Armut als Abbild

Bildinformationen

Angst, Verzweiflung, Unsicherheit

Kriege, Seuchen, Hungersnöte zwingen die Menschen vielfach, ihre Häuser zu verlassen. Arme werden ärmer und verlieren das wenige, das sie besitzen. Verzweifelt, ohne Zukunftsaussicht, bleibt ihnen oft nur mehr die Hoffnung auf Almosen. Bettler*innen bestimmen das Straßenbild. Erst die Kunst des 17. Jahrhunderts rückt den Bettler als Einzelfigur in den Fokus der Darstellung. Fahrendes Volk aus fernen Ländern ist oft wenig willkommen. Das Fremde verunsichert, schürt Ängste. Die Diskriminierung des Fremden existiert von jeher.

Fahrendes Volk - die ersten beiden Blätter der Serie

Die vierteilige Serie der Bohémiens ist eine der bekanntesten des lothringischen Künstlers Jacques Callot. Der Stecher konzipierte die Darstellungen als längliches Fries. Die Bodenlinien ziehen sich von einem Blatt zum anderen, sodass sie aneinandergefügt werden können. Die Kupferplatten haben sich im Musée Lorrain in Nancy erhalten.

Die ersten beiden Blätter zeigen scheinbar stumm Vorbeiziehende, die ihr Hab und Gut mit sich tragen. Töpfe, Pfannen, kleine Fässer, aber auch Waffen und viele Tiere wie Gänse, Hühner, Tauben oder Katzen sind zu erkennen. Auffallend ist die Kleidung mit weiten Umhängen und großen Hüten, die zum Teil mit Federn geschmückt sind. Zahlreiche Kinder sitzen auf den Wägen, den Pferden oder sie wandern daneben einher. Jede Person hat ihren eigenen Charakter. Callots genaue Beobachtungsgabe und sein Einfühlungsvermögen in verschiedene Bevölkerungsgruppen ermöglichen es, mit wenigen Strichen anonyme Menschen individuell wiederzugeben.

Im Hintergrund stehen immer wieder Dorfbewohner und betrachten den Zug argwöhnisch. Auch die beigefügten Texte verweisen auf die negative Sicht auf das fahrende Volk.

Die Bettler

Die Reihe der Bettler ist eine der berühmtesten Folgen Jacques Callots, in der er sich dem Alltag zuwandte und das Elend auf den Straßen und Plätzen in seiner Umgebung drastisch und ungeschönt wiedergibt. Nach einer prunkvollen Zeit in den Diensten der Medici war Callot 1621 aus Florenz in seine Heimatstadt Nancy zurückgekehrt und stieß dort auf die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges. Die Quellen berichten von großer Armut und zahlreichen Bettlern im Stadtbild.

Der Künstler stellt die Personen groß in den Vordergrund und rückt diese dadurch automatisch in den Mittelpunkt der Betrachtung. Jede Figur hat ihre eigene Geschichte. Könnten sie erzählen, würde viel Gewalt, Traumatisches und Trauriges zum Vorschein kommen. Sie wirken einsam, besitzen aber doch eine Art Stolz und Würde.

Die Wohlhabenden, die sonst nur verächtlich oder verstohlen auf diese Menschen der Randgesellschaft blickten, kauften sich diese Darstellungen – oft auch in Gemäldeform, wie zwei Schieferbilder der Alten Galerie bezeugen, die Kopien nach Callots Radierungen sind.

Fahrendes Volk - die letzten beiden Blätter der Serie

Die letzten beiden Blätter der vierteiligen Serie Les Bohémiens von Jacques Callot zeigen die Übers-Land-Ziehenden, nachdem sie sich an einem Platz niedergelassen haben. Auf Blatt drei werden sie plündernd und bettelnd wiedergegeben. Aus einer Scheune werden Tiere und Getreidesäcke gestohlen. Dorfbewohner versuchen, sie zu vertreiben und schlagen mit Knüppeln und langen Stangen auf sie ein. Wohlhabende lassen sich von den Frauen aus der Hand lesen und geben den Müttern mit Kleinkindern Almosen dafür.

Wo die Bohémiens ihr Lager aufgeschlagen haben, baut Callot ähnlich einem Dorfleben zahlreiche Alltagsszenen ein: Tiere werden geschlachtet, Hühner gerupft. Ein Festmahl wird vorbereitet. In der Blattmitte warten hungrige Kinder vor einem großen Kochtopf und aufgespießten Tieren über einem offenen Feuer. Im Vordergrund sucht eine Frau den Kopf eines Mannes nach Flöhen ab. Rechts davon spielen Männer mit Karten. Knapp dahinter findet gerade eine Geburt statt. Und am Rand des Lagers verrichtet ein Mann seine Notdurft.