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Ein Feuerwehrmann als stiller Betrachter soll an die Novemberpogrome erinnern

Graz, am 07.11.2023

 

Im Rahmen des Projekts Remember Me, welches durch die Agentur für Bildung und Internationalisierung (OeAD) initiiert und finanziert wurde, lud das Graz Museum elf Schüler*innen der HTL Ortweinschule/Abteilung Bildhauerei Objektdesign Restaurierung ein, sich intensiv mit der Ausstellung Jüdisches Leben in Graz auseinanderzusetzen und mit Betreuung der Lehrenden individuelle Denkmäler für konkrete Orte des jüdischen Lebens in Graz zu entwickeln.

Eine dieser Installationen, die Bronzefigur eines Feuerwehrmanns, der an die Novemberpogrome im Jahr 1938 erinnert, als in der Nacht von 9. auf 10. November die Grazer Synagoge nach einem Anschlag vollkommen niederbrannte, wird nun vor der Synagoge eröffnet. Das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark ist für die Realisierung der Skulptur verantwortlich. 

Jakob Bock (Lehrer Ortweinschule), Kathrin Lauppert-Scholz (Kulturvermittlung Granatapfel), Martin Hörl (Abteilungsvorstand Ortweinschule), Jasmin Haselsteiner-Scharner (KiöR), Peter Roskaric (Künstler), Günter Riegler (Stadtrat), Elie Rosen (Präsident Jüdische Gemeinde Graz), Sibylle Dienesch (Graz Museum), Josef Schrammel (kaufmännischer Direktor UMJ), v.l., Foto: Universalmuseum Joanneum / J.J.Kucek

Ein Denkmal der anderen Art

Mit viel Engagement und Einfühlungsvermögen erstellt, entstanden im Rahmen des Projektes neue und ungewohnte Blickwinkel auf das jüdische Leben in Graz und wertvolle Beiträge lokaler Erinnerungskultur. Dabei entwickelten die jungen Künstler*innen vielfältige und innovative Arbeiten, die von einem Video und der Gestaltung eines realen Brettspiels über Installationen und Sticker im öffentlichen Raum bis zu architektonischen Formationen reichten. Bei sämtlichen Arbeiten wurde ein neuer Denkmalbegriff jenseits des klassischen Sockel-Figur-Monuments auf kreative Weise ausgelotet und erprobt. Als Präsentationsort der Arbeiten, die als Modelle und Fotomontagen visualisiert wurden, wählte man das Foyer von Jüdisches Leben in Graz, womit man den Schüler*innen einen konkreten Ort zur Aufstellung und damit einen gelungenen Auftakt in die Ausstellung bot. Eine dieser Installationen wird nun tatsächlich im öffentlichen Stadtraum verwirklicht.

 

Schon 2013 realisierte das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark die 2021 erneuerte Installation Lauftext der Künstlerin Catrin Bolt, die sich mit den Ausschreitungen der Novemberpogrome im Jahr 1938 auseinandersetzt. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannte die Grazer Synagoge nach einem Anschlag vollkommen nieder, Jüdinnen und Juden wurden misshandelt und deportiert, ihre Wohnungen geplündert. Einem zeitgenössischen Bericht des Oberrabbiners David Herzog folgend, brachte die Künstlerin dessen Schilderungen als Buchstaben entlang jener Straße in Richtung Synagoge auf, die er von SS-Männern entlang getrieben wurde.

 

Der Feuerwehrmann

Mit der Installation der Feuerwehrmannfigur von Peter Roskaric (* 2004) erhält die Stadt Graz nun ein zweites Mahnmal, das sich mit diesen ersten massiven öffentlichen Übergriffen auf die jüdische Bevölkerung auseinandersetzt und einen wesentlichen Beitrag zur lokalen Erinnerungskultur leistet. Auch diese Arbeit fordert in zeitgemäßer Sprache nicht Repräsentation und monumentale Überhöhung, sondern die Betrachter*innen zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Inhalt auf.

 

Der nur 44 cm große Bronzeguss eines Feuerwehrmanns, gekleidet in der zeitgenössischen Uniform der 1920er-/30er-Jahre, steht stramm und unbeteiligt auf einem Verkehrsmasten gegenüber der Synagoge. Eigentlich ein Synonym für Hilfsbereitschaft, beobachteten die Feuerwehrleute in der Nacht der Pogrome den Synagogenbrand tatenlos und verhinderten nur das Übergreifen des Feuers auf nahe liegende Gebäude. Zurückgenommen und beinahe unscheinbar legt der Feuerwehrmann mahnend Zeugnis über die Ereignisse jener Nacht ab und erinnert stumm an die Gräuel des Nationalsozialismus.

