Foto einer Tanne, Details der Nadeln, Ober- und Unterseite

Tanne – zwei Farben der Zweige, Foto: UMJ/B. Russ-Panhofer

5. August 2021 / Bianca Russ-Panhofer

„Wer hätte nicht die Bäume lieb?“

Ausstellungen | Peter Rosegger

Von christlichen, musikalischen, zahmen und charakterlosen Bäumen im Werk Peter Roseggers.

Bäume sind etwas Besonderes. Sie sind nicht nur die größten, sondern auch die ältesten Lebewesen auf der Erde. Den Altersweltrekord hält die Fichte „Old Tjikko“ im schwedischen Dalarna. Ihr unterirdisches Wurzelsystem ist rund 9.550 Jahre alt. Ihr am höchsten aufragender, oberirdischer Teil hat ein Alter von etwa 383 Jahren. Der Küstenmammutbaum „Hyperion“ im Redwood-Nationalpark in Kalifornien ist mit einer Höhe von 115,55 m der größte Baum der Welt. Der mächtigste Baum ist der „General Sherman Tree“, ein Riesenmammutbaum mit einem Gesamtvolumen von etwa 1.490 Kubikmetern.

Das Bild zeigt die Fichte "Old Tjikko" im schwedischen Dalarna. Foto: Karl Brodowsky

Dalarna-Fichte, Old Tjikko, Foto: Karl Brodowsky – Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17496567

Diese Fakten sind wahrscheinlich nicht allgemein bekannt. Was aber mittlerweile alle wissen dürften: Bäume sind unsere grüne Lunge. Sie lassen uns reine Luft atmen. Ein Kubikmeter Holz kann eine Tonne CO2 binden. Buchen, Kastanien und Linden binden fast doppelt so viel CO2 wie die Fichte. Eine ca. 20 m hohe Fichte gibt pro Tag etwa 21.000 Liter Sauerstoff ab und versorgt damit rund 35 Menschen. Aktuell gibt es etwa drei Billionen Bäume, wie eine 2015 veröffentlichte Studie der Yale University zeigte. Das sind im Durchschnitt über 400 Bäume pro Mensch. Das klingt nach viel, aber tatsächlich haben wir es geschafft, die Zahl der Bäume auf unserem Planeten zu halbieren, mit drastisch sichtbaren Auswirkungen auf unser Klima und unsere Gesundheit.

Peter Rosegger bemerkte schon vor über 140 Jahren: „Heute geht es den Bäumen, wie den Menschen: in ihren schönsten Tagen müssen sie auf’s Schlachtfeld. Der heutige Wald muß fallen, bevor er reif ist, und das ist ein Mord, den die Menschen begehen – vielleicht an sich selber …“ In seinen Geschichten spricht er den Bäumen gerne menschliche Eigenschaften zu und sieht typische Charakteristika der Natur wie Kraft, Größe und Beständigkeit in ihnen vereint. Für den Dichter symbolisieren Bäume auch den menschlichen Lebenszyklus von der Geburt über das Erwachsenwerden bis zum Tod.

 

Peter Rosegger und seine Beschreibung der Bäume

Die Fichte sieht er als passionierte Bergsteigerin, die am Beginn ihres Wachstums eher langsam vorankommt. Der Schatten, in dem sie sich entfaltet, tut ihr gut. Ihr unterstellt er, dass sie sich „eigentlich auf den Adel hinausspielt. Ihre Gesinnungen aber weisen das nicht immer. Ihr körperliches Wohlbefinden geht ihr über Alles, dienen will sie stets praktischen Zwecken und fortwährend führt sie Klage über den Verfall ihres Geschlechtes.“

