Mythos Rom
Das antike Fundament des barocken Staates
09.05.-04.10.2009 10:00-18:00
„Mythos Rom" gibt anhand von Gemälden, Grafiken, Skulpturen und Münzen Einblicke in das komplexe Zusammenspiel von antiken Traditionen und neuzeitlichen Machtstrukturen. Schloss Eggenberg und der gemeinsame kulturhistorisch-humanistische Fokus der dort beheimateten Sammlungen stehen im Zentrum dieser Sonderausstellung: Exponate aus Alter Galerie, Abteilung Schloss Eggenberg, Archäologie und Münzkabinett bilden die Basis dieser Auswahl, die durch kostbare Leihgaben anderer Museen und aus Privatbesitz ergänzt wird.
Römischer Held
In prunkvoller römischer Rüstung, den Kommandostab in der Rechten, präsentiert sich Erzherzog Matthias (1557 - 1619) als antiker Heerführer, begleitet von seinem Waffenträger. Der Lorbeerkranz weist ihn als stets siegreichen Feldherren aus. Stolz posiert er als Publius Cornelius Scipio d. Ä., der seine Vaterstadt gegen Karthago verteidigen und aus tödlicher Gefahr befreien half. Der wahre, von Tugenden geleitete Regent beweist aber nicht nur Tapferkeit, sondern auch Großmut, wie die Szene im Hintergrund zeigt: Hier gibt Scipio einem besiegten Feind dessen Braut zurück.
In der Rolle des Befreiers sah sich auch Matthias. Als zeitweiliger Statthalter der spanischen Niederlande (1577 - 1582) gelang ihm freilich nicht die Befriedung des vom Religionskonflikt zerrissenen Landes. Seine kurze Regierungszeit als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (1612 - 1619) sollte vom heraufziehenden Dreißigjährigen Krieg überschattet werden.
Bilder vergangener Größe
Roms Ruinen haben sein Bild in der Geschichte geprägt, sie zeugen von Macht und Größe ebenso wie von Vergänglichkeit und Verfall. Bis heute bestimmen sie die Erscheinung der Ewigen Stadt.
Eine ungeheure Faszination ging vor allem von dem gewaltigen „Flavischen Amphitheater" aus, das unter Vespasian und Titus entstand, eines der bedeutendsten Baudenkmäler der Antike. Eine einst benachbarte, später gestürzte Kolossalstatue des verhassten Tyrannen Nero verhalf ihm zu seinem heutigen Namen „Kolosseum". Auf Codazzis Bildern sind diese riesigen Bauten aber nicht nur einschüchternde Monumente, sondern auch Orte zwanglosen Alltagslebens. Nicht vergessen werden auch die ersten Touristen, die auf ihrer großen Bildungsreise, der „Grand Tour" staunend vor den Überresten einstiger Größe stehen.
Die Begeisterung für einstige antike Größe, die magnificenza, ist längst Teil der abendländischen Identität und damit auch der europäischen Kunstgeschichte. Generationen von Malern, vor allem im 17. und 18. Jahrhundert, haben die antiken Denkmäler in zahlreichen Gemälden festgehalten, so auch Viviano Codazzi, der sich in Rom auf Architekturbilder spezialisierte. Dabei kombinierte er exakte Schilderungen mit reizvollen Abweichungen vom tatsächlichen Zustand, Ausdruck künstlerischer Freiheit.

