Alfred Lenz
L201
24.06.-08.10.2021
Ort: Studenzen 99, 8322 Studenzen
Ausstellungsübersicht:
Neun Sonnen
Donnerstag, 24.06., und Freitag, 25.06.2021, jeweils 15-20 Uhr
In der ersten Ausstellung wird der Raum von Künstler*innen mehrerer Generationen bespielt. Die ausgewählten Arbeiten stellen auf unterschiedliche Weise Bezüge zum Ort her. Mit den Mitteln Malerei, Skulptur, Fotografie, Video und Klang entsteht ein Dialog mit der Umgebung.
Künstler*innen: Peter Pilz & Freddie Jellinek, Vasilena Gankovska, Marc Michael Moser, Christian F. Schiller, Alfredo Barsuglia, Anne Glassner, Marit Wolters, Alfred Lenz, zweintopf
Barbis Ruder, A – ein Dreikörper Problem
Freitag, 06.08., und Samstag, 07.08.2021, jeweils 15-20 Uhr
A ist ein Dreieck und eine dreiteilige Arbeit aus einem Instrument, Einschreibung und Ton von Barbis Ruder.
Architektur & Projektleitung: Philipp Reinsberg
Umsetzung: Helmuth Fahrner, Benedikt Schneider
Dank an: Christoph Muser (Statik)
Michael Heindl, Heavens Devils Afternoon
Donnerstag, 7.10., und Freitag, 8.10.2021, jeweils 15-20 Uhr
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Spannung zwischen sozialen und geschlechtlichen Rollenzuteilungen und dem individuellen Entscheidungspotential über die Art und Weise, diesen Rollen gerecht zu werden. In der filmisch festgehaltenen Aktion treffen zwei konträre Welten aufeinander. Es geht um die Möglichkeit, durch und mit den Mitteln des Alltäglichen gegen Konventionen aufzubegehren.
Alfred Lenz, Tiroler Zungenpritschler
Produktion im Herbst 2021; Veröffentlichung im Frühjahr 2022
Auf YouTube kursiert ein Video mit dem Titel „Tiroler Zungenpritschler“. Es handelt sich um eine TV Ausstrahlung aus dem Jahr 1982, des damals einzigen Fernsehsenders in Österreich, dem ORF. Das Video zeigt in einer horizontalen Kamerabewegung die Gesichter eines Männerchors. Die Sänger interpretieren ein altes russisches Volkslied mit dem Titel „Moskauer Nächte" auf eine äußerst ungewöhnliche Weise, indem sie während des Singens blitzschnelle auf und ab oder links nach rechts Bewegungen mit ihren Zungen ausführen.
Die konservativen und zugleich charakterlich außergewöhnlichen Sänger, gekleidet in graue Trachtenanzüge, schaffen durch ihre Performance eine sehr humorvolle Situation, obwohl das Lied selbst, in Moll, eine konträre Stimmung erzeugt. Anders als es der Titel vermuten lässt, handelt es sich nicht um einen Tiroler Chor, sondern um den Kirchberger Männergesangsverein. Das Video wurde unter verschiedenen Titeln im Internet Million mal gesehen und kursiert in unzähligen Remixen und sogar als Comic Version. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit das meistgesehene Dokument aus dieser Gemeinde.
Als Reenactment wird das Chorstück im Kunstraum L201 von einem Frauenchor gesungen, als Video produziert und im Jahr 2022, zum 40-jährigen Jubiläum, in seiner Ursprungsgemeinde der Öffentlichkeit präsentiert.
Studenzen, eine ungefähr 700 Einwohner*innen zählende ehemalige Gemeinde im Bezirk Südoststeiermark, ca. 30 km östlich von Graz, liegt an der Landstraße 201, über die heute der Großteil des Berufs- und Schnellverkehrs ‒ täglich ca. 22.000 Autos und Lkws ‒ führt.
Unmittelbar an dieser Straße liegt auf Nr. 99 das in den 1970er-Jahren den Bedürfnissen der Familie entsprechend gebaute Heimathaus von Alfred Lenz. Ein kleines Nebengebäude, ursprünglich vom Vater, einem Kleintierzüchter, als Vogelzuchthaus errichtet, wandelte der auf dem Gebiet der Elektronik, Physik und Mechanik kenntnisreiche Künstler 2007 nach dessen Tod gemeinsam mit Christian F. Schiller zu einem Tonstudio um. An diesem Ort der experimentellen Klanggestaltung entstehen fragile, in komplexer und doch einfacher Durchstrukturiertheit kinetische Soundskulpturen, die ihn als vibrierenden, sich erweiternden Raum öffnen. Das gegenüberliegende, an die Garage des Hauses angeschlossene landwirtschaftliche Lagerzelt neben dem Studio errichtete Lenz 2017, um ein größeres Kunstproduktionsfeld für sich und andere zu schaffen.
