Warum hängt das Gedicht eines Kriegstreibers und Anhängers der völkischen Bewegung am Eingang zum Rosegger-Geburtshaus? Warum wurde die Tafel nicht längst abgenommen?
Sie wurde – irgendwann in der Mitte des vorigen Jahrhunderts – nicht zu Ehren Kernstocks, sondern zu Ehren Roseggers angebracht. Sie ist Teil der Geschichte Roseggers, aber auch Teil unserer Geschichte.
Hier stellt sich nun die Frage, wie wir mit den dunklen, unrühmlichen Seiten unserer Geschichte umgehen sollen. Diese zu verschweigen, indem wir Objekte entfernen, die uns an furchtbare Zeiten, abzulehnendes Gedankengut oder gar die schlimmsten Verbrechen der Menschheit erinnern, ist nicht der Weg, wie Erinnerungskultur gelebt werden sollte. Eine kritische Auseinandersetzung gerade mit diesen Aspekten der Menschheitsgeschichte ist dringend notwendig, sie sollte nicht totgeschwiegen oder gar „entsorgt“ werden.
Wichtig dabei ist allerdings die Kontextualisierung der Objekte, die uns auf diese Vergangenheiten aufmerksam machen. So haben wir die Möglichkeit, Zusammenhänge sichtbar zu machen und zu erklären. Dafür müssen der Hintergrund der Objekte, deren Entstehungsgeschichte und Beziehung zur Umgebung wie auch der oder die jeweilige Erschaffer*in erklärt und zeitgemäß interpretiert werden.
Peter Rosegger hatte im Laufe seines langen Lebens und in seinem großen Bekanntenkreis immer wieder Kontakt zu Menschen mit Biografien, die heute als äußerst problematisch einzustufen sind. Das darf innerhalb des Rosegger-Diskurses nicht verschwinden oder gar totgeschwiegen werden.
Wir wollen nicht vergessen, dass es Menschen gab und immer geben wird, die sich nicht an ethische und moralische Werte halten. Diese Tatsache zu verleugnen, indem wir sie aus unserem sichtbaren Umfeld streichen, nicht mehr ansprechen oder diskutieren, macht die Geschichte nicht ungeschehen, aber lässt sie in Vergessenheit geraten.