Auch der junge Prinz von Oranien schlüpft für dieses Bild in die „Traumrolle" eines antiken Feldherrn: Scipio Africanus, der als Sieger über Hannibal Rom vor der Zerstörung rettete, war sein ideales Vorbild. Noch ist er in dieser Pose nicht sehr überzeugend, in eleganter, fast tänzerischer Geste ruht die Hand auf dem Kommandostab. Doch der zum Sprung geduckte Wappenlöwe und der Lorbeerkranz des Siegers auf dem Helm sind eine zutreffende Prophezeiung. In seltener Koinzidenz verwandelt sich in diesem Fall Wunschvorstellung in Realität. Nur wenige Jahre später, 1672, verteidigt Wilhelm als Generalkapitän seine Heimat erfolgreich gegen den Angriff Ludwigs XIV. und seiner englischen und deutschen Verbündeten.
Solche Portraits historiés, Herrscherdarstellungen im Kostüm einer vorbildlichen Persönlichkeit aus Mythos oder Geschichte, waren ein beliebtes politisches Propagandainstrument der frühen Neuzeit. Sie trugen dazu bei, die Bevölkerung von den Fähigkeiten und Tugenden eines Regenten zu überzeugen.

Ein kleiner „Sonnenkönig"
Für dieses Huldigungsblatt, das dem Landeshauptmann von Krain, Johann Seyfried von Eggenberg, gewidmet ist, schlüpft der Fürst in eine große Rolle.
Im Kostüm eines römischen Imperators thront er vor einem Triumphbogen: „Omnia despicio - Ich sehe alles von oben" - steht über ihm. So wird der Fürst mit der wärmenden Sonne verglichen, die vom Himmel herab die Welt betrachtet. „Wie auch die Sonne die Welt nicht nur erleuchtet, sondern fördert, begrünt und belebt, so soll der Fürst die Untertanen mit seinem Glanz fördern und unterstützen" lehrte der wichtigste Staatstheoretiker der Zeit, Justus Lipsius.
Zum Hofstaat des vorbildlichen Regenten gehören hier die wichtigsten Tugendhelden, Minerva und Herkules. Weisheit und Stärke sind damit die Stützen seiner Herrschaft.

Wehrhafte Tugend
Nichts liebte die späte Renaissance so sehr wie den festlichen Aufzug in goldschimmernder Rüstung. Es waren buchstäbliche Prunkstücke, wie sie vor allem die Habsburger bei erstklassigen Kunsthandwerkern überall in Europa bestellten, so auch in Mailand. Sie dienten zur Repräsentation und nicht zum Kampf. Der so auftretende Regent erschien als wandelnde Idee seines Herrschertums, buchstäblich umstrahlt vom Glanz antiker Tugenden.
Hier sind es vor allem Helden der römischen Frühzeit, die für ihre Sache durch selbstlosen Einsatz ihres Lebens unter Missachtung der Gefahr einstehen: Horatius Cocles, der sich allein den angreifenden Galliern entgegenstellt, während seine Gefährten die rettende Brücke abbrechen und somit die Feinde von den Mauern Roms fernhalten, dann Marcus Curtius, der in voller Waffenrüstung in einen verpesteten Abgrund springt. Wiederum wird Rom aus tödlicher Gefahr befreit, um den Preis des Kostbarsten, das es zu bieten hat: ein von Tugend und Tapferkeit erfülltes Leben.

Vaterlandsliebe
Eine bewegende Episode aus der sagenhaften römischen Frühzeit: Gekränkter Stolz hat den Feldherrn Coriolanus in das Lager der feindlichen Volsker getrieben, deren Streitmacht er nun gegen seine Vaterstadt führt. Allein seinen Familienangehörigen, Gattin und Mutter, gelingt es, zusammen mit den beiden Kindern den zu allem Entschlossenem zum Abzug zu bewegen. Indem diese alles auf eine Karte setzen und der zum Todfeind gewordene Gatte sich umstimmen lässt, offenbaren sich innere Macht und Größe der Ewigen Stadt.
Das Gemälde, ein Paradebeispiel für die Emotionsregie eines versierten Barockkünstlers, setzt sowohl weiblicher Tapferkeit- die Familie begibt sich wehrlos ins feindliche Lager - als auch römischer Vaterlandsliebe ein eindrucksvolles Denkmal. Das entscheidende dramatische Moment besteht in der sicheren Wahl des entscheidenden Augenblicks, mit venezianischer Farbenpracht eindrucksvoll ins Bild gesetzt.

