Josef Schwaiger

barcode

01.04. - 30.04.2000

Bildinformationen

Laufzeit

01.04. - 30.04.2000

Eröffnung

31.03.2000, 19 Uhr

Ort

Neue Galerie Graz

Kuratiert von

Peter Weibel

Alle anzeigen

Über die
Ausstellung

Stiegenhaus der Neuen Galerie Graz


Zusatzinformationen

Ort: Stiegenhaus der Neuen Galerie Graz

Es zeigt in einer illusionistischen Scheinarchitektur "Die Aufnahme des Ganymed in den Olymp" (um 1756). Eine Ausstellung von Malerei in diesem Stiegenhaus kann das Deckengemälde negieren oder es in seinen Reflexionshorizont mit aufnehmen.

Josef Schwaigers Malerei ist seit langem in abstrakten Reflexionszonen angesiedelt. Es handelt sich nicht um abstrakte Malerei der Moderne, die bloß gegenstandslos ist, sondern um eine Abstraktion zweiter Ordnung. Es ist eine abstrakte Malerei, die die Bedingungen der abstrakten Malerei wie Farbe, Oberfläche, Trägermedium reflektiert. Er setzt hiermit eine Arbeit fort, die Gerhard Richter in Deutschland und Daniel Buren in Frankreich begonnen haben. Die Analyse der abstrakten Malerei führt scheinbar zur Komplexitätsreduktion, da nur Streifen oder Punkte in gleichmäßigen Abständen (Torroni) oder monochrome Leinwände zu sehen sind. Was für das Auge einfach scheint, ist hingegen für das Gehirn sehr komplex. Wenn die Analyse der modernen Abstraktion nicht beim Nullpunkt landet, sondern durch ihn hindurchgeht, kommt es zu einer Erweiterung und Steigerung der Komplexität. Dieser Prozeß der Komplexitätsakkumulation dekonstruiert nämlich historische Kategorien der Malerei und stellt neue Fragen bzw. in Frage, was ein Bild sei, was Kunst sei, was das Subjekt sei. Insofern ist Schwaigers malerische Installation im Stiegenhaus eine komplexe Antwort auf die komplexe Barockmalerei. Gerade indem er deren Illusionscharakter gänzlich negiert. Die farbigen, von der Industrie vorgefertigten Dekorfolien von 10 cm Breite, die die gesamte Stiegenhauswandfläche in vertikaler Anordnung kontinuierlich überziehen, sind das Ergebnis einer mehrstufigen Entscheidungsfindung. Ist aber einmal eine Grundentscheidung getroffen, eine Distinktion, eine Unterscheidung, dann sind alle weiteren Schritte logisch vorgegeben. Nämlich sowohl durch die Produktionsvorgaben des industriellen Herstellers, als auch durch die Determiniertheit kombinatorischer Vorgehensweisen. "barcode" ist eine algorithmische Malerei, eine Malerei, die einem vorgegebenen Entscheidungsprozess jenseits subjektiver Empfindung folgt. Es stellt sich aber heraus, daß die glatte Oberfläche der Farbfolien die Umgebung, und damit auch das Deckenfresko, widerspiegelt. Die barocke Malerei wird also ein Teil des Beobachtungs- und Entscheidungsprozesses. Die Abstraktion erweist sich als mächtiger Ort, in dem auch die barocke Malerei inkludiert ist. So wird auch die absolute Fläche der farbigen Dekorfolien zur Raummalerei. Desgleichen wird gerade in der Entäußerung der Subjektivität die Souveränität des Subjekts wieder eingeholt. Die Klarheit und Logik der malerischen Algorithmen bestätigt die Macht cartesianischer Methoden und damit die Macht des cartesianischen Subjekts. Die rationale Transparenz von Josef Schwaigers Malerei gehört zu den Regeln eines perfekten Spiels, in dem die Malerei sich fast von selbst malt. Sich wie zellulare Automaten selbst reproduzierende Malerei ist eine mögliche Vollendung des Projektes der modernen Malerei.

Farbige Dekorfolien von 10 cm Breite überziehen parallel und bündig laufend ohne Abstand in vertikaler Anordnung das Tableau der Stiegenhauswandfläche zur Gänze. Die Farbauswahl resp. Palette einzelner Farbfolien ist durch die Produktionsvorgaben des Herstellers bestimmt und limitiert; die Reihenfolge der einzelner Farbfolien innerhalb der Reihe beliebig und ohne chromatische Intentionen, sie folgt keinem Anliegen subjektiver Ganzheit.

Die glatte ebene Oberfläche verleiht dieser >Palettenauswahl< Intensität und Reinheit in ihrer Farbigkeit, Präzision und Entschiedenheit in der formalen Anmutung; gleichzeitig trägt sie jedoch auch Anteile ihrer Zerstörung und Auslöschung in sich: durch ihre glatte Oberfläche spiegeln die Farbstreifen ihre Umgebung (erzeugen so eine illusionistische Räumlichkeit wie im Deckenfresko von Laubmann) bzw. zerstört die Totalreflexion der Glanzlichter (hervorgerufen durch die starken Helligkeitsunterschiede der gegenüberliegenden Fenster) Farbe und Struktur der Wandgestaltung. Die Ausstellung barcode_ ist als installative Erweiterung meiner malerischen Praxis zu verstehen: eine begrenze Auswahl von Farben gleicher Quantität und in ihrer Qualität, durch die Vorgaben der Industrie determiniert, entbindet mich von - vermeintlich - Sinn- und bedeutungsstiftenden Parametern malerischen Selbstverständnisses: Hypersubjektivierung und -individualisierung in koloristischen Belangen (wobei es wiederum nur eine weitere Steigerung dieser Maxime ist, ob Einsatz und Behandlung des Farbmaterials dem expressiven Gestus folgt oder verhalten auch vor sensibler >Feinmalerei< nicht zurückschreckt).