15. September 2022 / Museumsakademie
Das Museum als Soundscape. Möglichkeiten akustischer Ausstellungsgestaltung
Psssst!
…hat sicher jede*r schon einmal im Museum gehört. Allen voran Natur- und Technikmuseen sowie Sciencecenter haben in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass Museen auch durchaus geräuschvolle Orte sein können. Immersive Hörstationen und informative Audioguides in kunst- und kulturwissenschaftlichen Ausstellungen verdeutlichen, dass die Vermittlung von Inhalten über Ton gewinnbringend sein kann. Museen sind – auch abseits des mehr oder weniger lauten Verhaltens ihrer Besucher*innen – Räume mit unterschiedlichen Soundebenen. Töne und Geräusche können darin sowohl Ausstellungsinhalt als auch Teil der Ausstellungsgestaltung sein: eine quasi selbstverständliche Praxis, die im deutschsprachigen Raum bisher noch wenig ausgeschöpft und reflektiert wird. Aber auch international gelten die Arbeit mit Sound und die Sound Studies als „always emerging, but never emerged“.
Fokus auf ein unerhörtes Thema
Der von Eva Tropper (Museumsakademie Joanneum, Graz) und Martina Nußbaumer (Wien Museum) konzipierte Workshop Das Museum als Soundscape. Möglichkeiten akustischer Ausstellungsgestaltung im Alpinen Museum der Schweiz und im Museum für Kommunikation in Bern hatte das Ziel, das Feld der akustischen Ausstellunggestaltung, aber auch inhaltlich-konzeptuelle Fragen zum Einsatz von Sound im Museum auszuloten. Ebenso standen funktionale Aspekte im Fokus: Diese reichten von Fragen nach der architektonischen Beschaffenheit von musealen Räumen und technischen Grundvoraussetzungen, die es braucht um Soundquellen für Besucher*innen lustvoll hörbar zu machen, bis hin zur Gestaltung eines idealen Produktionsprozesses von Sound im Museum.
Eine Vielfalt an Stimmen und Perspektiven
Die Annäherung erfolgte durch acht Kurzvorträgen von Referent*innen unterschiedlicher fachlicher und institutioneller Herkunft: Sowohl Museolog*innen, Sounddesigner*innen, Ausstellungsgestalter*innen und Kurator*innen als auch freischaffende Personen mit großem Kund*innenkreis und Personen aus kleinen Institutionen kamen zu Wort.
Den Beginn der Kurzvorträge machte Johannes Kapeller (Medienarchivar der Österreichischen Mediathek, Wien). Er näherte sich aus einer museologischen Perspektive den Sounds in Museen an und präsentierte seine akustische Vermessung des Kunsthistorischen und Naturhistorischen Museums Wien. Kapeller machte deutlich, dass Sounds im Museen in enger Wechselwirkung mit Verhaltensweisen und -regeln in ebendiesen stehen. Er zeigte, dass es im Kunsthistorischen Museum insgesamt leiser, jedoch punktuell lauter als im Naturhistorischen Museum mit seinem durchgängigen, von Kinderstimmen und Saurierschreien geprägten Soundteppich ist. Zurückzuführen sei dies auf eine Vorstellung stiller Kontemplation in Museen, insbesondere Kunstmuseen. Dies wurde, wie er durch historische Hausordnungen belegte, lange durch das Verbot von Kindern in Museen gefördert. Als Auftakt des Workshops sensibilisierte der Vortrag für die Wahrnehmung von Museen als „stille Räume“ und zeigte, wie stark Normen, Regeln und Architektur diese und das Verhalten ihrer Besucher*innen beeinflussen.
Die weiteren Vorträge kamen aus der Ausstellungspraxis und näherten sich dem Thema durch die Präsentation von Fallbeispielen an. Dabei bildeten sich Schwerpunkte, die sich durch die unterschiedlichen Zugänge und Hintergründe der Vortragenden ergaben: Von Sounddesigner*innen kamen Präsentationen einzelner Soundformate und -elemente in unterschiedlichen Kontexten, jedoch mit Fokus auf Museen. Aus dem Bereich der Gestaltung und Produktion wurde der Einsatz von Sound als gestalterisches Element in Ausstellungen diskutiert. Von Kurator*innen und Vermittler*innen wurde Sound als inhaltlich-konzeptuelle Leitlinie in Ausstellungen präsentiert.
