01. August 2025, Elisabeth Schlögl
01. August 2025, Elisabeth Schlögl
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„Sie hat ihre Gäste immer in der Guten Stube empfangen“ – und so machten es auch die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen des Museums, als sie für das Erzählcafé am 31. Juli 2025 die Türen öffneten und Raum schufen für Erinnerungen, Kommunikation und Nachdenken über die Schriftstellerin Paula Grogger und ihre Haushälterin Maria Griesebner.
„Ein lautes und deutliches Grüßen“ war für Paula Grogger sehr wichtig, ebenso wie ausgiebige Spaziergänge, tägliche Routine, Sparsamkeit, Großzügigkeit gegenüber ihren Gästen, erlesene Freundschaften, ihr künstlerisches Schaffen oder keine Besuche nach 19 Uhr. „Paula Grogger war eine Respektsperson“, die g’schamig war, wenn es ums Haarewaschen ging, und eine Alpha-Frau in Bezug auf ihre Präsenz und Anerkennung. Sie lebte selbstständig von 1892 bis 1984, hatte eigene Standpunkte, wohnte mit einer Haushälterin allein in ihrem Haus, das sie plante, war eine zu Lebzeiten erfolgreiche und bekannte Schriftstellerin, katholisch, kinderlos und nuschelte nach Worten suchend und in Gedanken verloren – ganz ihrem künstlerischen Schaffen verpflichtet – beim Spazierengehen.
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Viele in unserer großen Runde kannten entweder Maria Griesebner („Maridl“) oder Paula Grogger persönlich: Großneffe, Großnichte, Patenkind, Verkäuferin, Friseurin, Nachbarskinder, Tochter der besten Schulfreundin Groggers, ein Ehepaar, das sich wegen Paula Grogger lange nach ihrem Tod kennenlernte u. v. m. Einige nahmen teil, die beim Festspiel – dem von Paula Grogger geschriebenen Laien-Schauspiel Die Hochzeit, das alle fünf Jahre in Öblarn aufgeführt wird – eine Rolle spielen und sich deswegen mit ihrem Leben auseinandersetzen. Andere waren zuvor noch nicht im Museum gewesen, kamen von Irdning, Liezen, Rottenmann und waren neugierig, weil sie in der Zeitung davon lasen und Paula Grogger noch aus dem Volksschulunterricht kannten und ihre Gedichte lernen mussten. Manche haben Stammbücher oder Karten mitgebracht und Groggers Einträge vorgelesen, andere konnten ihre Texte aus dem Gedächtnis vortragen.
Geteilt wurden vor allem persönliche Erinnerungen von alltäglichen Begegnungen:
„Ich spare das Thema nie aus, schließlich hat sie auch von 1938 bis 1945 gelebt“, meinte die Museumsleiterin Ilse Ritzinger und platzierte so auch den Nationalsozialismus in der Runde. „Ich lese ja gerade ihre Korrespondenz mit über 60 Schriftsteller*innen auch aus dieser Zeit und da geht schon hervor, dass sie kein Nazi war.“ „Sie schreibt vom Deutschtum und das war schon ein wichtiger Wert, als Kind der Monarchie.“ „Ja, vor allem das Heimatlied wird ihr zum Verhängnis.“ „Sie hat immer Grüß Gott gesagt und nicht Heil Hitler.“ „Unterschrieben hat sie aber schon mit Heil Hitler.“ „Sie wurde gedrängt, mit Ja abzustimmen, sonst wären es keine 100 % gewesen in Öblarn.“ „Wir haben die Zeit alle nicht erlebt und wissen nicht, was wir gemacht hätten.“ „Sie hat sich schon opportunistisch verhalten, um ihre Anerkennung als Schriftstellerin nicht zu verlieren.“ „Sie hat sich auch Dinge getraut, geschrieben und gesagt, da hat sie ihr Leben riskiert – ein Brief wurde noch rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen, wäre der angekommen, wäre das ihr Todesurteil gewesen.“ „Sie war zu katholisch, um ein ideologischer Nazi hätte sein zu können.“ Es gab einige Wortmeldungen über die Zeit des Nationalsozialismus und wie Paula Grogger dazu stand. Wie sollen wir uns an Menschen erinnern und über sie sprechen, die nicht eindeutig dagegen und eindeutig dafür waren? Die Gutes schufen und Schlechtes, die leben wollten und sich mit Bösem arrangierten – wie gehen wir mit diesen Ambivalenzen um? Können und wollen wir sie aushalten? Wohin führt es, wenn wir sie (nicht) aushalten?
„Darüber reden ist jedenfalls wichtig“ – das nehme ich als Fazit des Nachmittags mit. Es war ein Erzählcafé, das mir noch lange in Erinnerung bleiben wird: die Freude darüber, dass man selbst die Gelegenheit bekommt, persönliche Erinnerungen zu teilen, die Neugierde und Aufmerksamkeit, mit der 40 Personen zugehört haben, das Aushalten und Aussprechen unterschiedlicher Ansichten und Interpretationen und die schmackhaften Ennstaler Steirerkrapfen mit würzigem Steirerkas, die satt und zufrieden machten, sowie die herrlichen Nuss-Zimtkipferln, die auch bei 17 Grad Außentemperatur wohlige Wärme bewirkten.