RADIKALE BILDER

2. Österreichische Triennale zur Fotografie 1996

15.06. - 28.07.1996

Bildinformationen

Laufzeit

15.06. - 28.07.1996

Eröffnung

14.06.1996

Ort

Neue Galerie Graz

Kuratiert von

Werner Fenz (Neue Galerie Graz) und Reinhard Braun (Camera Austria).

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Über die
Ausstellung

Die 2. Österreichische Triennale zur Fotografie unter dem Titel "RADIKALE BILDER" fand in Zusammenarbeit von Neuer Galerie Graz und Camera Austria in den Räumlichkeiten der Neuen Galerie Graz und im Künstlerhaus Graz statt.


Zusatzinformationen

Ort: Neue Galerie Graz und Künstlerhaus Graz

In Zusammenarbeit von Neuer Galerie Graz und Camera Austria

Zur Ausstellung ist ein 2-bändiger Katalog erhätlich mit Beiträgen von Werner Fenz (A), Reinhard Braun (A), Justin Hoffmann (D), Janka Vukmir (CRO), Andreas Broeckmann (D/NL), Andreas Spiegl (A), Frits Gierstberg (NL), Paolo Bianchi (CH) - Band 1 - und Yve Lomax (GB), Michael Wetzel (D), Thomas Feuerstein (A), Francesco Bonami (I/USA), Octavio Zaya (E/USA), Christoph Doswald (CH), Art in Ruins (GB), Critical Art Ensemble (USA) - Band 2.

Die Triennale zur Fotografie wird vom Österreichischen Kunstministerium seit 1993 veranstaltet und geht zurück auf eine Idee von Werner Fenz.

Im Dreijahres-Rhythmus bietet sich, veranstaltet vom Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst, eine nicht nur für die österreichische Fotoszene wichtige Möglichkeit, aktuelle fotografische Positionen mit präzisen Zeichensetzungen in einer großen internationalen Ausstellung zu befragen und zur Diskussion zu stellen. 1996 richtet sich diese Befragung auf RADIKALE BILDER, während 1993 der KRIEG. den Ausgang bildete.

In den 90er Jahren ist eine Aktualisierung der künstlerischen Debatteum kontextuelle und soziale Konstruktionen von Kunst sowie um Systemkritik, Oppositionalität oder Widerstand festzustellen. Diese Debatte kann als Reaktion auf die postmoderne Egalisierung des gesamten - künstlerischen wie sozialen und politischen - Zeichenvorrats gelesen werden und betrifft die zeitgenössische Fotografie in besonderer Weise: In der Virtualität, der permanenten Verfügbarkeit von selbst entworfenen Bildwelten im digitalen Raum, könnten sich traditionelle Wirklichkeitsformen der Fotografie - dokumentierende ebenso wie inszenierende - weitgehend auflösen und damit ihre medialen wie künstlerischen Positionen in Frage stehen.

Unter dem Titel RADIKALE BILDER - als Projektionsfläche künstlerischer wie gesellschaftlich-kultureller Brüche, Störungen und Infragestellungen - sind 39 internationale Künstler/innen eingeladen, aus ihrer bisherigen Arbeit heraus ein Werk speziell für die Triennale und deren Thema zu realisieren. Im Zentrum der künstlerischen und kuratorischen Überlegungen stand die Frage, in welcher Form sich Fotografie radikalisieren muß und kann, um noch an der Konstruktion gegenwärtiger Wirklichkeiten und deren Interpretation mitzuwirken. Die Rolle der fotografischen Bildformen als ein mögliches Mediensystem der Vermittlung zwischen Umwelt, Gesellschaft und Subjekt gerät unter dieser Perspektive verstärkt ins Zentrum einer nicht nur spezifisch künstlerischen, sondern einer allgemeinen kulturellen Debatte. Radikalität bezieht sich dabei nicht auf die eine Dimension des Inhalts, sie ist auch und vor allem dem Methodischen und dem Bildbegriff zugeordnet. So sind es heute (möglicherweise) nur mehr RADIKALE BILDER, die den bestehenden immensen Bild- und Medienarchiven neue Dokumente und Interpretationen einer ständig zu aktualisierenden künstlerischen Weltsicht hinzufügen.