Dieser sukzessiven Erweiterung des Möglichkeitsraums folgt nun das Projekt L201:
Der bislang nicht als solcher wahrgenommene Ein- und Ausfahrtsraum auf die Landstraße in der Größe von 28 m² wird zum öffentlichen Raum hin geöffnet. Das nicht Beachtete, nicht Reflektierte, Orte, die nicht einmal als unbedeutend, weil nicht gesehen oder als solche erkannt werden, Übergänge interessieren Alfred Lenz. Eine leichte, mit Rollen mobil ausgestattete, semitransparente dreiflügelige Struktur stellt eine Verbindung zwischen dem Innen und Außen her. Diese die Grenzen von Architektur, Design, Nutzobjekt und Kunst überschreitende und in ihrer Konstruktion möglichst reduzierte Skulptur verunklärt bewusst jede Trennung von Privatem und Öffentlichem, Kunst und Leben und befragt sie gleichzeitig. Als durchlässige Kulisse erschließt sie sich als Kunstraum, Bühne, Theater oder Oper, fungiert als Erlebnishorizont für von Lenz eingeladene Künstler*innen aller Sparten im Dialog mit der unmittelbaren Umgebung. Alles kann für ihn immer mehreres sein, wird der Eindeutigkeit entzogen, um den Charakter des Vorläufigen und Wandelbaren als Idee des Möglichen in der ihr angedachten Vorschlagsidentität zu öffnen.
Als anthropologischer Ort, ausgezeichnet durch seine Geschichte und Identität, konfrontiert sich diese Fläche mit der Thematik des geschichtslosen Nicht-Ortes, einem Begriff, der auf Michel de Certeau und Marc Augé zurückgeht, angestoßen von Michel Foucaults Definition der Heterotopien, Orten für Menschen in Extremsituationen. Der hier gewählte relationale Ort mit eingeschriebener Familiengeschichte wird mittels der Neuschaffung des dynamischen Zwischenorts mit dem monofunktional genutzten Straßenraum in Verbindung gebracht.
Die seit dem 19. Jahrhundert etablierten Normen der neutralen und die Umgebung ausblendenden Kunstpräsentation in eigens eingerichteten Salons, Galerien, Museen sprengend, will Alfred Lenz Präsentationsform, Rezeption und den Kunstbegriff selbst ausloten, ausweiten. Dabei hinterfragt er nicht nur kunstimmanente, sondern auch wirtschafts- und gesellschaftspolitische Systeme.
Mit seiner Arbeit, die als Fenster durchlässig wird, als Einfassung Struktur verleiht, schafft er ein neues Gefäß, um Umgebung ihrer bisherigen Zuschreibung zu entheben, Verbindungen herzustellen, mithilfe des gesetzten Environments Teilnahme zu wecken. Es geht ihm, wie grundsätzlich in seiner Arbeit, um eine unmittelbare Verbundenheit mit allem Vorhandenen. Dabei wird die Umgebung zum Material der Kunst und als Mitakteur der gezeigten Werke involviert.
Dabei stellt das Haus und dessen Umgebung für Lenz „selbst ein Kunstwerk als reale, sich ständig verändernde Struktur an einem durch unser Gesellschaftssystem geprägten Ort“ dar.
Anstatt Umgebung auszublenden, eine Mauer zum Schutz vor Lärm und dem Geschehen im Außenraum zu errichten, geht Alfred Lenz also mit seiner Umgebung um, bezieht sie ein und öffnet damit einen weiteren Diskurs darüber, was Kunst sein, wie sie wahrgenommen und reflektiert werden kann. So werden auch in diesem Projekt sowohl inhaltliche als auch technische und ausführungserweiternde Querschnittsmaterien ausgelotet und erschlossen, vorhandene Strukturen befragt sowie aktuelle Fragen gemeinsamen oder differenzierten Bewusstseins des Zusammenlebens und gesellschaftlicher Relevanz künstlerisch auf mehreren vielschichtigen Ebenen aufgeworfen.
Elisabeth Fiedler
Weitere Ausstellungen
Do 24.06.
15:00-20:00
Neun Sonnen. Ausstellung im Kunstraum L201
Ausstellung, Eröffnung, Temporäre Installation> Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark
Ausstellung, Eröffnung, Temporäre Installation
> Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark
Fr 25.06.
15:00-20:00
Neun Sonnen. Ausstellung im Kunstraum L201
Ausstellung, Temporäre Installation> Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark
Ausstellung, Temporäre Installation
> Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark
Fr 06.08.
15:00-20:00
Barbis Ruder, A – Ein Dreikörper Problem. Ausstellung im Kunstraum L201
Ausstellung, Performance> Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark
Ausstellung, Performance
> Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark
Fr 08.10.
15:00-20:00
Michael Heindl, Heavens Devils Afternoons. Ausstellung im Kunstraum L201
Ausstellung, Temporäre Installation, Film> Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark
Ausstellung, Temporäre Installation, Film
> Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark
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