Wolfgang Hollegha

zum 95. Geburtstag

Foto des österreichischen Malers Wolfgang Hollegha Foto des österreichischen Malers Wolfgang Hollegha

Bildinformationen

Als der wohl bedeutendste Maler des Landes, Wolfgang Hollegha, am 2. Dezember letzten Jahres verstorben ist, geschah das am Beginn von gemeinsamen Gesprächen über neue Werke, eine Museumsausstellung und zahlreiche andere Pläne für die Zukunft. Am 4. März 2024 wäre er nun 95 Jahre alt geworden. Beides ist der Neuen Galerie Anlass zum Gedenken, war Hollegha doch sehr eng mit diesem Museum verbunden. 2015/16 fand dort seine bislang umfangreichste Schau statt – ein Überblick über sieben Jahrzehnte.

Als Wolfang Hollegha sich 1961 am Rechberg, nahe Graz, ein Haus kaufte, ein großes Atelier baute und dort mit seiner Familie eingezogen ist, lag bereits Unwahrscheinliches hinter ihm. Die Tatsache, dass ihn der New Yorker Kunstkritiker Clement Greenberg entdeckte und sofort förderte, brachte ihn in die erste Reihe der internationalen Kunstentwicklung. Wolfgang Hollegha war plötzlich Teil der amerikanischen Nachkriegsavantgarde. Niemandem in Österreich gelang damals Vergleichbares. Er war mit den namhaftesten Kolleg*innen in den bedeutendsten Ausstellungen vertreten. Eine Weltkarriere war praktisch schon im Entstehen, als er es dann doch vorzog, nach Österreich zurückzukehren.

Trotz seiner Berufung als Professor an die Akademie der bildenden Künste in Wien, wo er von 1972 bis 1997 eine Meisterklasse für Malerei leitete, blieb er der Abgeschiedenheit am Land treu. Dort fand er die Bedingungen, die Konzentration und die Ruhe, die Grundsätze der Natur zu befragen, zu versuchen diese zu sehen und in sich wirken zu lassen – sich auch als Teil dessen zu begreifen. Diese Lebensform hat er bewusst gewählt, um seine spezielle Idee von Malerei umzusetzen. Es galt, die unendliche Vielfalt des Großen im Kleinen zu entdecken und dabei nicht zum weltabgewandten Romantiker zu werden, sondern klar und hellsichtig im Bewusstsein der abendländischen Geistesgeschichte der Monumentalität des Seins gegenüberzutreten. Seine Aussagen darüber formulierte er in einer komplexen künstlerischen Sprache der Malerei bzw. der Zeichnung. Seine Skepsis gegenüber wissenschaftlicher Rationalität war niemals begleitet von religiösem Spiritualismus oder Naturmystizismus. Vielmehr ist es eine tief empfundene Erkenntnis der Vielfalt des Seins, der er ein Bild zu geben suchte – etwas sichtbar zu machen, das nicht definitiv festlegbar ist. Die Malerei verleiht dem, was das allgemeine Sehen für unsichtbar hält, sichtbare Existenz.

Hollegha legte Wert darauf, dass es innerhalb der Kunst möglich sei, die Verschiedenheit der Individuen zu erfassen. Die Welt funktioniert nicht nur auf eine Weise, es gibt viele Weisen. Er konzentrierte sich konsequenterweise in seinem Werk auf seine eigene Art, die Wirklichkeit wahrzunehmen und diese in der Folge durch den kreativen Akt in Kunst zu verwandeln. Ein völlig neuer Realitätsbezug entsteht durch diese Verwandlung – der ursprüngliche Zustand ist manchmal noch im Bildtitel vorhanden, erscheint aber in einer neuen Visualität.

Wolfgang Holleghas Stellenwert innerhalb der österreichischen Kunstgeschichte ist nicht hoch genug einzuschätzen. Wenig hat er mit der klassischen Naturabstraktion zu tun. Vielmehr ist er einer der wenigen Europäer, die einer abstrakt-expressionistischen Tradition amerikanischer Prägung zuzurechnen sind. Durch Greenberg gelangte dieses Werk in die Rezeption der amerikanischen Malerei der Nachkriegszeit. Hollegha stellte dort vor allem mit den Malern der zweiten Generation des Abstrakten Expressionismus – später Colorfield Painting – oftmals aus. Er befand sich damit im Spitzenfeld der aktuellen Malerei seiner Zeit. Stationen wie das ICA London, das Guggenheim Museum New York, die Teilnahme an der documenta III und an der Biennale von Sao Paulo belegen einige Stufen dieser steilen und frühen Karriere.

Wolfgang Hollegha blieb seiner Methode treu, entwickelte sie bis vor kurzem weiter und variierte bzw. verfeinerte sie ständig. Die Neue Galerie Graz wird daher im nächsten Programmjahr die bereits begonnenen Überlegungen zu einer Ausstellung wieder aufnehmen und damit versuchen, ein letztes gemeinsames Projekt umzusetzen – auch wenn der Künstler nicht mehr unter uns sein kann.

Günther Holler-Schuster

Rückblick: "Die Natur ist innen" Ausstellung 2015/2016

Die Ausstellung in der Neuen Galerie zeigte den künstlerischen Weg Holleghas bis in die Gegenwart anhand zentraler Werke und präsentierte sie mit Arbeiten der ehemaligen Weggefährten Morris Louis und Sam Francis in ihrem internationalen Kontext.

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