14. Januar 2020 / Barbara Steiner
Die ganze Stadt – Bauwelt Kongress 2019
Neue Allianzen
Die Veranstaltung widmete sich Forderungen nach neuen Zentralitäten, diskutierte Strategien für den Umgang mit Superverdichtung, ging möglichen Verbindungen zwischen Peripherie und Zentrum nach, rückte Magistralen in die planerische Aufmerksamkeit, ohne soziale Gleichheit, die vitale Rolle von Nachbarschaften, Selbstversorgung und den Umgang mit Energien und Ressourcen aus den Augen zu verlieren. Deutlich wurde während der beiden Tage, dass es heute sehr schwierig geworden ist, Stadt zu planen, einfach weil die Vorstellungen und Erwartungen von Planenden, Politik, Kommunen, Immobilienwirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürgern sehr unterschiedlich ausfallen. Dies kam vor allem in den Vorträgen von Philipp Rode, Executive Director of LSE Cities, London, und Mike Josef, Planungsdezernent Frankfurt a. M., deutlich zum Ausdruck. Eine enorme wirtschaftliche Perforierung des öffentlichen Raums, neue mächtige Allianzen zwischen Kommunen, Fondsgesellschaften, privaten (mehr oder weniger) philanthropischen Stiftungen und Unternehmen sowie wechselseitige Abhängigkeiten machen die Situation nicht einfacher. Machtverteilungen, räumliche Gerechtigkeit und mögliche Aneignungen des öffentlichen Raums im Verständnis verschiedener Akteurinnen und Akteure stellen vor neue Herausforderungen und bedürfen neuer Allianzen.
„Top-down“ und „Bottom-up“
Beim Kongress zeigte sich, dass „Top-down“- und „Bottom-up“-Prozesse künftig verstärkt zusammen gedacht werden müssen: Auch wenn der Wunsch nach schnellerer Durch- und Umsetzung immer wieder auftauchte, wurde klar, dass die Zeiten autoritärer Planung in den meisten europäischen Ländern unwiederbringlich vorbei sind. Anregende Beispiele waren „Critical Care: Plädoyer für eine Stadt des Sorgetragens“, vorgestellt von Angelika Fitz (Architekturzentrum Wien) und „Public Space as Found – Vom Hof Vague zur Freien Mitte“ von StudioVlayStreeruwitz, ebenfalls Wien. Es zeigte sich, dass es transparent formulierte Rahmenbedingungen braucht, die Prozesse der Verständigung und Annäherung zwischen den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren möglich machen. Für eine Gesellschaft, die zwar vielgestaltig und mehrstimmig ist, aber dennoch Räume der Begegnung braucht.
Kunst und Stadtplanung
Mein Beitrag widmete sich partizipatorischen Kunstprojekten, die Stadtentwicklungsvorhaben begleiten. Im Unterschied zu den 1990er-Jahren sind Künstler/innen nun hellhöriger, wenn politische/ökonomische Interessen ins Spiel kommen. Die Sensibilisierung gegenüber potenziellen Einverleibungsversuchen künstlerischer Arbeit hat definitiv zugenommen. Künstler/innen setzen heute gezielt auf systemische Interventionen, suchen das direkte Gespräch mit Kommunen, Politik und Investoren und fordern klassische Planung auf verschiedenen Ebenen mit eigenen „Planungstools“ sehr kreativ heraus. Mitunter sehr erfolgreich, wie die Aktivitäten der PlanBude in Hamburg zeigen: Diese initiierte im Paloma-Viertel in Hamburg einen mehrjährig angelegten Bürger/innen-Beteiligungsprozess, der die Grundlage für den nachfolgenden städtebaulichen und hochbaulichen Wettbewerb bildete, also konkrete Effekte zeitigte.
Rotor Brüssel
Nach meinem Vortrag sprach Maarten Gielen von Rotor aus Brüssel. Wir bildeten sozusagen ein „Kapitel“ zum Thema Metabolismus, hier allgemein verstanden als „Umwandlung“, „Veränderung“. Rotor zeigt, dass Nachhaltigkeit beim Bauen möglich ist, und auch, wie überzeugend man Materialien recyclen kann. Forschen und Publizieren nehmen dabei einen ebenso wesentlichen Stellenwert ein wie das Bauen selbst. Den Abschluss unserer beiden Vorträge bildete eine Partnerdiskussion. Dabei kam die Frage auf, ob es naiv sei, an die Kraft zur (positiven) gesellschaftlichen Veränderung zu glauben, bedenkt man, dass Abhängigkeiten zwischen Kommunen und privaten Finanziers zugenommen haben und mächtige Player Richtlinien definieren, die das Gemeinwohl wenig bis gar nicht im Auge haben. Die beiden Tage betrachtend hatte ich den Eindruck, dass sich die Kräfte in einer Art prekären Balance halten, also zwischen jenen, die den Status quo fortschreiben wollen, und jenen, die sich eine Welt jenseits dessen, was ist, vorstellen können.
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