"Radikale Bilder sind rücksichtslos in der Weise, daß sie den Systemen nicht gehorchen. Sie kommentieren das Grauen nicht als Beleg, sie sehen die Schönheit nicht als unwiderruflich an. Sie liefern nicht ein Rückzugsgefecht in das geschützte Terrain der Kunst. Sie bestätigen den schönen Schein, wenn er dadurch bloß als solcher entdeckt und bewußt werden kann. Die Entropie wird radikalisiert. Damit im Zusammenhang stehen Gebrauch und Verbrauch von Bildern in einer Informationsgesellschaft, die sich der apparativen Herstellbarkeit - auf welcher Ebene auch immer - versichert und das vorrätige und gleichzeitig nivellierende Produzieren von Bildzeichen zur ausschließlichen Qualität erhoben hat.
Auch und gerade vor dem Hintergrund der digitalen Bildpotentiale sollen Radikale Bilder offenlegen, daß die Immaterialität des Bildes nicht das einzige Untersuchungsfeld fotografischer Methoden bildet. Die Vielfalt der Möglichkeiten ist sowohl aktuelle Bestandsaufnahme als auch methodischer Zugang zu einem Phänomen: zu jener Matrix, die die Fotografie innerhalb der unterschiedlichen Bildarchive besitzt. Radikale Bilder reichern diese Archive an, weil sie Positionen einnehmen, die als gesellschaftlicher Wirkungsradius die unausweichlichen Bilderstapel aufzuarbeiten versuchen und vor diesem Hintergrund veränderte oder jedenfalls sichtbar gemachte neue Gestaltungsmuster entwerfen.
Die Radikalität der Formulierung setzt im Unterschied zu herkömmlichen Verfahren innerhalb und außerhalb der Kunst nicht auf Bestätigung des Gewußten und die daraus entwickelten Arrangements, sondern unter anderem auf das Sichtbarmachen des Nicht-Bewußten, das sich durch die "Umgangsformen" mit den unterschiedlichen Bildmaterialien einstellen kann. Radikalismus meint in diesem Fall den rücksichtslosen Formulierungsanspruch als künstlerisches Instrumentarium."

Werner Fenz

"Betrachtet man das Medium der Kunst bzw. des künstlerischen Bildes unter dem Aspekt der Radikalität, so bedeutet es hier zunächst das Einnehmen einer extremen Position in den konstituierenden Bedingungen des Mediums. So werden unter dem Begriff "Radical Painting" jene Arbeiten zusammengefaßt, welche Farbe, Fläche und Bildträger in ihrer essentiellen Form thematisieren und sich dabei an Ideen der Conceptual Art und der Minimal Art anlehnen. Oft sind es lediglich monochrome Gemälde in jeder Variation, die heute als "Radikale Malerei" tituliert werden. Monochromie kann jedoch inzwischen auf eine mehr als dreißigjährige Geschichte zurückblicken und ist deshalb fast zur Konvention geworden. Radikalität hier in Anspruch zu nehmen, scheint paradox. Denn etwas, was Mainstream ist, kann nicht gleichzeitig radikal sein.
Eine dem "Radical Painting" vergleichbare medienselbstreflexive Richtung läßt sich in den 70er Jahren auch im Bereich der künstlerischen Fotografie feststellen. Ugo Mulas und Nikolaus Koliusis ließen die Faktoren der Bildentstehung und damit die Eigenschaften lichtempfindlichen Materials in ihre Werke miteinfließen. Die Grundbedingungen der Fotografie wurden in ihren Formulierungen veranschaulicht. Die extremen Möglichkeiten einer Fotokamera nutzten verschiedene Künstler wie John Hillard oder Ottmar Hörl als gestalterische Ausdrucksmittel. Eine Strategie zur Etablierung der Fotografie als relativ autonomes künstlerisches Medium, als sogenannte Fotokunst bestand u. a. darin, ein medial spezifisches Formenrepertoire zu entwickeln.
Wenn aber John Miller in einem Interview in Das Kunst-Bulletin (5/96) vor kurzem behauptet, daß beinahe jede Produktion von Kunst auf einen radikalen Impuls zurückgeht, so meint er vermutlich nicht einen Gebrauch des Mediums in essentieller, selbstreflexiver Hinsicht, sondern das prinzipielle gesellschaftliche Phänomen, daß Kunst stets im Widerspruch zum kapitalistischen System steht, indem sie sich jeder Standardisierung, jeder festen Definition und jeder klaren Funktionalität - alles Faktoren, welche die Warenproduktion ansonsten bestimmen - widersetzt. Kunst bleibt trotz aller Versuche der Vereinnahmung im Kern dysfunktional und letztlich nicht objektivierbar. Dieser Besonderheit, da von der herrschenden Ideologie weitgehend verschüttet, sind sich jedoch viele Künstler nicht bewußt."

