Jedem von uns ist die Darstellung der Geburt Christi in der alten Kunst geläufig. Allerdings hat das Motiv seit seinem ersten Auftreten im frühen Christentum viele Varianten erfahren. Die wichtigsten Bildelemente – das Kind in der Krippe, Maria und Josef, der Ochs und der Esel, die Hirten und die Magier – sind im Laufe der Jahrhunderte immer wieder abgewandelt und zu neuen Bildformen weiterentwickelt worden. Eines der innigsten Weihnachtsbilder ist das im späten Mittelalter gestaltete Geburtsbild, das auf die heilige Birgitta von Schweden zurückgeht. Mit dieser Vision der Schmerzlosen Geburt Christi veränderte sich die Geburtsikonografie in der abendländischen Kunst nachhaltig.
Die heilige Birgitta wurde um 1302/03 in der Provinz Uppland als Angehörige des schwedischen Hochadels geboren. Nach dem Tod ihres Gatten erfuhr sie die Berufung zur „Braut und Mittlerin Christi“ und gründete einen eigenen monastischen Doppelorden mit Sitz in Vadstena. Sie selbst trat allerdings nicht dem Orden bei. Einflussreiche geistliche Beichtväter und Berater standen Birgitta zur Seite und dokumentierten ihr prophetisches Leben. Im Jahr 1350 zog sie nach Rom, wo sie sich die Rückführung des Papstes aus dem Exil in Avignon und die päpstliche Anerkennung ihrer Ordensgründung zur Aufgabe machte. Ihre adelige Abstammung verhalf ihr schnell zu hohem Ansehen und großer Bekanntheit. Ihre beiden großen Vorhaben gelangen aber nur bedingt: Der Papst kehrte bloß vorübergehend nach Rom zurück und die eigene Ordensregel für ihre Klostergründung wurde nicht approbiert. Während einer Pilgerreise in das Heilige Land in den Jahren 1371 bis 1373 erfuhr sie zwei ihrer berühmtesten Visionen: jene von der Kreuzigung Christi und eben diese von der Geburt des Jesuskindes. Kurz nach ihrer Rückkehr verstarb sie 1373 in Rom. Unter dem Titel Revelationes Celestes (Die himmlischen Offenbarungen) hat ihr spanischer Beichtvater Alfonso von Jaén alle Offenbarungen kompiliert und handschriftlich bald nach dem Tod Birgittas in den Umlauf gebracht; in gedruckter Form erschienen die Revelationes erstmals zwischen 1475 und 1480 in lateinischer und deutscher Sprache. Nach ihrer Heiligsprechung 1391 galt Birgitta wegen ihrer nordischen Abstammung und ihrer Stellung als Frau lange Zeit als umstrittene Heilige der römischen Kirche.
Die in Bethlehem empfangene Vision von der Schmerzlosen Geburt Christi ist wohl die bekannteste von den insgesamt circa 700 Offenbarungen. Unmittelbar danach sind im Raum Neapel, dem Zielhafen bei Birgittas Rückkehr aus dem Heiligen Land, bereits die ersten bildhaften Darstellungen entstanden. Sie halten sich streng an den Visionsbericht und schildern die Geburt des Christuskindes als einen schmerzlosen, eher spirituellen denn natürlichen Vorgang. Der neue ikonografische Typus verbreitete sich rasch in den Norden, zuerst in der Buchmalerei, ab 1400 auch in der Tafelmalerei.