 

 

Die 44 cm große Bronzefigur blickt auf die Grazer Synagoge - als Erinnerung an die Novemberpogrome. Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Am 7. November 2023 wurde die Bronzeskulptur des Feuerwehrmanns vor der Synagoge Graz eröffnet. Die Verantwortlichen und Beteiligten nehmen in ihren Wortspenden nicht nur Bezug auf das Gedenken an die Novemberpogrome, sondern auch auf das aktuelle Blutvergießen.

 

„Der Angriff der Hamas auf Jüdinnen und Juden Anfang Oktober stellte das schlimmste Massaker dieser Art seit dem Zweiten Weltkrieg dar. Antisemitismus ist allerdings kein Phänomen, mit dem wir erst seit dem 20. Jahrhundert konfrontiert sind. Diskriminierung und Gewalt gegen die jüdische Gemeinschaft reicht Tausende Jahre zurück. Die Geschichte zeigt eine systematische Verfolgung. Heute sehen wir uns neuen Erscheinungsformen von Antisemitismus ausgesetzt, die zunächst fassungslos machen, denen entschieden entgegengetreten werden muss und die keinesfalls relativiert werden dürfen. Als Museums- und Bildungseinrichtung ist es auch unsere Verantwortung, die Geschichte aufzuarbeiten, in den Kontext zu stellen, Aufklärungsarbeit zu leisten und so zu einem friedlichen Zusammenleben beizutragen. Bereits im Jahr 2013 hat das Institut für Kunst im öffentlichen Raum eine Installation umgesetzt, die sich mit den Ausschreitungen der Novemberpogrome im Jahr 1938 auseinandersetzt. Bei diesen Vorfällen wurde die Grazer Synagoge nach einem Anschlag vollständig zerstört, Jüdinnen und Juden misshandelt und deportiert. Das Kunstwerk Der Feuerwehrmann von Peter Roskaric ist ein weiteres Mahnmal gegen das Vergessen und ein wichtiges Statement gegen jede Form des Antisemitismus, besonders in angespannten Zeiten wie diesen.“ – Marko Mele und Josef Schrammel, Geschäftsführer des Universalmuseums Joanneum

 

„Der Feuerwehrmann steht symbolisch dafür, dass Menschen zuschauen, wenn Mitbürger*innen Unrecht geschieht, wenn Staaten aus den Fugen geraten und wenn nicht Stellung bezogen wird. Erinnern ohne Reflexion der Gegenwart ist wertlos. Wir sind als Gesellschaft gefordert, Stellung zu beziehen. Denn in manchen Fällen gibt es keine bequeme Mitte, es gibt nur Schwarz oder Weiß. Die Mitte hat vielfach nichts mit der Realität zu tun. Wir müssen den Feuerwehrmann in unsere Realität holen und das, wofür er steht, verinnerlichen.“ – Elie Rosen, Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz

 

„Erinnern orientiert sich an den jeweiligen Gesellschaften und verändert sich auch mit zeitlichem Abstand. Die gegenwärtige Erinnerungskultur soll Bewusstsein schaffen für die eigene zivilgesellschaftliche Verantwortlichkeit: Hätte man sich – in der Nacht der Novemberpogrome – anders verhalten können? Welche Handlungsräume gibt es? Wie kann ich mich heute anders verhalten? Diese Fragen wirft der Feuerwehrmann als stiller Betrachter auf.“ – Sibylle Dienesch, Leiterin Graz Museum

 

„Es ist wichtig, dass so viele Institutionen an einem Strang ziehen und diese Figur im öffentlichen Raum verwirklichen konnten. Kunst im öffentlichen Raum muss auch eine Kunst des öffentlichen Interesses sein. Eine Auseinandersetzung mit den Inhalten ist hier umso wichtiger. Das Bekenntnis, ein Erinnerungszeichen im öffentlichen Raum aufzustellen, ist ein ganz bezeichnendes für das Erinnern einer Gesellschaft. Um den Feuerwehrmann zu finden, muss man sich doch etwas bemühen, er spielt sich nicht hervor. Er kommt ganz fein und ruhig daher und wartet darauf, entdeckt zu werden.“ – Jasmin Haselsteiner-Scharner, Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark

 

„In diesen Tagen ist Solidarität wichtiger denn je. Die Figur des Feuerwehrmanns ist in ihrer Zartheit auch ein Ankerpunkt, um für die Jüdische Gemeinde da zu sein. Gerade jetzt nach dem 7. Oktober sind wir dazu aufgerufen, uns solidarisch zu zeigen. Es ist unsere Aufgabe, zu erzählen, darzustellen und in Erinnerung zu rufen.“ – Günter Riegler, Kulturstadtrat Graz

 

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Peter Roskaric
Der Feuerwehrmann 

Ort: vor der Synagoge Graz, David-Herzog-Platz 1, 8010 Graz

www.kiör.at

 

Bildmaterial zum Download finden Sie unter: Der Feuerwehrmann 

 

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Mit herzlichen Grüßen

 

 

Daniela Teuschler
+43/664/8017-9214, daniela.teuschler@museum-joanneum.at

Stephanie Liebmann
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