„Klang von Anfang an“ als musealer Ansatz
Die Beiträge aus dem Sounddesign zeigten die schier unbegrenzten Möglichkeiten von Sound im Museum auf. So veranschaulichte der Sounddesigner Ramon De Marco (Idee und Klang Audiodesign, Basel) anhand von neun Praxistipps aus der jüngst erschienenen Publikation Sound Scenography. The Art of Designing Sound for Spaces, was es bei der Nutzung von Klang in szenografischen Projekten zu beachten gilt. Es sei zentral, Klang und Raumakustik von Anfang an mitzudenken – auf jeden Fall zu Beginn der Ausstellungsplanung, aber noch besser schon beim Planen des Museumsgebäudes.
Wegen seiner wegweisenden, die Besucher*innen leitenden Qualitäten sei Klang gerade für Ausstellungen und Museen ein nützliches Tool, das mehr als nur dekorieren, sondern auch irritieren und in besonderem Maß Authentizität vermitteln könne. Nicht zuletzt plädierte de Marco für raumgreifende akustische Lösungen. Diese würden die Besucher*innen, anders als etwa Audioguides über Kopfhörer, nicht von ihrer Umgebung abschotten. De Marco betonte, dass die meisten seiner Praxistipps in Museen – im Gegensatz zu Kaufhäusern oder Büros – leider noch kaum Anwendung fänden. Er machte damit einen Diskussionspunkt auf, der sich durch gesamten Workshop zog: Das Museum wird von seinen Macher*innen noch viel zu selten als Soundscape gedacht.
Neue Dimensionen der sinnlichen Erfahrung vs. historische Authentizität
De Marcos letztes Argument, dass Sound im Vergleich zu Videoprojektion ein günstiges und vor allem wirkungsvolles Vermittlungsmedium sein könne, nahmen auch die Szenografin Claudia Glass (RÄUME und KOMMUNIKATION, Basel) und der Klangkünstler Jascha Dormann (Idee und Klang Audiodesign, Basel) als Ausgangspunkt ihres Vortrags. Ergänzt um die Idee der Nachhaltigkeit stellten sie den Ansatz des Second Layer SoundWalk vor. Glass und Dormann schlugen dabei eine auditive „zweite Ebene“ an (neu-)kontextualisierender Information vor, um bereits bestehende Ausstellungen um Inhalte zu ergänzen oder für neue Zielgruppen zugänglich zu machen. Die Soundeben würde den Besucher*innen auch eine neue mediale Dimension der sinnlichen Erfahrung eröffnen. Auch inhaltlich legten Glass und Dormann einen Fokus auf sinnliche Erfahrungen und Emotionen: „Wie prunkvoll oder arm, grausam oder kalt (…) historische Situationen wirklich (waren)“, könne laut Glass über Ton besonders wirkungsvoll vermittelt werden.
Damit war eine Diskussion eröffnet, die in den Gesprächen dieser Tage immer wieder eine Rolle spielte: Die Frage nach der Förderung historischer Imagination durch Sound. Wie sehr kann die sinnliche Qualität von Klang historische Imagination erhöhen? Wie sehr besteht aber auch die Gefahr einer vermeintlichen historischen Authentizität, die sich in der Rekonstruktion historischer Klänge nie erreichen lässt? Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang auch die Klangebene der neu eröffneten The Holocaust Galleries im Imperial War Museum in London, deren Umsetzung Jascha Dormann verantwortete.
Ziel war es dabei, die subjektzentrierte kuratorische Erzählung durch Sound für die Besucher*innen emotional nahbarer zu machen und so das Ereignis des Holocaust von seiner Abstraktheit zu lösen. Gleichzeitig liegt jedem heute produzierten und auf historische Ereignisse übertragenem Klang eine Verzerrung inne, mit deren Einsatz verantwortungsvoll umgegangen werden sollte. Insbesondere zwischen aus der Geschichtswissenschaft kommenden Museumsmacher*innen und Sound-Gestalter*innen entwickelte sich hier eine produktive Diskussion.
