Vom Plumpsklo bis zur Sanitäranlage als Statussymbol

Kalaharigelb, Moosgrün und Bahamabeige

2. Mai 2025, Lisa Witschnig

Das Museumsforum Steiermark und die Kunst- und Kulturvermittlung am Universalmuseum Joanneum Graz haben dieses Mal im Rahmen des Formats „Was erzählst du: Steiermark? Pipifein“ zum Erzählcafé ins Kleine Sanitärmuseum Leibnitz eingeladen.

Das stille Örtchen in Kindheitserinnerungen

Bei strahlendem Sonnenschein eröffnete Albert Gramer, Vermittler am Universalmuseum Joanneum, mit dem ansonsten nicht so salonfähigen Thema des stillen Örtchens in Verbindung mit Kindheitserinnerungen die Veranstaltung und fragte: „Welches Klo hatten Sie damals als Kind zur Verfügung?“

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Der Opa war’s

Plumpsklos, Latrinen und Toiletten mit Wasserspülung – über viele Varianten von Orten, an die auch der Kaiser zu Fuß hingeht, wurde sogleich erzählt. Eine Teilnehmerin schilderte ihre Erinnerungen an Sommeraufenthalte bei Onkel Heinrich und Tante Gretl in der Südsteiermark, die ein Plumpsklo hatten. Sie war als Kind sonst mit einem Klo mit Wasserspülung vertraut. „Es hat uns zutiefst fasziniert, dass es so was gibt, wo man einfach auch da runterschauen kann und Zeitungspapier verwendet.“ Ein anderer merkte an: „Es hat immer was zu Lesen geb’n, oder?!“ Alle lachten. Von der Erinnerung an ein spartanisches Leben eines Aussteigers mit Häuschen im Wald ohne fließendes Wasser und mit Plumpsklo ohne Dach hin zum Leben am Bauernhof – eine weitere Besucherin erinnerte sich: „Die ersten fünf Lebensjahre bin ich auf einem Bauernhof aufgewachsen, das Baden ist mir da in Erinnerung geblieben, wir haben kein fließendes Warmwasser gehabt.“  Sie hat einige Geschwister, das bedeutete, dass „wir zu viert alle in die Badewanne gesetzt wurden. Das war für uns sehr lustig, für [unsere] Mutti wahrscheinlich net so“. Eine logistische Entscheidung der Mutter, die nicht so viel Warmwasser aufstellen konnte.

 

Die Stichworte Sammelgruben und Wasserversorgung durch stillgelegte Brunnen sorgten für Diskussionsstoff, da wurde es dann schon sehr technisch und wir haben viel gelernt. Das Ärgernis, dass in den 1960er-Jahren in Arnfels nach Beschluss der Gemeinde für die Umstellung auf ein Ortswasserversorgungsnetz alle Brunnen zugeschüttet werden mussten und damit auch die Bewohner*innen der Gemeinde zur Kassa gebeten wurden, konnte aufgeklärt werden; das hatte nämlich auch einen hygienischen Aspekt: Legionellen, die im hohen Maße antibiotikaresistent sind und lebensbedrohlich sein können, wandern bei Stillstand des Wassers und noch lieber vermehrt bei warmen Umgebungstemperaturen nicht nur in Fließrichtung, sondern auch retour! Bei Mischinstallationen besteht die Gefahr, dass die Ortswasserversorgung deswegen verkeimt, daher muss dieses Netzwerk strikt getrennt werden von Brunnenanlagen, damit Infektionskrankheiten wie die so genannte Legionärskrankheit verhindert werden können. Frau Starchel warnte, dass mehr Menschen an Legionellen sterben als durch Unfälle im Straßenverkehr. Da schau her! Es folgten Handlungsanweisungen, um diese Gefahr (auch im Urlaub) zu bannen.

Ursula Starchel, ehemalige Haustechnikplanerin und Tochter der Haas Installations GmbH-Dynastie, erzählte von ihrem Vater, der als Fachmann auf diesem Gebiet nach der Installation einer neuen Heizungsanlage, die immer wieder störanfällig war, einfach nicht die Ursache des Problems herausfinden konnte. Was hat diese Geschichte nun mit Hygiene und Körperkult zu tun? Nach gründlicher Investigation stellte sich heraus: Der Opa war’s! Er wohnte an der tiefsten Stelle im Haus und hatte im Untergeschoss immer wieder das warme Wasser der Anlage zum Auswaschen seines Nachttopfs abgezapft. Dadurch gab es einen zu geringen Druck in der Heizungsanlage und somit funktionierte sie nicht einwandfrei.

Fortschrittliche Dinge wie Wickelauflagen auf Männer-WCs, Frauenpissoirs, Unisextoiletten und supermoderne Hygiene-WCs wurden ebenso diskutiert.

Farbenprächtige Botschaften und Statussymbole in WC-Anlagen

Eine Besucherin merkte an, dass Klos auch als Orte der Kommunikation fungieren. Beim gemeinsamen Nachdenken wurde diese Art von Kurznachrichten auch als das Facebook von damals bezeichnet. Ein schöner Vergleich – der analoge Charakter macht die Nachrichten meist beständiger als digitale, die vermutlich schneller wieder in Vergessenheit geraten als verewigte gesellschaftskritische Sprüche, lustiges Gekritzel oder „geheime“ Liebesbotschaften in Toiletten, denkt man an diverse dekorativ gestaltete Toiletteninnenräume öffentlicher WC-Anlagen.

