Rückkehr der Götter

Die Wiederentdeckung der Antike

 

Nichts ist für die Kunst der Renaissance so typisch wie die Welt der antiken Götter und Helden. Italien ist der klassische Boden antiker Kultur. Funde römischer Statuen geraten zu Sensationen, Fürsten, Kleriker und Patrizier werden zu Sammlern. Auch im Norden hält die Renaissance ihren Einzug. Von dort reisen Scharen von Künstlern nach Italien, um sich dort zu vervollkommnen.

Wie nie zuvor vermittelt die Kunst komplexe Gedanken auf hohem intellektuellen Niveau. Dafür sind die antiken Figuren wie geschaffen. Je komplizierter der Gehalt eines Kunstwerks ist, desto mehr wird es geschätzt. Solch komplexe Programme geben beiden, Künstlern und Auftraggebern, Gelegenheit, die eigene Bildung und Kompetenz unter Beweis zu stellen. Besonderen Beifall finden erotische Szenen, sie schmeicheln dem Auge des Kenners. Häufig nimmt der Maler klassische Themen zum Anlass, um mit raffinierten Aktdarstellungen sein Können zu beweisen.

 

 

 

 

 

Bildinformationen

Kunstwerke im Überblick

Mars, Venus und Amor

Unter Kaiser Rudolf II. (1576–1612) wird der Habsburgerhof in Prag zu einem führenden Kunstzentrum der späten Renaissance. Hofmaler ist der Flame Bartholomäus Spranger. Sein Werk zeichnet eine Vorliebe für das Raffinierte aus, die maniera. Dieser verdankt die Epoche des Manierismus ihren Namen.

Die Vereinigung von Mars und Venus ist nicht nur ein Beispiel für mythische Erotik, sondern auch für die Ambivalenz der menschlichen Natur, die dennoch zu harmonischer Einheit findet. Harmonia heißt auch das Kind, das aus der Verbindung beider Götter hervorgeht. Dahinter verbirgt sich eine Allegorie auf den Frieden: Die Liebe siegt über den Krieg. Amor triumphiert über die Waffen des Mars. 

Hinter dem raffiniert in Szene gesetzten Liebesspiel von Mars und Venus verbirgt sich eine ernste Wahrheit, die den Zeitgenossen nur allzu bewusst war: Nicht Amor, sondern Mars regiert die Stunde. Um 1600 wird Europa von Glaubenskriegen und Machtkämpfen heimgesucht. Unter diesen Vorzeichen ist der hier gezeigte Triumph der Liebe nicht mehr als ein ferner Wunschtraum.

Venus, Bacchus und Ceres

Thema der Darstellung ist ein Wort des römischen Dichters Terenz: Sine Baccho et Cerere friget Venus – Ohne Bacchus und Ceres friert Venus. Venus sucht die Gesellschaft von Ceres, der Göttin der Feldfrüchte, und des Weingottes Bacchus. Denn der Liebesgenuss bedarf der irdischen Nahrung.

Die beiden Spranger-Gemälde in Graz gehörten zu einem Zyklus, der im Auftrag Rudolfs II. in Prag entstanden ist. Er handelt vom Wesen der Liebe, einem beliebten Gegenstand gelehrter Gespräche.

Glück und Unglück – Götter sind auch nur Menschen

Die Welt der klassischen Mythologie ist keine heile Welt. Unter den Göttern herrscht zuweilen erbitterte Feindschaft. Die Unsterblichen sind vieles, nur eines nicht: unfehlbar. Eifersucht und Wollust kennen sie ebenso wie Güte und Gnade. Es sind in Wahrheit irdische, nicht überirdische Eigenschaften, die das tägliche Wollen und Handeln der Götter bestimmen. Dem Künstler sind sie willkommene Darsteller für eine gelehrte Allegorie. Beschworen wird das antike Ideal des Goldenen Zeitalters, der Aetas aurea, eine Zeit unbeschwerten Friedens und mühelosen Lebensgenusses.

Die Unsterblichen vergnügen sich bei einem rauschenden Fest. Selbst Mars und Hercules haben ihre Waffen abgelegt, Saturn lässt seine todbringende Sense ruhen. Nur in Friedenszeiten können Künste und Handel blühen. Apoll, Gott der Künste, begleitet das Fest auf der Leier, Merkur, Schützer des Handels, spielt die Flöte dazu. Aber auch das schönste Fest ist bedroht, wie hier von Harpyien, geflügelten hässlichen Wesen, die alles mit ihrem Kot beschmutzen. So steht auch hier die Mahnung im Hintergrund, dass selbst der glücklichste Augenblick nur von kurzer Dauer ist.