zweintopf et.al.

(No) standing anytime, 2012

14.09.-23.09.2012



Interventionen zu Mobilität und öffentlicher Raum

 

„Da gibt es einen Bus, der fährt quer durch die Stadt zu einem Parkhaus mit rund 200 Parkplätzen. Es ist ein wirklich schönes, neues Parkhaus mit architektonischen Qualitäten inmitten einer durchaus idyllischen Pferdekoppel, aber eben ohne nennenswerten öffentlichen Anschluss, weshalb dieser Bus auch an die 20 Mal am Tag fahren muss. Meist fährt er menschenleer.“

 

So oder so ähnlich ließe sich eine Beobachtung formulieren, die am Ende zur fixen Idee wurde: sich näher mit Verkehrsräumen und Parkhausarchitekturen auseinanderzusetzen und mit den Problemen, die der Individualverkehr für das städtische Leben mit sich bringt. Fölling als Phänomen ließ uns erstmalig genauer über die Verkehrspolitik und ihre Feigenblätter nachdenken und führte zu einem nicht enden wollenden Interesse an jenen großzügigen Flächen innerhalb der städtischen Landschaft, die zwar nicht dem Fahren dienen, die aber fürs Stehenbleiben freigehalten werden müssen.

 

Der Individualverkehr hat die Stadt Graz und ihre Bevölkerung fest im Griff. Immer noch scheint fast alles auf das Auto ausgerichtet, gibt es kaum eine vergleichbare, technische Erfindung, die sich ihre Umgebung derart Untertan gemacht hat: Den größten Teil dessen, was wir öffentlichen Raum nennen, asphaltieren wir für unsere Autos, konsumieren wir im Vorbeifahren – von den Enklaven für Fußgängerinnen und Fußgänger in den konsum- und touristengerechten Zonen einmal abgesehen. Als stets mobile Individualistinnen und Individualisten bringen uns nur Stau oder Parkplatznot auf einen gemeinsamen Nenner. Sicher: Die Fahrt zum Arbeitsplatz empfinden wir als notwendiges Übel, aber die Strecke „hinaus“ in die Natur nehmen wir doch alle gerne in Kauf.

 

Nach Jahren der Diskussionen rund um blaue Zonen, grüne Zonen, Umweltzonen, Feinstaubhunderter oder Citymaut, günstige Nahverkehrstickets oder den Ausbau von Radwegen, fahren ungebremst immer noch tagtäglich 110.000 Autos durch das Stadtgebiet – pendeln sich und ihre Lenkerinnen bzw. Lenker zwischen Arbeitsplatz, Wohnung und Bedürfnisbefriedigung ein. Dass Fahrzeuge dabei hauptsächlich „Stehzeuge“ sind, die geduldig auf ihren kurzen Einsatz warten, prägt das Bild vom öffentlichen Raum seit Jahrzehnten nachhaltig: Wenn sich Passantinnen und Passanten entlang der verparkten Straßen auf schmalen Steigen wiederfinden, wenn städtische Plätze weniger dem Flanieren als dem Parkieren dienen oder die Einsparung auch nur einzelner Parkplätze einen Aufstand der Anrainerinnen und Anrainer auslöst, der noch wochenlang die Leserbriefseiten der einschlägigen Medien überschwemmt. Im Gegenzug dienen schicke Parkgaragen und teure Park&Ride-Anlagen als groteske Vorzeigeprojekte auf dem politisch heißen Pflaster rund um Verkehrsberuhigung und Feinstaubprobleme. Nirgends scheinen der Einzelne, die Einzelne so aufgebracht, wie wenn es um die Beschränkung ihrer automobilen Freiheit geht. Von umfassenden Lösungen ist daher tunlichst abzuraten, denn selbst wenn sie effektiv sind – beliebt macht man sich damit nicht, auch in Hinblick auf anstehende Wahlen.

 

Was also bedeutet Mobilität für den öffentlichen Raum, wo gibt es Reibungsflächen mit anderen Nutzungen, wo Brachen und Problemzonen? Und wie könnten wir mit der Monofunktionalität, die Verkehrs- und Parkflächen für sich einfordern, in Zukunft umgehen?


Mit der Beteiligung von 13 weiteren Kunstschaffenden hat sich das vorab grob definierte Betätigungsfeld während des Tuns und Denkens weiterentwickelt – von konkreten Räumen im Grazer Alltag zu einer fundierten Beschäftigung mit dem Thema Mobilität. Das unter dem Arbeitstitel PARK&PRIDE entwickelte Vorhaben verdichtete sich am Ende zur Ausstellung (NO) STANDING ANYTIME.

Alle Arbeiten wurden von den Künstlerinnen und Künstlern für diese Thematik neu konzipiert – und sie könnten vielfältiger nicht sein: Was direkt vor Ort im öffentlichen Raum entstanden ist, war unangemeldet und flüchtig und lebt in Form einer Dokumentation weiter – nur so lässt sich beispielsweise innerhalb des reglementierten Systems eines Parkhauses überhaupt intervenieren. Andere Arbeiten nutzen die Verkehrsräume als Fundus für Materialien, die sie verarbeiten oder als Inspirationsquelle für verschiedenartige Phänomene und Fragen, die sie in ihren Fotografien, Skulpturen, Zeichnungen und Malereien verhandeln.

 

Im ungewöhnlichen Setting einer ehemaligen Autoreparaturwerkstatt an der Grazer Peripherie wurden all diese Arbeiten schließlich zusammengeführt und für ein Publikum zugänglich gemacht, waren die Künstlerinnen und Künstler doch in jenen „anderen Räumen“ tätig, deren profane Zwecke sie, wie Michel Foucault es definierte, zumeist gegen eine allgemeine, städtische Wahrnehmung imprägnieren – über die Arbeiten in der Ausstellung und den dazugehörigen Katalog lassen sie uns an ihren Erfahrungen mit diesen Orten teilhaben.

 

zweintopf

 

 

Mit Arbeiten von: Ovidiu Anton, Catrin Bolt, Cäcilia Brown, Martin Grabner, Marlene Hausegger, Michael Heindl, Katrin Hornek, Leopold Kessler, Michail Michailov, Wendelin Pressl, Isa Riedl, Maruša Sagadin, Veronika Tzekova, zweintopf

 

Idee, Organisation und Gestaltung: zweintopf (Eva Pichler und Gerhard Pichler) 

 

Eröffnung: Donnerstag, 13.09.2012, 19 Uhr

    

Treffpunkt: ehemalige Autowerkstatt, Lazarettgürtel 60 – gegenüber des EKZ Citypark    

Jeweils von Dienstag bis Sonntag, 13 bis 20 Uhr geöffnet

  

Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark

Marienplatz 1/1
8020 Graz, Österreich
T +43-316/8017-9265
kioer@museum-joanneum.at

 

www.zweintopf.net

 

 

ehemalige Autowerkstatt

Lazarettgürtel 60

8020 Graz

 

 

Katalog

(NO) STANDING ANYTIME  – Interventionen zu Mobilität und öffentlicher Raum, hrsg. von zweintopf, Eigenverlag 2012 
Bestellungen: schneckenpost@zweintopf.net