4. August 2019 / Elisabeth Eder
Versteckte Orte im Universalmuseum Joanneum – Mit Maria Zengerer unterwegs in den Depots von Schloss Stainz
Richtig pompös und fast märchenhaft thront Schloss Stainz über den Dächern der Marktgemeinde Stainz, umgeben von Wein- und Obstgärten. 1229 wurde das Schloss als Augustiner-Chorherrenstift erbaut und 1840 von Erzherzog Johann gekauft. Seither ist es im Besitz der Nachkommenschaft Erzherzog Johanns und noch immer Wohnsitz der Familie Meran. Rund um die historischen Schlossgemäuer reihen sich Getreidespeicher, Werkstätten und Ställe, Orte, die heute vom Universalmuseum Joanneum als Lagerräume und Depots genutzt werden und nur für wenige Mitarbeiter/innen zugänglich sind. Und genau diesen versteckten Orten gehen wir mit Maria Zengerer auf die Spur.
Kostbarkeiten auf vier Stockwerken
Der erste Weg führt uns in den „Schenkkeller“: „Der sogenannte Schenkkeller, ein viergeschossiger Getreidespeicher aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts, wird seit 1975 als Depot der Landwirtschaftlichen Sammlung genutzt“, erklärt Maria Zengerer und sperrt die alte, sperrige Holztür auf. „Das Besondere an diesem Ort ist einerseits die lange Geschichte und andererseits das wunderschöne historische Gebäude. Früher wurde hier das Getreide der grunduntertänigen Bauern gelagert. Die Augustiner Chorherren waren gleichzeitig auch Grundherren und die zum Stift gehörenden Bauern mussten den sogenannten Zehent abliefern. In diesem Fall war es aber eine Holschuld: Die Bauern mussten jedes zehnte „Kornmandl“ (den zehnten Teil der Getreideernte) am Feld stehen lassen und dieses Getreide wurde hier gelagert“, so die Expertin. Heute befindet sich auf verschiedenen Etagen des Schenkkellers ein Teil der über 18.200 Objekte der Landwirtschaftlichen Sammlung, vor allem Großgeräte aus Holz wie historische Wägen, Schlitten, Dreschmaschinen, Aufbewahrungskörbe, Getreidewinden, Bienenkörbe, aber auch kleinere Objekte für die Fleisch-, Milch-, Flachs- und Getreideverarbeitung.
Über eine steile, knirschende Holztreppe geht es nach oben in den ersten Stock, wo schon die ersten Raritäten der Sammlung zu sehen sind: Schlitten, Karren, Fuhrwerke, Mist- und Handwägen stapeln sich im gesamten ersten Geschoss über- und nebeneinander. „Wir haben sogar einen Handwagen in der Sammlung, der von seinem Vorbesitzer hin und wieder besucht wurde“, schmunzelt Maria Zengerer. „Der ehemalige Besitzer, ein Weltraumtechniker der ESA, wollte sich einfach vergewissern, dass der Wagen aus Familienbesitz bei uns gut aufgehoben ist.“
Der erste Weg führt in den sogenannten “Schenkenkeller”.
Hinter dieser sperrigen Holztür lagern unzählige Kostbarkeiten.
Einer dieser Wägen bekommt sogar regelmäßig Besuch von seinem Vorbesitzer.
Kunstvolles Handwerk: Die Technik des Strohkorbnähens will Maria Zengerer selber einmal lernen.
Neben historischen Wägen, Dreschmaschinen und Aufbewahrungskörben, finden sich hier auch kleinere Objekte für die Fleisch-, Milch-, Flachs- und Getreideverarbeitung.
Im letzten Stock befinden sich historische Ackerbaugeräte, die Aufschluss über das beschwerliche Leben in früheren Zeiten geben.
Ganz schön (und) zerbrechlich
Eiligen Schrittes geht es die steilen Treppen nun wieder hinunter und hinein ins nächste Nebengebäude, das Porzellandepot, das mindestens so viele Schätze beherbergt wie der zuvor besichtigte Zehentkasten. Schon beim Betreten fühlt man sich ein bisschen wie ein Elefant im Porzellanladen: Verschiedenste Keramiken, Pfannen, Töpfe, Gläser, Dreifüße, Koch- und Backformen blitzen neben Küchenwaagen, Tellern und bunten Pringles-Dosen zwischen den Regalen des Depots hervor. „Hier im sogenannten Porzellandepot bin ich besonders gerne, weil die Objekte – vordergründig Koch- und Küchen- bzw. Haushaltsgeräte – für mich besonders ästhetisch sind. Außerdem wird einem hier auch ständig vor Augen geführt, wie körperlich anstrengend früher auch alltägliche Tätigkeiten wie zum Beispiel das Kochen war“.
Und was haben eine Pringles-Dose und verschiedene Plastikbehälter hier zu suchen? „Das Joanneum wurde mit dem Auftrag gestiftet, Zeugnisse der Natur, Kunst und Kultur des Landes zu sammeln und zu erforschen. Dazu gehören auch Objekte, die jetzt vielleicht noch zu Hauf erhältlich und tagtäglich in Gebrauch sind – wie beispielsweise Plastikbehälter. Aber wer weiß, was in 100 Jahren verwendet wird. Ich vermute, dann wird man sich auf den Kopf greifen und bestürzt sein über die Vielzahl der Gegenstände, die von uns aus Plastik hergestellt wurden“, erzählt Zengerer, die bereits seit 13 Jahren im Schloss Stainz tätig ist.
Kurz vor Ende der Tour geht’s noch für einen Sprung ins Textildepot, das zum Schutz vor Motten komplett abgeriegelt ist: „Wenn man sich die Textilien genauer ansieht, bemerkt man, wie mühselig der Alltag früher war und wie haushälterisch man mit den Gewändern umgehen musste. Ein Dirndl wurde zum Beispiel so lange getragen, bis es wirklich nur mehr aus Fetzen bestand. Deshalb gibt es so wenig gut erhaltene Alltagskleidung“, erklärt sie weiter, bevor sie zum Abschluss noch verrät, welchen versteckten Ort im Universalmuseum Joanneum sie ganz gerne einmal besuchen würde: „Die Kellerräumlichkeiten in Schloss Eggenberg, ich habe nämlich so gar keine Vorstellung davon und frage mich, wie die ausschauen könnten.“
Besonders zerbrechliche Schätze gibt es hier im sogenannten Porzellandepot zu bewundern.
Verschiedenste Keramiken, Pfannen, Töpfe, Gläser, Dreifüße, Koch- und Backformen blitzen neben Küchenwaagen und Tellern zwischen den Regalen des Depots hervor.
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