Convenience Food
Heute gehört der Trend zu „Convenience-Produkten“ zu den bedeutendsten Markttrends der Lebensmittelindustrie. Der Begriff „Convenience Food“ ist aus dem Englischen entlehnt und bedeutet „bequemes Essen“. Damit werden alle ganz oder teilweise vorgefertigten Komponenten oder auch komplette Fertigmahlzeiten bezeichnet. Dieser Trend ist allerdings keine Erfindung des 21. Jahrhunderts, sondern entstand bereits in den 1860er-Jahren, als erstmals aus dem Muskelfleisch von Rindern gewonnener Fleischextrakt auf industrieller Basis hergestellt wird. Damit fiel der Startschuss für die Trockensuppenindustrie. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden zusätzlich Fleischkonserven und Schalengerichte für die Mikrowelle populär, mittlerweile kann man beinahe jedes Gericht fertig zubereitet kaufen.
Schon 2005 wurde in einem Artikel der Zeitschrift „Spiegel“ festgestellt: „Kaum noch jemand kocht Suppen ohne Würfel oder Granulat aus dem Glas, falls man nicht gleich zur fertigen Bouillon aus der Dose greift. Und das Bequemkochen hat bei der Vorspeise nicht Halt gemacht: Wer will, kann bar jeder Kochkunst mehrgängige Menüs aus Schachteln zaubern. Es gibt praktisch keinen deutschen Haushalt mehr, der nicht wenigstens einmal im Jahr eines dieser fast oder ganz verzehrfertigen Produkte kauft: Eintöpfe aus der Dose, Tiefkühlpizzen, Pfannkuchenteig in Tuben oder komplette Menüs für die Mikrowelle. Das Kochen wird durch Aufwärmen ersetzt.“1
Zwei Drittel aller Nahrungsmittel werden inzwischen industriell hergestellt – im Wesentlichen von einer Handvoll großer internationaler Konzerne, die bestimmen, was zum Beispiel auf deutsche Tische kommt.2
„Vieles hat, bevor es die Küche erreicht, chemische Fertigungslabors durchlaufen, wurde gefärbt, haltbar und ,schmackhaft‘ gemacht.“3
Viele Lebensmittel werden konstruiert, damit sie schmecken und aussehen, wie die Verbraucher*innen es angeblich wünschen, außerdem sollen sie möglichst lange transportfähig sein.
Als Gegentrend zum allgegenwärtigen „Fast Food“ formierte sich die „Slow Food“-Bewegung („langsames Essen“), welche die Erhaltung der regionalen Küche mit heimischen pflanzlichen und tierischen Produkten und deren lokale Produktion als Ziel hat.
Die neuen „Luxusprodukte“ werden für uns in Zukunft höchstwahrscheinlich natürlich gewachsene Lebensmittel der höchsten Qualitätsstufe sein: Gemüse, Schinkenspeck und Getreide ebenso wie Molkereiprodukte, Kräuter, Schlachtvieh von ökologisch unbelasteten Weiden und Fischen aus ebensolchen Gewässern.4
Die ersten industriell hergestellten Gerichte, die auch für die europäische Durchschnittsbevölkerung relevant waren, sind die von Julius Maggi und C. H. Knorr in den 1880er-Jahren erzeugten gemischten Suppenmehle. Sie waren für die Erwerbstätigen des 19. Jahrhunderts aus mehreren Gründen von Bedeutung: Einerseits konnten die zahlreichen Menschen in städtischen Gebieten nicht mehr aus ihrer nächsten Umgebung mit Nahrungsmitteln versorgt werden. Die Lebensmittelindustrie stillte den Bedarf an kochfertigen Produkten. Darüber hinaus war es den Frauen in der relativ kurzen Mittagspause nicht möglich, eine Suppe, deren Herstellung normalerweise Stunden dauert, zu kochen. Suppen waren in der damaligen Zeit allerdings ein sehr wichtiger Bestandteil der täglichen Nahrung.