Justin Hoffmann

"Die 2. Österreichische Triennale zur Fotografie unter dem Titel "Radikale Bilder" befragt neuerlich die Fotografie als ein wesentliches Mediensystem der Vermittlung von Umwelt und Subjekt innerhalb zeitgenössischer visueller Kultur - und wiederum durchschlägt das "Thema" jedes Medium, bleibt es selbst sozusagen abwesend, bildet es eine Leerstelle, die nicht (durch ein Bild) besetzt werden kann, ist für dieses Projekt aber Ausgangspunkt eines Denkens über Fotografie geworden. Die Frage dabei ist sicherlich nicht, wie ein radikales Bild aussehen kann, sondern durch welche Methoden oder Strategien überhaupt ein (ästhetischer) Raum geschaffen werden kann, in dem so etwas wie ein radikales Bild konstruierbar, vermittelbar, darstellbar, denkbar wird. Im Zentrum der Frage nach dem "radikalen Bild" stehen also strategische Operationen am und mit dem fotografischen Bild, bestimmte Prozesse der Bildfindung und -konstruktion eher als bestimmte Bildinhalte.
Wenn es kein Bild des Radikalen gibt, läßt sich das "radikale Bild" gewissermaßen als Symptom dieser Ausstellung bezeichnen, in dem Sinn, wie es etwa Slavoj Zizek nach Jacques Lacan definiert hat: als dasjenige, das sich, wie das Reale, einer Verbildlichung widersetzt, als dasjenige, das permanent verfehlt wird, das aber wiederkehrt, ohne sich neutralisieren, ohne sich in die symbolische Ordnung vollständig integrieren zu lassen. Das Symptom ist der "Ort", von dem aus mögliche Bedeutungen organisiert werden, der Ort, von dem aus der Horizont strukturiert wird, innerhalb dessen Bedeutungen überhaupt produziert werden können. Das Symptom ist ein blinder Fleck, der nicht wahrgenommen werden kann, wichtiger noch: ein Ort, ein Merkmal, eine Geste, die selbst keine Bedeutung hat, ohne die aber eine Bedeutungsproduktion nicht möglich wäre."