Sound als Gestaltungswerkzeug
Wie Sound als Gestaltungsmittel eingesetzt werden und sich auf andere Weise an Fragen historischer Imagination annähern kann, zeigte der Beitrag von Martin Lesjak ( INNOCAD Architektur und 13&9, Graz). In der Ausstellung was war. Historische Räume und Landschaften im Museum für Geschichte in Graz gab es zwei Klangebenen, die die Besucher*innen leiteten: Die erste, erzählerische Ebene machte durch Umgebungsgeräusche die Veränderung des Klangs der Steiermark im Laufe der Zeit erfahrbar. Die zweite abstrakte Ebene bestand aus einem Trommelschlag, Rauschen und einem Herzrhythmus. Immer dichter und schneller werdend repräsentierten sie die immer dichter werdende Besiedelung der Steiermark und die Beschleunigung historischer Prozesse bis in die Gegenwart. Der gegen Ende der Ausstellung hin dissonant werdende Sound war – als Teil des Konzepts – auch Ausgangspunkt von Diskussionen im Anschluss des Vortrags. Denn von einigen Workshopteilnehmer*innen, die die Ausstellung selbst besucht hatten, wurde die sehr präsente Soundebene als störend wahrgenommen – und damit ein konfliktives Merkmal von Sound benannt. Diskutiert wurde, inwiefern die Arbeit mit Sound in Ausstellungen auch unterschiedliche Bedürfnisse – nicht zuletzt die des Aufsichtspersonals – berücksichtigen muss. Gleichzeitig betonte Lesjak die inhaltlich gerechtfertigte Relevanz der Soundebene und wies auf die hohen Besucher*innenzahlen der Schau hin: Offenbar war das sehr präsente Storytelling durch Sound für viele Personen zumindest kein abschreckendes Moment.
Ähnlich bewusst kommt Sound auch in der Gestaltung der 2017 eröffneten Kernausstellung des Museums für Kommunikation in Bern zum Einsatz. Diese wurde gemeinsam mit dem niederländischen Gestaltungsbüro Kossmanndejong (Amsterdam) entwickelt und verfügt über zahlreiche audiovisuelle Inszenierungen. So lenkt etwa ein am Ausstellungsbeginn eingerichteter, mit Videoprojektionen flankierter akustischer roter Teppich die Besucher*innen in jenen Teil der Ausstellung, der didaktisch gesehen am Anfang des Besuchs betrachtet werden sollte.
Dass dieser Wegweiser in die „richtige“ Richtung auch in der Praxis funktioniert, war einer der vielen Einblicke, die der Kurator und Projektleiter Christian Rohner bei seinem dialogisch gestalteten akustischen Rundgang durch die Kernausstellung gab. Zusätzlich konnten die Workshopteilnehmer*innen vor Ort ein neues Audioguidegerät mit Knochenschalltechnologie des jungen Baseler Startups dojo tech ausprobieren.
Hören als Ausstellungsthema – Sounds interdisziplinär bearbeiten und nutzen
Den größten Schwerpunkt des Workshops bildeten Vorträge, die danach fragten, wie sich Ausstellungen auf einer inhaltlichen Ebene dem Thema Hören nähern können. Diskutiert wurde, wie sich Klänge und Stimmen ausstellen und sich durch die Kulturtechniken des Zu-Hörens Inhalte vermitteln lassen. Dabei wurde deutlich, dass Ausstellungen immer ein Zusammenspiel von unterschiedlichen Expertisen aus Forschung, Kuratieren, Vermittlung und (Sound-)Design sind. Die Evolution der Ausstellung Die Glocken herunter in eiserner Zeit im Vorarlberg Museum und die aus ihr heraus entwickelten Folgeausstellungen THE SOUND OF LECH im Lechmuseum im Huber-Hus und The Sound of St. Lambrech in der Stiftsanlage von St. Lambrecht/Steiermark zeigte dies jedoch in besonderer Weise.
Ihr gemeinsamer Ausgangspunkt war die Dissertation von Thomas Felfer (freier Kulturwissenschafter): Im Zuge des Ersten Weltkriegs wurden Kirchenglocken eingeschmolzen und somit die Klangkulisse vieler Orte verändert. Es folgten teils emotionale Diskussionen, die Felfer ausgehend von einem Archivfund im Lechmuseum historisch erforschte. In Zusammenarbeit mit Techniker*innen von ixxy, rootinteractive und attic sound (Brighton/UK) rekonstruierte er die „verlorenen“ Glocken und Klänge und konzipierte eine Virtual-Reality-Präsentation. Mit dieser konnten die Ausstellungsbesucher*innen die Glocken nicht nur läuten lassen, sondern auch Kirchen begehen. Es wurde vermittelt, wie gemeinschaftsstiftend und charakteristisch ein Klang für einen Ort sein kann.