Stoischer Gleichmut
Maßvolle Lebensführung und Selbstbeherrschung im Unglück waren die Grundpfeiler der griechischen Philosophenschule der sog. Stoa, benannt nach der Athener Markthalle. Ihr wichtigster römischer Vertreter war Seneca, dessen einstiger Schüler, der berüchtigte Tyrann Nero ihn zum Selbstmord zwang. Mit größter Gelassenheit nahm Seneca den Tod auf sich, der Nachwelt ein Beispiel „stoischen" Gleichmuts gebend.
Im späten 16. Jahrhundert genoss der flämische Philologe und Historiker Justus Lipsius (1547 - 1606) größtes Ansehen als Herausgeber der Schriften Senecas und bedeutendster Vermittler der Stoa. Deren Hauptvertreter schmücken dann auch das von Theodoor Galle gestochene Titelkupfer: Zenon von Kition, Kleanthes, Seneca und Epiktet. Ihre Vorbilder aus Mythologie und Dichtung sind zwei Gestalten, die mit größter Duldsamkeit schwere Schicksalsschläge hinnahmen: Herkules und Odysseus. Ihr von Leiden wie Leistung gleichermaßen erfülltes Leben an gemahnte die Nachwelt an die Heilstat Christi.

Die Herrscher des Heiligen Römischen Reiches und ihre Münzen
Die Herrscher des Heiligen Römischen Reiches bezeichneten sich auf ihren Münzen als „von Gottes Gnaden Kaiser der Römer". Die Titulatur war im Mittelalter entwickelt worden und sollte zum Ausdruck bringen, dass ihre Herrschaft gottgewollt ist und im Heiligen Römischen Reich das untergegangene Reich der Römer wiedererstanden ist.
Eingebunden in diese Traditionen bediente sich auch die Grazer Münzprägung insbesondere seit dem 17. Jahrhundert einer Formensprache, die ihre Anleihen direkt aus der römischen Kaiserzeit empfängt. Die Hauptseite der Münzen nimmt das Porträt des Regenten im Herrscherornat ein. Das Haupt des Porträtierten bedeckt ab Leopold I. (1657-1705) eine langlockige Allongeperücke und trägt den Lorbeerkranz. In Rückbesinnung auf die römische Antike ist der Dargestellte damit als Semper Victor, als stets siegreicher Herrscher, charakterisiert.
Seit dem Jahr 1717 ist er überdies mit dem Mantel eines römischen Feldherrn, dem paludamentum imperatorium, bekleidet. Damit wollte man die Münzen - wie es in einer am 1. Juli 1717 herausgegebenen Instruktion heißt - „in etwelcher Observanz der Antiquität halten."

Katalog zur Ausstellung
Mythos Rom: Die vielfältigen Einflüsse antiker Traditionen auf das Staatswesen der frühen Neuzeit und das Herrschaftsverständnis des Hauses Habsburg stehen im Zentrum dieser Ausstellung.
Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit zahlreichen Abbildungen und Objektbeschreibungen, sowie Beiträgen von Christian Beaufort-Spontin, Ulrich Becker, Bernhard Hebert, Barbara Kaiser, Manuela Laubenberger, Karl Peitler, Barbara Porod und Karl Schütz.
Ausstellungsansichten:
Alte Galerie, Schloss Eggenberg
Eggenberger Allee 90
8020 Graz, Österreich
T +43-316/8017-9560
altegalerie@museum-joanneum.at
Öffnungszeiten
April bis Oktober Di-So, Feiertag 10 - 18 Uhr
1. November bis 17. Dezember nur mit Führung nach Voranmeldung
Zusätzliche Termine entnehmen Sie bitte dem Kalender.
Öffnungszeiten der Bibliothek
Di-Fr 10 - 12 Uhr und nachmittags gegen Voranmeldung
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