Zweintopf
Chasing Max Mustermann
03.09.-29.11.2015
Fragen nach dem öffentlichen Raum, seinem Wesen, Fragen danach, wodurch er sich ausweist, wem er gehört, von wem er wie genutzt wird, welche Bedeutung er hat, wo er sich befindet, beschäftigen nicht nur das Institut für Kunst im öffentlichen Raum, sondern sind von eminenter allgemeiner demokratiepolitischer Bedeutung.
In einzelnen Staaten unterschiedlich interpretiert ist öffentlicher Raum grundsätzlich jener, der frei zugänglich ist. Dazu zählen nicht nur öffentliche Verkehrs- und Grünflächen, die einer Gemeinde oder einer Körperschaft öffentlichen Rechts gehören, der öffentliche Raum erweitert sich auch auf virtueller Ebene über soziale oder andere digitale Netzwerke. Dass deren Nutzungsberechtigung, die durch Übereinkünfte oder Bewilligungen öffentlicher Ämter bestimmt wird, ist sich der Großteil der Bevölkerung oft nicht bewusst.
Dennoch sind die Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit verschwimmend. Während die Einvernahme des öffentlichen Raumes durch ökonomische Interessen und politische Willensbildung zunehmend über dessen Nutzung entscheidet, gibt es gleichermaßen Vorstöße und Verschiebungen in Richtung privater oder tatsächlich allgemeiner Verwendung bzw. Inanspruchnahme desselben Raumes. Zwischenbereichen, die nicht eindeutig kategorisierbar sind, kommt eine zusätzliche Bedeutung zu.
Das Künstlerduo Zweintopf beschäftigt sich seit Jahren mit diesen Thematiken und legt mit seinem Projekt Chasing Max Mustermann den dritten und finalen Teil einer kuratierten Reihe dar.
Mit Imagineering wählten sie im Jahr 2009 Shoppingwelten als Performance-Räume, innerhalb derer sie die Konstruktion von Scheinöffentlichkeit untersuchten. Sie entlarvten scheinbar öffentliche Zugänglichkeit und Verfügbarkeit, indem sie 16 KünstlerInnen, ArchitektInnen und Kollektive einluden, ohne Erlaubnis einer Shoppingcenterleitung künstlerisch tätig zu werden. Fragen zu Stadtentwicklung, Imagebildung, Konsum, der Verödung gewachsener Stadtzentren oder der gesellschaftlichen Relevanz und Veränderung durch die Einführung von Shopping Malls wurden innerhalb dieses Projektes untersucht. Subversiv und jenes Konsumverhalten verunsichernd, das nicht mehr notwendige Dinge, sondern Gefühlswelten erstrebt, wurde in den damals existierenden Einkaufszentren der und um die Stadt Graz, im Murpark, in Seiersberg und im Citypark mit künstlerischen Mitteln befragt.
2012 widmeten sich Zweintopf mit 13 anderen KünstlerInnen in Verkehrsräumen und Parkhausarchitekturen, dem Problem des städtischen Individualverkehrs und damit einer Facette urbaner Planungsstrategien und deren Auswirkungen. In transitorischen Räumen von Graz wurden die Fragen Was bedeutet Mobilität für den öffentlichen Raum, wo gibt es Reibungsflächen mit anderen Nutzungen, wo Brachen und Problemzonen und wie könnten wir mit der Monofunktionalität, die Verkehrs- und Parkflächen für sich einfordern, umgehen? unter dem Titel PARK & PRIDE/ (NO) STANDING ANYTIME mit künstlerischen Mitteln und Strategien untersucht und bearbeitet.
Mit dem diesjährigen Projekt mit dem Titel Chasing Max Mustermann hinterfragen 16 KünstlerInnen Grenzen und Schnittstellen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, die immer wieder neu ausgelotet, deren Dehnbarkeit untersucht werden muss.
Entsprechend diesen oft ungewissen Grenzen wird keine Dauerhaftigkeit von Kunstwerken angestrebt. Temporär wird interventionistisch agiert, um die Fragilität des Dazwischen zu verdeutlichen. Damit wird einerseits Öffentlichkeit in Frage gestellt, andererseits wird sie stabilisiert und in ihrem demokratisch verstandenen Wert durch neue Zugänglichkeiten betont.
Anonymität und Zuschreibung innerhalb unserer Gesellschaft sind Themen, die im Titel deutlich angesprochen werden. Max Mustermann, das deutsche Synonym einer fiktiven Durchschnittsperson, die imaginär bleibt und keinerlei Individualität in sich trägt ist Gleichschaltungsprogramm ohne Differenzierung. Mit Chasing Max Mustermann, also einem Nacheifern dieses Normativs werden jene gesellschaftspolitischen Mechanismen angesprochen, die notwendige Diversitäten oder Polyvalenzen innerhalb demokratischer Systeme einfachen Kategorisierungen gegenüberstellen.
Folglich wird auch kein spezifisches Publikum angesprochen, es wird nicht adressiert, sondern mittels ephemerer Aktionen stellen sich Irritationen ein, die das einheitliche Geflecht normierter Bedingungen fraglich erscheinen lassen und bewusst perforieren.
Elisabeth Fiedler
mit: Brad Downey, Eva Engelbert & Christian Hoffelner, Anne Glassner, Reinhard Gupfinger, Andreas Heller, Katharina Lackner & Sam Bunn, Wolfgang Lehrner, Michail Michailov, Tomáš Moravec, Erwin Polanc, We are visual, Roswitha Weingrill, zweintopf
Eröffnung
Donnerstag, 03.09.2015, 19 Uhr
Ort
Ehemalige "Designhalle", Lazarettgürtel 62
Linie 39/50, Station Lazarettgürtel
8020 Graz
Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark
Marienplatz 1/1
8020 Graz, Österreich
T +43-316/8017-9265
kioer@museum-joanneum.at