Als der eigentliche Erfinder des Fleischextrakts gilt Justus von Liebig, der ab 1857 die industrielle Produktion des Extraktes in südamerikanischen Fabriken forcierte, weil es dort damals schon riesige Rinderherden gab. „Durch die Entwicklung des Fleischextraktes konnte die Trockensuppenindustrie zu produzieren beginnen, schon 1870 gab es ein eigenes Kochbuch für die neuen Fleischbrühen.“5
Unter der Marke „Bienenkorb“ begann die Familie Knorr um 1870 mit dem Vertrieb von präparierten Suppenmehlen aus Grünkern, Erbsen, Linsen, Bohnen, Sago und Tapioka als Vorläufer der späteren Fertigsuppen. Schon damals versucht Knorr, Hülsenfrüchte, gemahlene Gemüse und Gewürze zu mischen.6 Ab 1886 wurden die „Knorr’schen Suppentabletten“ in zahlreichen Geschmacksrichtungen erzeugt.
Grüneberg erfand 1870 die „Erbswurst“, die ab 1889 von Knorr hergestellt und vertrieben wurde. Dabei handelte es sich um eine in Pergamentschläuche gefüllte Masse, die später zum Inbegriff der Trockenprodukte wird. Sowohl die Erbswurst als auch die ersten Trockensuppen fanden im amerikanischen Bürgerkrieg (1870/71) Verwendung. Wobei die Erbswurst, bedingt durch ihren hohen Wasser- und Fettgehalt (je ca. 30 %), sehr schnell ranzig wurde. Zuletzt traten diese Probleme nicht mehr auf, da das Fett von besserer Qualität war ‒ pflanzlich statt tierisch ‒ und weil die Erbswurst mit Antioxidantien stabilisiert wurde.7 2018 hat Knorr die Produktion dieses Produktes aufgrund mangelnder Nachfrage eingestellt.
Im Jahr 1883 begann Julius Maggi mit der Herstellung der „Leguminose Maggi“, eines noch nicht gewürzten Suppenmehles, das aus Linsen, Bohnen oder Erbsen bestand und in einer Viertelstunde zubereitet werden konnte. Drei Jahre später brachte Maggi das erste mit Gewürzen abgeschmeckte Suppenpulver auf den Markt. Ebenfalls 1886 entwickelt Maggi die bekannte Suppenwürze in der auffallenden braunen Flasche mit dem langen Hals. Sowohl die ursprüngliche Rezeptur (pflanzliches Eiweiß aus Weizen, Wasser, Salz, Aroma, Glutamat, Hefeextrakt) als auch die äußere Gestaltung des Glaskörpers mit seinem gelb-roten Etikett wurden im Laufe der Zeit nur geringfügig verändert.8
Die Ursprünge dieser Suppenwürze gehen auf die Chemiker J. L. Proust und Jakob Berzelius zurück. „Sie hatten mit Hilfe der Salzsäure des Magens Fleisch zu einer fleischbrüheähnlichen Substanz ,verdaut‘. Maggi experimentierte mit anderen Eiweißquellen, setzte seine Erkenntnisse in ein praktisches Verfahren um und entwickelte die industrielle Auswertung. Das vierkantige Suppenwürzefläschchen hat er selbst entworfen.“9
Julius Maggi wusste, dass der Erfolg seines rasch wachsenden Unternehmens nicht allein von der Qualität der Erzeugnisse abhängt. Durch geschickte Werbung, die der Firmengründer anfangs selbst gestaltete, wurden sowohl der Handel als auch die Kund*innen über die neuesten Produkte informiert. Zusätzlich richtete Maggi 1886 ein eigenes „Reclame- und Press-Bureau“ ein, das vom späteren Dichter und Dramatiker Frank Wedekind (1884–1918) geleitet wurde.10 Mit seinen eigenwilligen Texten prägte dieser die Maggi-Reklame der Jahrhundertwende.
Zwischen 1900 und 1908 führte Maggi den Suppenwürfel, den Soßenwürfel und schließlich den Fleischbrühwürfel ein. 1908 kam mit dem „Rindsuppenwürfel“ das heute umsatzstärkste Produkt der Firma Maggi auf den Markt.
