Die Erzählungen über die „Große Mutter“ und die „Große Göttin“
Mystisch und mythisch muten die Erzählungen über die „Große Mutter“ oder die „Große Göttin“ an. Sie gebar alles Leben und konnte zugleich in einer großen Umarmung den Tod bringen. Die Große Mutter herrschte über die Tiefe der Erde, den Himmel, die Fruchtbarkeit, das Leben und den Tod. Ihr zur Seite stand in manchen Kulturen der sogenannte „Herr der Tiere“: Diese gehörnte Gestalt stand für die männliche Zeugungskraft, für das Wachsen und Vergehen der Natur im Jahreskreislauf. Er musste immer sterben, um wieder auferstehen zu können.
Aus Kleinasien kommend wurde von den Griechen der Glaube an die Fruchtbarkeitsgöttin Kybele übernommen. Sie wurde zugleich als „Herrin der (wilden) Tiere“ verehrt. Begleitet wurde Kybele von Löwen und Panthern, die ihren Wagen zogen. Zudem streifte sie häufig umgeben von Musikanten, Verehrern und Priestern durch den Wald. Sie wohnte auf dem Berg Ida und wurde auch als Berg- und Naturgöttin sowie Erdenmutter verehrt.
Als Kybeles Geliebter Attis die Tochter des Königs von Pessinus heiraten wollte, störte sie rasend vor Eifersucht die Hochzeitsgesellschaft und strafte alle Feiernden mit Wahnsinn. Auch Attis wurde wahnsinnig, lief in den Wald, entmannte sich und verblutete. Als Kybele den toten Attis fand, bat sie Zeus, ihn wieder zum Leben zu erwecken. Doch der Göttervater gewährte nur, dass Attis’ Körper nie verwesen solle. Daraufhin bestattete Kybele Attis in einer Höhle, setzte eine aus Eunuchen bestehende Priesterschaft ein und stiftete einen Kult der Beweinung. Daraus entwickelte sich, ähnlich dem Mithraskult, ein im ganzen römischen Reich verbreiteter Mysterienkult.
Der Mythos der „Großen Mutter“ und der „Großen Göttin“ in der Forschung
Das Zeichen der Großen Mutter war der Mond, wobei der neue Mond als Jugendsymbol für sie als Mädchen stand. Der Vollmond galt als Bild der jungen, freien Frau auf dem Weg zur Mutterschaft. Der abnehmende Mond symbolisierte das Alter, die abnehmende Lebenskraft und den Abstieg zum Tod.
Es gibt die Annahme, dass in Gemeinschaften, in denen die Große Göttin in ihrer ursprünglichen Form verehrt wurde, die Frau angesehener war als der Mann. Die Herrschaft der Frau, das Matriarchat, könnte das einstige Regierungssystem gewesen sein. Die Königin galt als Vertreterin der „Göttin auf Erden“ und der Mann war der Vertreter des „Herrn der Tiere“, der in einer bestimmten Vollmondnacht von seinem Nachfolger getötet wurde. Dieser heiratete dann die Königin und fand nach einer Frist dasselbe Schicksal wie sein Vorgänger. Vor seinem rituellen Tod reichte ihm die Göttin einen Granatapfel als Versprechen der Unsterblichkeit in der Wiedergeburt.
Hinweise auf frühe Muttergöttinnen-Kulte liefern nicht nur Mythen, sondern wohl auch sogenannte Venusstatuetten aus der jüngeren Altsteinzeit, dem Jungpaläolithikum. Eines der berühmtesten Beispiele dafür ist die Venus von Willendorf aus Niederösterreich. Sie ist 25.000 Jahre alt, nur 11 cm groß, aus Kalkstein gefertigt und von sehr üppiger Gestalt. Zahlreiche solcher Frauenstatuetten aus der Späteiszeit bis in die Jungsteinzeit wurden in Europa gefunden. Sie werden einerseits als Fruchtbarkeitssymbole und andererseits als Darstellungen von Göttinnen gedeutet.
Objekte aus der Sammlung
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