Reinhard Braun

"Radikal sein heißt, gründlich, tiefgreifend zu sein. Der Radikalismus strebt nach Gründlichkeit und Omnipotenz, ungeachtet dessen, wo er seinen Ursprung findet, und zielt darauf ab, alle Aspekte des Lebens in einem Grundprinzip zu assimilieren. Die Struktur des Radikalismus ist rational. Für die meisten seiner Anhänger ist der Radikalismus eine moralische Entscheidung, der Rest sieht in ihm ein zweckdienliches Mittel mit momentaner Wirksamkeit. Ein radikales Konzept wird jedenfalls nicht von Logik, Wissenschaft oder Wirtschaftlichkeit geleitet, sondern zielt auf intellektuelle Generalisierung verschiedener Bedeutungen menschlichen Handelns und menschlicher Erfahrungen.
Der Radikalismus bezieht sich im allgemeinen auf eine simplifizierende Hervorhebung einer Sache, die gewöhnlich schon bekannt ist, die sich bereits von der Masse abhebt. Was der Radikalismus üblicherweise mit sich bringt, ist eine militante Haltung und die Dominanz unqualifizierter Wertvorstellungen. In den meisten Fällen sagt er sich vom sozialen Bewußtsein los und wendet sich gegen den eigenen Ursprung.
Praktische Gedanken und Handlungen, Einfühlungsvermögen und Flexibilität in einzelnen Situationen oder die Bereitschaft, aus Erfahrungen zu lernen - all das geht dem Radikalismus gänzlich ab, und mitunter verliert er sogar das wirkliche Interesse an der Wahrheit. In seiner negativen Bedeutung strebt der Radikalismus danach, allen Aspekten des Lebens zu drohen, und wenn auch viele Formen des Radikalismus zu Gewalt neigen, so ist es doch schwer zu glauben, daß er die gewohnten Lebensformen tatsächlich verwerfen möchte. In seinem positiven Sinn weist der Radikalismus die Tendenz auf, ein völlig neues Lebenskonzept und damit verbundene Aktivitäten zu projizieren.
In jedem Fall ist der Radikalismus eine gesellschaftliche Erscheinung und eng an die Gemeinschaft gebunden. Die Gemeinschaft wiederum legt Wert auf das Verständnis ihrer Regeln, und so wird der Radikalismus zu einer autonomen Regel, denn Konventionen sind nicht Sache des Individuums, sondern der Gemeinschaft."

Janka Vukmir, Übersetzung: Renata Milez-Bionda

KünstlerInnen

Faisal Abdu´Allah&Clive Allen (GB) · · · Art in Ruins (GB) · · · Gilles Barbier (F) · · · Richard Billingham (GB) · · · Sabine Bitter/Helmut Weber (A) · · · Anna + Bernhard Joh. Blume (D) · · · Henry Bond (GB) · · · Alain Bublex (F) · · · Daniele Buetti (CH) · · · Manuela Burkart (D) · · · Helen Chadwick (GB) · · · Critical Art Ensemble (USA) · · · Petér Csikvári (H) · · · Thomas Demand (D) · · · Darko Fritz (CRO) · · · Rainer Ganahl (A) · · · G.R.A.M. (A) · · · Michael Hofstetter (D) · · · Gerald van der Kaap (NL) · · · Ali Kepenek (D) · · · Ivana Keser (CRO) · · · Jürgen Klauke (D) · · · Allan McCollum/Laurie Simmons (USA) · · · John Miller (USA) · · · Christoph Nebel (A) · · · Shirin Neshat (IR/USA) · · · Tony Oursler (GB/USA) · · · Beate Passow (D) · · · Jack Pierson (USA) · · · Richard Prince (USA) · · · Sophie Ristelhueber (F) · · · Ugo Rondinone (CH) · · · Klaus Scherübel (A) · · · Bruno Serralongue (F) · · · Andres Serrano (USA) · · · Cindy Sherman (USA) · · · Martin Sjoberg (SWE) · · · Sven Westerlund (SWE) · · · Stephen Willats (GB)

Von 10. September bis 31. Oktober 1996 ist die Ausstellung RADIKALE BILDER in der Kunsthalle Szombathely / Ungarn zu sehen.

Einblicke

Faisal Abdu' Allah & Clive Allen "Last Supper II"

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Art in Ruins: gegründet 1984 von Hannah Vowles und Glyn Banks beide leben und arbeiten in London

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Sabine Bitter / Helmut Weber "Formation Plus / Minus"

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Daniele Buetti "Good Fellow No 4"

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Helen Chadwick "Nebula"

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Critical Art Ensemble "Shareholder's Briefing"

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Thomas Demand "Ecke"

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Darko Fritz "End of the Message"

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Ali Kepenek "Hooligans"

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Ivana Keser "Paradies"

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Allan McCollum & Laurie Simmons "Actual Photos"

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John Miller "In the Middle of the Day"

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Shirin Neshat "Faceless"

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Tony Oursler, "Fear"

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Beate Passow "Numerologie"

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Klaus Scherübel "Recent work"

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Andres Serrano "The Morgue" (Death by Asphyxiation)

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Cindy Sherman "Ohne Titel # 256"

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Martin Sjoberg "If You Think This World Is Bad, You Should See Some Of The Others"

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Stephen Willats "Four Times Four Times Four"

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