So ging es in THE SOUND OF LECH, wie Monika Gärtner (Lechmuseum, Lech am Arlberg) zeigte, weniger um die Rekonstruktion einer historischen Klangkulisse. Vielmehr wurde der Ort gemeinsam mit seinen Bewohner*innen klanglich vermessen und davon ausgehend die Geschichte(n) und Besonderheiten des Ortes partizipativ herausgearbeitet.
Zur Tonspur Der Bach und seine Geräusche aus der Ausstellung THE SOUND OF LECH Der Klang eines Ortes
Das Ergebnis waren Klanggeschichten, die beispielsweise den Wandel der Geräuschkulisse des örtlichen Baches im Laufe der Jahreszeiten erfahrbar machten sowie Klangspaziergänge, in denen die Besucher*innen gemeinsam auditiv achtsam durch den Ort wanderten. Die Ausstellung war zugleich ein Beispiel dafür, wie sich die Arbeit mit Sound weiterentwickeln lässt. So wurde der Sound of Lech in einem nächsten Schritt zum Sound of St. Lambrecht, wobei einige Elemente der ursprünglichen Ausstellung adaptiert wurden und andere neu hinzukamen.
Kurt Stadelmann, langjähriger Kurator am Museum für Kommunikation in Bern, präsentierte die vielfach ausgezeichnete Ausstellung Sound of Silence, die zum Ziel hatte, das, was Menschen normalerweise nicht hören, erfahrbar zu machen. Mithilfe des Sounddesignbüros Idee und Klang wurde über eine sogenannte Binaural Sound Technologie das Thema Stille dreidimensional in den musealen Raum übersetzt. Animiert durch eine unsichtbare, an Radiofeatures angelegte Erzählstimme bewegten sich die Besucher*innen völlig frei im fast objektlosen Ausstellungsraum. Die Programmierung des Audioguides ermöglichte den Besucher*innen den Verlauf des Ausstellungsrundgangs selbst zu bestimmen. Wie viel Erfahrungs- und Erkenntnisoffenheit in Ausstellungen eine so stark individualisierte Vermittlung noch ermöglicht, wurde anschließend in der Workshopgruppe diskutiert. Stadelmann betonte in der Debatte den experimentellen und subjektiven Charakter von Ausstellungen: als Kurator müsse, könne und würde er in die zweite Reihe hinter die Wissenschaft zurücktreten. Es sei jedoch wichtig anzuerkennen, dass sich die eigene Haltung trotzdem immer in der Ausstellung widerspiegeln würde. Was die Besucher*innen letztlich aus einer Ausstellung mitnehmen, sei bis zu einem gewissen Grad immer unberechenbar.
Im Alpinen Museum der Schweiz, wo wir einen der beiden Workshoptage verbrachten, hat eine inhaltlich motivierte Arbeit mit Sound ebenso einen wichtigen Stellenwert. Leiter Beat Hächler stellte zunächst die Hör-Ausstellung Echo. Der Berg ruft zurück vor. Gemeinsam mit dem Musiker und Stimmkünstler Christian Zehnder hatte die Schau versucht, sich bewusst von den – oft klischeehaften – visuellen Versatzstücken der alpinen Erfahrung zu distanzieren und stattdessen dem Hören in den Bergen Raum zu geben. Im Sinn einer Soundkarte des Alpenraums standen sieben Schweizer Orte im Mittelpunkt, an denen besonders signifikante Formen von Echoklang erprobt wurden.
Im Anschluss daran gab es die Gelegenheit, die aktuelle Ausstellung Let’s Talk About Mountains zu besuchen. Grundlegende Elemente waren die kuratorischen Praktiken, Einzelpersonen im Narrativ einer Ausstellung eine Stimme zu geben und Besucher*innen über Hörstationen auf ein Thema zu fokussieren. Die von Hächler und Team kuratierte Ausstellung handelte von Nordkorea und seinen Bewohner*innen. Ausgehend von den Bergen – einer Gemeinsamkeit zwischen der Schweiz und Nordkorea – wurden Gespräche mit Nordkoreaner*innen geführt. Es galt: Nicht verurteilen, nur zuhören. Deutungshoheit und die Frage nach kollektiven und individuellen Stimmen und Klängen war folglich auch in diesem Beitrag ein zentrales Thema.
