus“ (Jagdamt) genannt. In einer Abfolge von mehr als 30 Szenen halten die Hasen Gericht über die Jäger. Diese werden aus dem Wald abtransportiert und von Hasen fachgerecht zum Mahl bereitet, umrahmt von festlicher Musik.
Die „verkehrte Welt“ hat aber eine noch länger zurückreichende Tradition und lässt sich bereits im 12. Jahrhundert dokumentieren. Als eine Form des „Aufstandes“ gegen die Grundherren erreichten solche Darstellungen im 16. Jahrhundert ihren Höhepunkt. In dieser Zeit galten sie als stiller Protest gegen die sozialen und gesellschaftlichen wie auch konfessionellen Ungerechtigkeiten.
Im 19. Jahrhundert hat man infolge der industriell erzeugten Massenartikel des Bildkonsums diese Motive wieder aufgegriffen und so für „sozial“ Schwächere die Möglichkeit geschaffen, das Heim auch mit Kunstdrucken auszustatten.
Text: Mag. Karlheinz Wirnsberger
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Jagdmuseum und Landwirtschaftsmuseum, Schloss Stainz
Schlossplatz 1
8510 Stainz, Österreich
T +43-3463/2772-16
info-stainz@museum-joanneum.at
Öffnungszeiten
April bis November Di-So, Feiertag 10-17 Uhr
Termine entnehmen Sie bitte dem Kalender.
Führungen: So 15-16:30 durch eine Ausstellung (Jagdmuseum oder Landwirtschaftsmuseum) und nach Voranmeldung.