Das Team: v.l.n.r. Melitta Schmiedel, Andreas Lindbichler und Doris Psenicnik

21. November 2018 / Julia Aichholzer

Ein Tag mit … Doris Psenicnik

Neue Galerie mit BRUSEUM | Registratur

Von Baustellen und Schreibtischgefechten: einer Heldin der Organisation auf der Spur

Ausstellungsregistrarin
Abteilung Museumsservice, Referat Registratur

„Das Klemmbrett, wo ist eigentlich mein Klemmbrett?“ Kurze Aufregung, schnelle Erleichterung. Doris Psenicnik erspäht ihr Klemmbrett am Registraturtischchen – alles gut. Im Ausstellungsraum der Artothek in der Neuen Galerie Graz ist heute viel los: Es ist Abholtag. Die Kunstwerke der Artothek werden ihren Leihnehmern und Gastgebern für die nächsten Monate übergeben. Sorgfältig kontrolliert, sicher verpackt und mit fürsorglichen Tipps zum Handling ausgestattet, verlassen sie vorübergehend die Sammlung des Joanneums, um für einige Zeit in privaten Wohnzimmern erstrahlen zu dürfen. Doris Psenicnik hält hier die Fäden in der Hand, genauer gesagt: die Werkliste auf ihrem Klemmbrett. Hier sind alle Information zu jedem der Werke in der Ausstellung verzeichnet, es kann abgehakt und markiert werden, Notizen eingefügt und ergänzt. „Das ist abgeholt worden, das wurde gestern schon abgeholt, die haben sogar ein Blümchen mitgebracht, voll nett. Und das ist die Mutter eines anderen Leihnehmers, bin ich draufgekommen. Das war der Herr S., sehr gut, jetzt haben wir noch die Frau B. Dann kümmern wir uns noch um die Werke, die noch verbleiben“, Zwiesprache mit dem Klemmbrett, Übersicht ist alles in der Registratur.

Registraturtisch und Klemmbrett: Doris Psenicnik in ihrem Element

Troubleshooting auf der Baustelle

Die Artothek ist eine kleine Ausstellung. 26 Werke erscheinen eher wenig, verglichen mit Ausstellungen, die bis zu 300 Werke oder Einzelteile von Werken zeigen, von denen natürlich alle entsprechend genau und fachkundig erfasst, dokumentiert und behandelt werden müssen. Entsprechend viele Stunden verbringt Doris Psenicnik als organisatorisches Bindeglied der Abteilungen auf der „Baustelle“ einer Ausstellung. Ihr Tag beginnt oft schon um 7 Uhr im Büro, um dann rechtzeitig an ihrer Baustelle anwesend zu sein, wenn die Kollegen von der Zentralwerkstatt mit dem Aufbau beginnen. Koordination, Dokumentation und „Troubleshooting“ werden strukturiert und mithilfe der Werkliste und des Telefons bewältigt. Kurzfristig auftretende Probleme müssen immerhin wegorganisiert werden, und das unter dem ständigen Zeitdruck des Eröffnungstermins. So kann es schon einmal sein, dass Wände einen Neuanstrich brauchen, da sich Farbe löst, ein ausgeliehenes Werk bei der Ankunft doch andere Maße hat als gedacht und nicht mehr auf den vorgesehenen Sockel passt oder beim Auspacken eines Werks festgestellt wird, dass es einen weiteren Objektrahmen benötigen wird. In der Zentralwerkstatt wird dann auf Zuruf noch ein neuer Sockel produziert, die Wände in der Ausstellung werden neu gestrichen oder der Kurator macht sich auf eine Tour durch die nächsten Rahmengeschäfte. Vieles muss spontan passieren, business as usual.

Sitzt auch alles? Letzte Kontrollen werden durchgeführt.

Professionelles I-Tüpferl-Reiten

Große Projekte werden meist schon ein Jahr im Vorhinein zusammen angedacht, hier beginnt der lange Weg zur Ausstellungseröffnung. Es werden erste Informationen zur geplanten Ausstellung von Kuratoren und kuratorischen Assistenzen eingeholt und nach und nach auch zuständige Teams gebildet mit Restaurierung und Zentralwerkstatt. Viele Stunden Büroarbeit stehen bevor, in denen Bedingungen mit Leihgebern interessanter Werke verhandelt, Verträge erstellt und Angebote eingeholt werden. Geht es in die heiße Phase der Ausstellungsplanung, wird oftmals im Duo mit einer Kollegin gearbeitet: Während die eine Schreibtischgefechte austrägt, kann sich die andere vor Ort um die Baustelle kümmern. „Ein großes Projekt besteht aus vielen einzelnen Teilen, bei denen wir dann schauen müssen, dass alles rechtzeitig passiert. Wir müssen dann i-Tüpferl-reiten“.