Foto einer Tanne, Details der Nadeln, Ober- und Unterseite

Tanne – zwei Farben der Zweige, Foto: UMJ/B. Russ-Panhofer

Die Königin unter den Nadelbäumen ist für ihn die Tanne, die „edlere Schwester“ der Fichte. Zwar ist sie „… ungefüg, knorrig, hat manchen unschönen Auswuchs und Kropf, hat wild verworrenes Geäste und eine breite, starrzackige Krone“, aber während die Fichte „feierliche Würde“ darstellt, zeigt die Tanne „trotzige Kraft“. „Trotz diesen rauhen, stolzen Aeußerlichkeiten ist die Tanne doch eine ideal angelegte, ja bisweilen sogar ein wenig schwärmerische Natur.“

Außerdem vereinte die Tanne die Eigenschaften christlich, steirisch und musikalisch in sich. Christlich aufgrund der Anordnung ihrer Zweige: „In alten Zeiten sollen ihre Zweige palmartig vom Stamme himmelwärts gewachsen sein. Seit jenem Tage aber, als Christus am Kreuze starb, wächst sie in Kreuzform. Jeder Ast und jeder Ast vom Aste, jeder Zweig und jeder Zweig vom Zweige ist ein Kreuz. […] Daher war die Edeltanne bei uns ursprünglich auch die Erkorene für den Christbaum. Sie, die sich selbst hat gekreuzigt, mochte vor Allem fähig und würdig sein, ihr junges Leben zu lassen und im Strahle der Weihnachtskerzen den Heiland zu verkünden.“

Musikalisch sei sie aufgrund der Klangeigenschaften ihres Holzes: „Kein Holz gibt so feine Resonanzböden, als wie das zarte schneeweiße Holz der Tanne, in ihm klingen die Volksweisen der Zither und die kunstreichen Töne der Cremoneser Geigen am besten.“

Und letztlich steirisch aufgrund ihrer Farben: „Gar anmuthsreich ist des Tannenstammes feine, silberig schimmernde Haut und das ewige Frisch seiner Zweige, die von oben herabgesehen grün, von unten hinauf weiß sind, wie Silberblick. Darum heißt es ja, die Tanne sei steirischen Stammes und Adels, denn sie trage die steirischen Landesfarben.“

Auch die Lärche hielt Rosegger für einen christlichen Baum, und er vertrat die Ansicht, sie sei der Lieblingsbaum der Gottesmutter. „Als man Marien nach des Herrn Geburt wieder mit dem Jungfrauenkranze schmückte, behielten alle Nadelhölzer jahraus, jahrein ihren grünen Kranz auf dem Haupte. Nur die Lärche sagte: Dir allein gebührt der ewige Kranz, denn du bist die Himmlische und wir sind die Irdischen! – und legt jedes Jahr zum Feste der Geburt Mariens ihr helles grün demuthsvoll zur Erde.“

Ihr hartes Holz hob er besonders hervor: „Ganz Venedig steht auf jenem Lärchenwalde, der einst die Höhen des Karstes beschattet hat. Und wenn die Paläste Venedigs über dem Wasser nicht verfallen, im Grunde stehen sie fest und die Pflöcke, […] sind bereits zu Stein geworden. […] auf seinem Schoße ruhen die schweren Stränge der Eisenbahn am sichersten, unter seiner Hut und Führung als Mastbaum gleiten die gewaltigsten Schiffe von Continent zu Continent.“ Nun steht Venedig natürlich nicht nur auf Lärchenpfählen, auch Eiche, Erle und Pappel wurde dafür verwendet. Aber das Lärchenholz wird durch den Kontakt mit Wasser noch härter. Untersuchungen haben gezeigt, dass einige der über 1.000 Jahre alten Pfähle inzwischen unter Wasser tatsächlich versteinert sind.