Auch Knorr bot um 1900 seine Fertigsuppen bereits in 40 Geschmacksrichtungen an.
Schon 1951 begann Knorr mit der Produktion des „Knorr Goldaugen Rindsuppenwürfels“, der bereits 1956 der bekannteste Markenartikel Österreichs war. Seit 1952 produziert Maggi Gulaschsaft, das erste Saucen-Trockenprodukt dieser Firma.11
Bereits 1965 machte die Firma Maggi einen weiteren Schritt in die „Convenience-Zukunft“: Kartoffelpüree und Kartoffelteig kamen auf den Markt. Auch Knorr produzierte Anfang der 1960er-Jahre Kartoffelpüree, die Fernsehwerbung für die Marke „Stocki“ ist teilweise heute noch bekannt. In den folgenden Jahren kam es in Form diverser Saucen wie Fleisch-, Dill- oder Champignonsauce zu weiteren Innovationen.
1972 wurden die „Maggifix“-Produkte entwickelt, dabei handelt es sich um Saftfleisch- oder Pasta-Asciutta-Gulaschzubereitungen, die bereits alle Zutaten, ausgenommen Fleisch, enthalten.
Ende der 1970er-Jahre war die Technologie bereit für die Herstellung von Nockerln aller Arten: Knorr und Maggi brachten Suppen mit Grieß-, Leber-, Speck- und Fleischnockerln auf den Markt. Seit 1983 ist der „Quick Lunch“ ‒ ein im Thermobecher verpacktes, dehydriertes Fertiggericht, das nur noch mit kochendem Wasser aufgegossen werden muss, um in fünf Minuten ein Gericht zu ergeben ‒ auf dem Markt.12Heute werden beispielsweise allein unter dem Namen Knorr ungefähr 400 verschiedene Produkte auf den Markt gebracht.13
Maggi’s Fleischbrüh-Würfel
In den 1880er-Jahren begann der Schweizer Mühlenbesitzer Julius Michael Johannes Maggi mit der Verarbeitung eiweißreicher Hülsenfrüchte. Er wollte preiswerte und gehaltvolle Nahrungsmittel für die häufig an Mangelerscheinungen leidenden Arbeiter*innen in den wachsenden Industrieregionen entwickeln. 1884 verkaufte Maggi die ersten Gemüsemehle, 1886 folgte die erste kochfertige Suppe aus Erbsen- und Bohnenmehl.
Ein Jahr später umfasste das Sortiment 22 Produkte, die als Kapseln oder Würfel zusammen mit Wasser zu Suppen angerührt werden können. Die Fleischbrühwürfel, die auch einzeln gekauft werden konnten, ersetzten in ärmeren Bevölkerungsschichten zunehmend teures Suppenfleisch. Die einheitlich gestalteten Maggi-Verpackungen hatten zusätzlich den Vorteil, leicht stapelbar zu sein. Dadurch waren in Schaufenstern oder Verkaufsräumen teilweise eindrucksvolle Waren-Pyramiden zu bewundern. Werbetafeln wurden vorzugsweise an der Außenseite der Verkaufsläden abgebracht. Die Kund*innen erkannten somit gleich, dass es dort „Maggis Fleischbrüh-Würfel“ zu kaufen gibt.
Emailtafeln
Ab 1893 wurden erstmals Emailreklameschilder eingesetzt. Durch die Einführung des Dreifarbendrucks (1890) blühte die Werbung immer mehr auf. 1915 erforschte die erste Universität den Nutzen der Werbung. Zeitgleich entstanden erste Ausbildungsplätze für Werbefachleute. Auch die Kunst fand Einlass in die Werbung und wurde als Vorlage genutzt.
„Die Anfänge moderner Werbegrafik entsprangen dem Biedermeier, gefolgt von historisierendem Klassizismus (…). Gegen Ende des Jahrhunderts setzte sich ein dekorativer Stil der Plakatkunst durch, der die Linien und Frauengestalten des Jugendstils, des Art nouveau nachempfand. Aus dieser Epoche stammen die schönsten Plakate bekannter europäischer und amerikanischer Künstler wie Toulouse-Lautrec, Mucha, Bradlex, Steinlen, Che¢ret und Hohlwein aus München.“14
Um 1920 avancierten die Emailtafeln vom Kunstobjekt zum Massenprodukt. 1965 ging das letzte „Emailplakat“ in Serie.