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Fliesen im Wandel der Zeit

Außer eine Generalsanierung steht an, dann wurde und wird meist gleich der gesamte sanitäre Bereich samt WC erneuert. Blieb dieser erhalten, erkennt man heute noch oft an den farbigen Fliesen das Jahrzehnt, in dem umgestaltet wurde, und es zeigt rückblickend die verschiedenen Geschmäcker der jeweiligen Zeit.

Fr. Starchel erzählte:  Heutzutage werden Sanitäranlagen zu 95 % in Weiß gestaltet, am ehesten wird noch Manhattangrau gewählt, für die Fliesen des Badezimmers und des WCs. In den 1960er-, 70er- und 80er-Jahren waren Kalaharigelb, Moosgrün und Bahamabeige in Mode. „Es hot olles gebn, do host den Nochborn einizahn kennen und sogn kennen: schau wos i hob!“ Die Devise lautete: Farbig solls sein! Das zeigte: „Der hat’s!“ Bunt gestaltete Ausstattungen von Sanitäranlagen galten als Statussymbol und waren der letzte Schrei.

À votre santé!

Am Ende wurde noch die Detailfrage diskutiert, warum man in unseren Breitengraden oft zwei unterschiedliche Varianten von Toiletten vorfindet. Ich teilte mit, dass ein Bekannter aus Frankreich, der in Graz ein Auslandsjahr verbrachte, einfach kein Verständnis für Toilettendesigns hatte, in denen man seine Hinterlassenschaften anschauen kann. Fr. Starchel nahm sich kein Blatt vor den Mund und bestätigte „Der Stuhl gibt Auskunft über die Gesundheit.“ Bei einem so genannten Flachspüler kann man besser beurteilen, wie es um die Gesundheit steht. Zusammenfassend sind nicht nur Botschaften auf der Ebene der Kommunikation an Toiletteninnenwänden, sondern sprichwörtlich auch solche in der Toilette ein wichtiger Gesundheitszustandsmarker. Daher findet man Flachspüler vor allem in Krankenhäusern. Zum Wohl! Oder wie man auf Französisch sagt: À votre santé!

Auf lasst uns brechen und auf den Weg machen

Roland Haas führte nach dem Erzählcafé die interessierten Besucher*innen durch das erste Geschoss und das Untergeschoss, erzählte von der Geschichte des Sanitärwesens und kommentierte die große und qualitätsvolle Sammlung an Objekten, nicht nur für das kleine und große Geschäft. Herr Haas berichtete von der Berufsgruppe der Urinwäscher, die mit dem u. a. in Urin enthaltenen Ammoniak die Wäsche stampften und wieder weißwuschen. Er erzählte über die Römer, sie hatten eine sehr hoch entwickelte Badekultur. In den Diokletiansthermen, eine Thermenanlage des antiken Roms, konnten bis zu 3.000 Menschen baden. Mit dem Untergang des Römischen Reiches ging auch viel Wissen über Hygiene und sanitäre Anlagen verloren.

In späteren Zeiten, als Ludwig XIV. Liselotte von der Pfalz (1652–1722) angeblich auf einen Urlaubsaufenthalt einlud, antwortete sie ihm: „Solange Paris so verschissen ist und die Straßen voller Exkremente, solange werde ich Paris nicht betreten!“, so erzählt Fr. Haas senior zuvor. Es lag so viel Morast auf den Straßen, dass oft sogar die vorderen Haustüren nicht mehr zu öffnen waren. Es galt, diesem Problem Einhalt zu gebieten, und so entstand der Beruf der sogenannten Abtriebanbieter*innen (Männer für Männer und Frauen für Frauen): Sie hatten eine Ausrüstung mit Kübel, die über die Schulter getragen wurde, um den Transport zu erleichtern, und trugen einen Umgang, der zugleich als Vorhang für die Person diente, die im Menschengemenge die Notdurft verrichtete. Ein solches Modell einer Abtriebanbieterin ist im Museum zu sehen. Ein Besuch im Kleinen Sanitärmuseum wird wärmstens empfohlen! Der Besuch ist ausschließlich gegen Voranmeldung möglich.

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Das Thema geht alle etwas an

Ruth Haas erzählte, dass sie in der Schule immer wieder aufgezogen wurde: „Gö, des is dei Mutter und dei Vater, die a Scheißhausmuseum habn. Ich habe es gehasst als Jugendliche. Warum müssen grod meine Eltern so ein makabres Thema haben?“, hat sie sich gedacht. Der Vati bestärkte sie und meinte: „Wos täten die Gastronomen, wenn sie kein Wasser und kein Häusl hätten?“ Die Zeiten haben sich geändert. Sie ist stolz auf das Museum und gibt auch Führungen durchs Museum.

 

Durch den Austausch über Klogeschichten, sanitäre Anlagen, die Zeitreise von Latrinen zu den modernen Sanitäranlagen und das gemeinsame Bestaunen der vielfältigen historischen Objekte des Sanitärwesens wurde allen wieder bewusst, wie bedeutend das Fachgebiet der Hygiene für die Erhaltung des Gemeinwohls und des Wohlstandes ist und dass damit auch Infektionskrankheiten vermieden werden. Wissen über Hygiene und Körperkultur sollte nicht verloren gehen, wie mit dem Untergang des Römischen Reiches. Das Bewahren dieses Museums und die Vermittlung des Wissens über die Welt der Hygiene ist für zukünftige Generationen deswegen von großer Bedeutung.

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