Geweihe - oder "Spitzen"-Dekor
Das Knochenmaterial von Geweihen zeichnet sich durch große Härte, aber auch gute Bearbeitbarkeit aus. Deshalb wurde es schon von frühen Jägerkulturen verwendet. Später sind daraus wahre Kunstwerke entstanden.
Datierung: 19. Jhdt.
Technik/Material: Hirschhorn (Geweihstangen) und Samt
Eigentümer: Schloss Trautenfels
Im 19. Jahrhundert hat man damit begonnen, Trophäen eine emotionale Bedeutung zuzuschreiben. Diese Tendenz hat sich im 20. Jahrhundert verstärkt und ist auch heute noch zu beobachten.
Die Materialien des Kopfschmuckes unserer Wildtiere hatten aber bereits Jahrhunderte davor einen sehr hohen Stellenwert, sind diese Materialien in Form von Abwurfstangen doch ein erstaunlich gutes Material, um Alltagsgegenstände zu verfeinern – zum Beispiel für die Herstellung von Speerspitzen, Griffschalen für Jagddegen, Messergriffe oder auch für die Produktion von Pulvergefäßen (fälschlicherweise auch als Pulverhörner bezeichnet).
Extravagante Wohnkultur
Das Sammeln der Abwurfstangen, vor allem des Rotwildes, war für die Berufsjäger der damaligen Zeit eine zusätzliche Einnahmenquelle zur Ergänzung der kärglichen Entlohnung.
Das „Knochenmaterial“ zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Härte aus, ist aber dennoch gut zu bearbeiten. Aber nicht nur Gegenstände des täglichen Gebrauchs wurden mit diesen Materialien ausgestattet, im 19. Jahrhundert entwickelte sich eine eigenwillige „Wohnkultur“ in den adeligen Wohnhäusern. Man wollte nicht nur den „Knicker“ mit „Hirschhorn“-Griff in der Messertasche sein Eigentum nennen, man wollte auch auf sogenannten Geweihmöbeln sitzen oder das Frühstück an Tischen mit eigenwilligen Hornfurnieren einnehmen. Hornfurniere entstehen durch das Aufsägen des Geweihes in kleine „Blättchen“, die anschließend in Form von Mustern auf Tischplatten oder ähnlichen Gegenständen geklebt werden. Man fand Gefallen am Material „Geweih“.
Ebenso gestaltete man Sitzmöbel in aufwendigen Techniken. Um die Wünsche der damaligen Auftraggeber besser berücksichtigen zu können, griff man auch zu Dammhirschschaufeln, die aufgrund ihrer besonderen Form sehr gut geeignet waren, um auf ihnen großflächige reliefartige Schnitzereien anzubringen. Die wohl berühmtesten Möbel dieser Art mit hervorragend gestalteten Rückenlehen und Szenen von Johann Elias Ridinger stehen in Schloss Ohrada in Tschechien. Hergestellt wurden sie von Martin Klenovic im Auftrag des Fürsten Schwarzenberg in der Zeit von 1847 bis 1884.
Möbelstück mit Lerneffekt
Im Jagdmuseum Schloss Stainz finden wir einen einfacheren „Geweihsessel“, bestehend aus 12 Abwurfstangen, verbunden mit Metallhülsen und weich geschwungenen Umrisslinien. Sowohl die sehr tiefe Sitzfläche als auch die Rückenlehne sind mit grünem Samt überzogen. Dieser Sessel aus der Zeit des sogenannten zweiten Rokoko stammt aus einer Einrichtung aus dem Schloss Trautenfels . Neben diesem schönen Möbelstück, das in seiner Ausführung ohne Verzierung auskommt, findet man im Landschaftsmuseum Schloss Trautenfels noch einen Großteil der von Josef Graf Lamberg in Auftrag gegebenen Einrichtungsgegenstände. Sie reichen vom Vitrinenschrank bis zur Kaminverkleidung, vom Kerzenständer bis zur Vase. Der Erzeuger dieser aufwendig hergestellten jagdlichen Einrichtungsgegenstände konnte bis heute nicht ausfindig gemacht werden.
Anhand dieses Sessels, der nur mit der Textur des Geweihes spricht, lässt sich bei Führungen sehr gut erklären, dass Hirsche ihre Geweihe jedes Jahr abwerfen und in sehr kurzer Zeit wieder erneuern. Diese Information wird sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen oft mit großem Erstaunen aufgenommen und zeigt, wie wichtig es ist, Informationen über unser heimisches Wild anzubieten.
Text: Mag. Karlheinz Wirnsberger
Der publizierte Beitrag
Downloads
Jagdmuseum und Landwirtschaftsmuseum, Schloss Stainz
Schlossplatz 1
8510 Stainz, Österreich
T +43-3463/2772-16
info-stainz@museum-joanneum.at
Öffnungszeiten
April bis November Di-So, Feiertag 10-17 Uhr
Termine entnehmen Sie bitte dem Kalender.
Führungen: So 15-16:30 durch eine Ausstellung (Jagdmuseum oder Landwirtschaftsmuseum) und nach Voranmeldung.