Zudem arbeitete die Ausstellung mit einer weiteren akustischen Ebene: Der totalitär-allumgreifende Charakter Nordkoreas wurde nicht nur subtil durch die Stimmen der sensibel interviewten Personen, sondern auch über Lautsprecher in den Ausstellungs- und den Berner Außenraum übersetzt: Denn die nordkoreanische Gesellschaft würde, so Hächler, fortlaufend über im ganzen Land aufgestellte Lautsprecher beschallt. Ein vor dem Eingangsbereich des Alpinen Museums der Schweiz installierter Lautsprecher, von dem während der Öffnungszeiten des Museums nordkoreanische Musik lief, holte diese Praxis in den öffentlichen Raum Berns. Das sonst vorwiegend mit visuellen Strategien arbeitende Museum wurde somit um eine akustische Dimension erweitert.
Die politische Dimension von Stimmen und Sound machte auch Bruno Winkler (Rath und Winkler – Projekte für Museum und Bildung, Innsbruck) zum Ausgangspunkt seines Vortrags. Anhand mehrerer Ausstellungsprojekte zeigte er, dass kuratieren auch immer ein „Stimme geben“ ist. Dies machte er etwa am Beispiel eines Projekts zu ukrainischen Zwangsarbeiter*innen während des Nationalsozialismus, deren Geschichte und Namen rekonstruiert wurden, deutlich. Zudem würde die Kulturtechnik des Zuhörens Stimmen nicht nur erfahrbar machen, sondern sei Methode, wie Winkler anhand der Ausstellung Sein & Mein. Ein Land als akustische Passage im Vorarlberg Museum zeigte: Stimmen und Sound hätten das Potenzial viel intimere Inhalte zu erzeugen und zu vermitteln. So fiel wegen des emotionalen Potenzials von Klang auch bei der Erarbeitung der Ausstellung ganznah zum Thema “Berühren” bei der Präsentation von Liebesbriefen die Wahl auf eine akustische Choreografie im Raum anstatt über Text.
Winkler betonte, wie sehr sich Menschen in der Wechselwirkung von Sprechen und Zuhören öffnen würden. Oft würden bei Zeitzeug*inneninterviews wenige Fragen reichen, da die Leute von selbst in den Erzählfluss kämen. In dieser Stärke des Zuhörens liegt laut Winkler jedoch auch eine erhebliche Herausforderung für den kuratorischen Prozess: Die Arbeit mit Interviews und Sounds ist zeitintensiv, was auch er und sein Team unterschätzt hatten. Winkler schloss seine Ausführungen mit der Bemerkung, dass derzeit leider vor allem Sprechen Kultur hätte – und nicht das Zuhören. Statt Resonanzräumen gäbe es Echoräume, die auch und gerade im Museum durchbrochen werden sollten.
Ein Resonanzraum mit einer Menge offener Fragen
Auch der Workshop lässt sich als Resonanzraum bezeichnen. Zahlreiche Stimmen kamen zu Wort und traten in fruchtbaren Dialog. Merklich froh, nach einer langen Phase von pandemiebedingten Onlineworkshops endlich wieder vor Ort gemeinsam Ausstellungen zu besuchen und diskutieren zu können, war der Austausch der Workshopteilnehmer*innen rege und problemfokussiert: Während sich die Beiträge mehr den Potenzialen von Sound im Museum widmeten, stellten die Diskussionen nach den Beiträgen die Dilemmata und Desiderate in der kuratorischen Arbeit mit Sound in den Vordergrund. Wie kann eine Ausstellung partizipativ gestaltet werden, wenn ihre Besucher*innen individualisiert geleitet und/oder mit Kopfhörern am Ohr alleine durchs Museum wandern? Wie kann ich vermeintlich authentische historische Klangkulissen als rekonstruiert framen und gleichzeitig das persönliche Erleben und die subjektive sinnliche Erfahrung aufrechterhalten? Und welche Abstriche an historischer und wissenschaftlicher Genauigkeit sowie einer nüchtern, stillen Museumsatmosphäre, die nicht zuletzt die Nerven des Aufsichtspersonals schont, ist man für eine emotionalisierende und sinnliche Vermittlung von Inhalten bereit aufzugeben? Die Workshopgruppe diskutierte diese Fragen bis zum Ende der Veranstaltung – „schließende“ Antworten blieben aus. Es wurde deutlich, dass – um Beat Hächler sinngemäß zu zitieren – gerade in „neuen“ Formaten und Zugängen wie dem Einsatz von Sound im Museum, vieles „im Machen“ entstehen würde. Gerade diese „machende“, praktische Komponente fehlte im Workshop aber, weshalb mit großer Zustimmung in der Abschlussdiskussion eine Folgeveranstaltung mit Praxisfokus angedacht wurde.
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