„Die Substanz der Werbeideen eines William Lever, Dr. August Oetker, Hermann Bahlsen, Julius Maggi oder Carl Knorr blieb bis heute identisch in ihrer Originalität, modernisiert wurden lediglich die ,Medien‘ der Werbung, als da sind Kino, Fernsehen, Bildschirmtext, Hörfunk, ,Publikumszeitschriften‘. Angesichts des dichten Gedränges auf den Regalen der Supermärkte hat die damals erfundene Identifizierung der Ware mit Namen und Marke des Herstellers noch an Bedeutung gewonnen.“15
Text: Mag. Maria Zengerer

1 Norbert F. Pötzl in: Spiegel Special 5/2005, 28.06.2005.
2 Vgl. ebda.
3 Klaus E. Müller, Kleine Geschichte des Essens und Trinkens. Vom offenen Feuer zur Haute Cuisine, München 2009, S. 173.
4 Vgl. Christoph Wagner, „Quo vadis, Küche? “, in: Roman Sandgruber, Hannes Etzlstorfer, Christoph Wagner (Hg.), Mahlzeit!, Kat. Oberösterreichische Landesausstellung 2009, Linz 2009, S. 261.
5 Vgl. Angelika Dollinger-Woidich, „Fertignahrung in Österreich. Ernährung im Wandel“, in: Grazer Beiträge zur Europäischen Ethnologie, hg. v. Edith Hörandner, Band 2, Graz 1989, S. 62.
6 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Knorr_(Lebensmittelhersteller)
7 Vgl. Dollinger-Woidich, „Fertignahrung“, 1989, S. 63.
8 Vgl. http://www.maggi.at/ueber+maggi/maggi+wuerze/maggi+wuerze.html
9 Hans Peter Mollenhauer, „Vom Küchentisch zum Fließband“, in: Ulrike Zischka, Hans Ottomeyer, Susanne Bäumler (Hg.), Die anständige Lust. Von Esskultur und Tafelsitten, München 1993, S. 522.
10 Vgl. http://www.maggi.at/ueber+maggi/maggi+wuerze/maggi+wuerze.html
11 Vgl. Dollinger-Woidich, „Fertignahrung“, 1989, S. 71.
12 Vgl. ebda, S. 71‒72.
13 Vgl. Mollenhauer, „Vom Küchentisch zum Fließband“, 1993, S. 522.
14 Ebda, S. 521.
15 Ebda, S. 521.
16 Vgl. ebda, S. 519.
17 Vgl. ebda, S. 520.
18 Vgl. www.dhm.de/ausstellungen/strategien-der-werbekunst/exponate/ausgezeichnet.htm
Das könnte Sie auch interessieren:
Österreichisches Freilichtmuseum Stübing
Bräuche und Traditionen
Das Leben der bäuerlichen Bevölkerung von einst war bestimmt und strukturiert durch den Alltag. Schwere Arbeit, der Rhythmus der Jahreszeiten, die Abhängigkeit von nachbarschaftlicher Hilfe bei verschiedenen Arbeiten und religiöse Einflüsse ließen Bräuche und Traditionen entstehen. Erfahren Sie mehr über verschiedene Bräuche, Traditionen und Feste!
mehr...Jagdmuseum und Landwirtschaftsmuseum, Schloss Stainz
Schlossplatz 1
8510 Stainz, Österreich
T +43-3463/2772-16
info-stainz@museum-joanneum.at
Öffnungszeiten
April bis November Di-So, Feiertag 10-17 Uhr
Termine entnehmen Sie bitte dem Kalender.
Führungen: So 15-16:30 durch eine Ausstellung (Jagdmuseum oder Landwirtschaftsmuseum) und nach Voranmeldung.