Verständnis füreinander, strukturiertes Arbeiten und Kommunikationsfähigkeit muss hier ein jeder mitbringen. Dafür haben sie fünf gut organisierte Köpfe im Team der Registratur, die gleichzeitig auch immer das Budget der Projekte im Blick haben müssen. Bei so enger Zusammenarbeit unter Druck kann es natürlich auch mal zu Reibereien im Projektteam kommen, denn „man kann künstlerische Projekte nicht so straight runterarbeiten wie ein Bauprojekt.“ Umso befriedigender ist es dann, wenn überall Lösungen gefunden wurden und eine Ausstellung eröffnet werden kann. Die Eröffnungen sind für Doris immer ein Pflichttermin, inklusive Teambuilding: „Ich finde das einfach schön, weil ich ja weiß, was im Hintergrund alles los war. Dann bin ich so stolz und es taugt mir so und ich feiere dann gern mit den Kolleginnen und Kollegen, was wir da geschafft haben. Das sind die Highlights für mich.“

Während unseres Gesprächs finden die letzten Leihnehmer den Weg in die Räumlichkeiten der Artothek. Es wird begrüßt, willkommen geheißen, alle Kolleginnen und Kollegen vorgestellt. Andreas Lindbichler von der Zentralwerkstatt und Restauratorin Melitta Schmiedel komplettieren das Team heute. Während Andreas behandschuht und mit viel Sorgfalt die letzten Kunstwerke in Folie wickelt, fotografiert Melitta und weist die Leihnehmer in den richtigen Umgang mit den Werken ein. Doris Psenicnik geht noch einmal alle Formalitäten durch: Ob der Vertrag richtig gelesen und verstanden wurde? Ob das Kunstwerk auch vertragsgemäß sicher untergebracht wird? Bitte noch eine Unterschrift. Die Registrarin kann einen weiteren Haken auf ihrer Klemmbrettliste setzen und freut sich: „Jetzt sind alle Werke abgeholt worden. Das war‘s, Andi!“ Was mit den übrigen Werken, die keinen Leihnehmer gefunden haben, weiter passiert, bespricht man noch. Am besten bei einer Tasse Kaffee.

Gut vorbereitet warten die Kunstwerke auf ihre Leihnehmer.

Im Zick-Zack durchs Kulturbusiness

Konkrete Ausbildung gibt es keine für den Beruf der Registrarin, auch wenn ein Universitätsstudium und Erfahrung im Projektmanagement wichtige Voraussetzungen sind. Außerdem ist das Berufsbild von Museum zu Museum verschieden ausgeprägt. „Das ist vor allem learning by doing und work in progress!“, lacht Doris und nippt an ihrem Kaffee. In der Registratur im Joanneum, als wachsames Auge, gute Seele und kommunikatives Bindeglied der Abteilungen, Ausstellung für Ausstellung, scheint sie angekommen zu sein. Nach Kunstgeschichte-Studium, Brotjob im Einzelhandel und parallel dazu verschiedensten Tätigkeiten in diversen kleinen und großen Kulturinstitutionen und -festivals in Graz stolperte sie beinahe ins Veranstaltungsmanagement des Joanneum. Auf ein Intermezzo von zweieinhalb Festivals im Projektmanagement des steirischen herbsts und der Verwirklichung eigener künstlerischer Ideen im Modebereich folgte jedoch wieder der Weg zurück ins Joanneum, diesmal in die Registratur. Kreativität, sprudelnde Kommunikationsfähigkeit und ein Hang zum Perfektionismus haben ihr dabei wohl geholfen, auch wenn das bedeutet, die Arbeit manchmal mit nach Hause zu nehmen. „In meinen Anfängen habe ich teilweise noch am Nachtkastl einen Zettel bereitliegen gehabt, um mir Einfälle notieren zu können. Dinge, die am nächsten Tag in der Früh gleich erledigt gehören“, erzählt Doris schmunzelnd.

Heute nimmt sie sich ein wenig mehr Zeit für sich und ihr Privatleben. Hier hat die Kulturleidenschaft ihren festen Platz: So gibt es etwa keine Reise ohne Museumsbesuch. Mittlerweile finden sich aber auch zwei bis drei kulturfreie Abende pro Woche, manchmal sogar ein Wochenende. Dann sind auch mal ein paar Stunden Zeit, um ein Buch zu lesen, sich um die Familie zu kümmern oder aus Liebhaberei sogar mal wieder zwei, drei T-Shirts mit den eigenen Designs zu bedrucken. Vorerst geht es aber wieder zurück ins Büro. Die heutigen Werke sind verliehen, die Türen zur Artothek geschlossen, die Kaffeetasse geleert. Jetzt muss noch der Rücktransport der übrig gebliebenen Werke ins Studien- und Sammlungszentrum organisiert und schnell ein wenig Nacharbeit geleistet werden. Denn das nächste Projekt steht ja auch schon vor der Tür, das Klemmbrett liegt bereit.

Der Registraturtisch: Schaltzentrale und Herz der Baustelle

Auch ein Sockel will sicher verpackt sein.

Fotos: Julia Aichholzer

Kategorie: Neue Galerie mit BRUSEUM | Registratur
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