Blick auf die Altstadt von Venedig

Ansicht von Venedig, Foto: B. Russ-Panhofer

Die Kiefer bezeichnet Rosegger verglichen mit Tanne und Lärche als eher charakterlose Gesellin. Er beschreibt sie als einmal gerade, ein andermal krumm wachsend, beastet bis zum Boden oder beinahe ohne Äste bis zur Krone, welche die unterschiedlichsten Formen annehmen kann. „Sie steht, so lange sie lebt, zum Menschen scheinbar in keiner freundschaftlichen Beziehung. Sie bietet ihm kein rechtes Obdach, wie die Tanne und die Lärche, keinen kühlenden Schatten, wie die Fichte, sie erfreut das Auge nicht.“ Aber: „Die Kiefer ist eine noch größere Freundin des Lichtes als die Lärche. Nicht allein, daß sie allen düsteren, nebeligen Gegenden auszuweichen sucht, und nur im Glanze der lieben Sonne am besten gedeiht – mehr noch, sie durchfettet lebelang ihr Holz mit Harz, daß es dereinst in den langen Winternächten eine herrliche Kienspanleuchte gebe.“

 

Bäume in Roseggers literarischen Werken

Rosegger verwendete in seinen Geschichten immer wieder Bäume als physische Rückzugs- und auch Schutzorte für seine Protagonisten. Während in der Erzählung „Vom Urgroßvater, der auf der Tanne saß“ eine riesige Tanne im Wald ‒ auch „Türkentanne“ oder „graue Tanne“ genannt ‒ Roseggers Urgroßvater Schutz vor einem angreifenden Wolfsrudel bot, symbolisiert die Rotkiefer in „Der Judenbaum“ Toleranz und Kompromissbereitschaft. Hans Holler, Judenhasser und Dorfrichter, verfolgte einen flüchtenden Juden. Dieser rettete sich auf besagte Rotkiefer, die allein auf freiem Feld stand. Als jedoch Wölfe kamen, musste sich auch der Richter auf dem Baum in Sicherheit bringen. Ein einbrechendes Unwetter machte die Lage für die beiden Kontrahenten noch schlimmer. Der Richter rechnete jeden Augenblick damit, von dem über ihm sitzenden Juden in die Tiefe gestürzt und den Wölfen zum Fraß vorgeworfen zu werden. Darauf angesprochen, stellte der Jude dieses Vorhaben in Abrede, da er niemanden töten würde. Er bot dem Richter stattdessen Branntwein zu trinken an und Tücher, um sich vor den Elementen zu schützen. Als am nächsten Tag die Knechte kamen, um den vermissten Richter zu suchen, und dabei den Juden entdeckten und diesen sofort in Gewahrsam nehmen wollten, beschützte ihn der Richter und nahm ihn mit nach Hause, wo sich dieser erholen konnte. Das Angebot zu Konvertieren und sich so vor weiteren Verfolgungen zu schützen, schlug der Jude aus. Er wollte seinem Gott treu bleiben.

In „Der Kirschbaum“ und „Der Baumnarr“ werden der Bäume zu ästhetischen Symbolen mit anthropomorphen Zügen. Rosegger beschreibt seinen Lieblingsbaum, die Wildkirsche, als einen Baum, der sich dort ansiedelt, wo auch Menschen sich niederlassen, so als ob der Baum die Nähe der Menschen suchen würde. Für ihn gehört die Kirsche zu jenen Bäumen, die „zahm und freundlich zum Menschen stehen“.

 

Ein Waldschützer und Baumfreund

In beiden Geschichten gibt es auch einen engen Bezug zwischen dem Wachstumszyklus des Baumes und dem menschlichen Leben. In „Der Baumnarr“ lässt er den jungen Veit in einem leidenschaftlichen Plädoyer zum Verteidiger der Bäume und des Waldes gegenüber seinem Vater, dem alten Bauern Paulhuber, werden:

„Der Waldpflanzer ist zu verehren, mein lieber Vater! Und ein Mensch, der die Dinge anschauen gelernt hat, der muß den Wald lieben, er kann gar nicht anders, er muß ihn lieben. […] Weil der Wald so schön und weil er nützlich ist! Nützlich nicht erst, wenn er Holz giebt und Kohlen und gutes Geld, sondern schon, und zu allermeist, so lange er steht und das Wetter regelt, daß heute nicht die Dürre ist und morgen nicht die Ueberschwemmung. Daß nicht die Stürme wachsen, nicht die Winterfröste und nicht die Sommergluth, und daß nicht die Seuchen kommen, daß nicht die Berge in Lawinen niedergehen, da nicht das Erdreich verweht wird und verschwemmt und endlich der nackte Felsen daliegt, auf dem die Menschen nimmer leben können.“

Während Rosegger in dieser beispielhaften Erzählung Wald und Baum in ihrer Schutz- und Nutzfunktion erkennt, als wichtig erachtet und auch verteidigt, so waren ihm diese dann doch zuwider, wenn sie begannen, die Menschen zu verdrängen, ihre Heimstatt und die einst mühsam gerodeten Felder zu überwuchern.

 

„Ich liebe den herrlichen Wald,
Solang er den Menschen erfreut,
Den fleißigen Bauer beschützt,
Den Wohlstand des Landes erneut.
Doch lieb ich ihn nicht, sobald
Er den schaffenden Menschen vertreibt,
Dass einzig des Hauses Ruine
Und wildes Gjaid übrig bleibt.
Mit Schweiß ist die Scholle erkauft,
Der Mensch ist des Landes Herr,
Ich liebe den Wald recht sehr,
Doch lieb ich den Menschen noch mehr.“

 

Hier spricht der Autor von „Jakob der Letzte“, der in diesem 1888 entstandenen Werk die Vertreibung der Bauern von ihren Höfen der Waldheimat anprangert, die diese an reiche Herren aus der Stadt verkauften, um dann ins Tal zu ziehen, während die Stadtherren die Höfer verfallen ließen, um den Wald groß werden zu lassen, damit das Wild mehr Lebensraum erhielt und die Jagd für die Waldherren dadurch ergiebiger wurde.

Bäume versorgen uns nicht nur mit lebensnotwendigem Sauerstoff. Auch ihr Holz, etwa in Wohnräumen verbaut, hat positive Auswirkung auf unsere Gesundheit. So kann Holz zu einem besonderen Raumklima beitragen. Es sorgt für den Wärme- und Feuchtigkeitsausgleich, ist frei von Allergenen, setzt keine Luftschadstoffe frei und reduziert sogar Elektrosmog. Die im Holz enthaltenen Aromastoffe können zur Senkung von Puls und Blutdruck beitragen. Von der gesundheitlich positiven Wirkung des Holzes war auch Rosegger überzeugt. 1896 ließ er sich im Garten hinter seinem Sommerhaus ein Häuschen ganz aus Holz errichten. „In Krieglach baue ich mir jetzt ein kleines Blockhaus, weil die Erfahrung da ist, daß das Asthma, welches mich besonders im Frühsommer immer zu quälen pflegt, in einer hölzernen Schlafstube gelinder auftritt.“

Das Studierhäusl in Krieglach

Das Studierhäusl, Foto: F.J. Böhm/Multimediale Sammlung

Bäume begleiteten Peter Rosegger im Leben und im Tod. Am 26. Juni 1918 starb er in seinem Krieglacher Haus, dem heutigen Rosegger-Museum. Zwei Tage später trugen sechs Alpler Bauern den schlichten Sarg aus Lärchenholz mit den sterblichen Überresten des Dichters auf den Krieglacher Friedhof. Auf sein Grab wurden seinem letzten Wunsch entsprechend Fichten vom Alpl gepflanzt.

Friedhof, das Grab Roseggers

Ansichtskarte vom Rosegger-Grab, Foto: F. J. Böhm/ Rosegger-Museum

Das Rosegger-Museum zeigt noch bis 31.10.2022 die Ausstellung wald.heimat. Roseggers Traum und Wirklichkeit.

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