Universalmuseum Joanneum GmbH

Intervention "Unheimlich heimisch" im Trachtensaal eröffnet neue Blickwinkel auf fünf Wegen

 

Unheimlich heimisch. Wege zum Trachtensaal

Volkskundemuseum, Paulustorgasse 11-13a, 8010 Graz

Bis 29. Mai 2016

 

Weiter Informationen sowie umfangreiches Bildmaterial zur Ausstellung finden Sie unter folgendem Link: Unheimlich heimisch

Am 15. April wurde die Intervention Unheimlich heimisch. Wege zum Trachtensaal vorgestellt, die aus einer Kooperation des Instituts für Volkskunde und Kulturanthropologie (Karl-Franzens-Universität Graz) mit dem Volkskundemuseum hervorging und sich intensiv mit der historischen Präsentation des Trachtensaals auseinandersetzt. Im Zentrum stehen die ambivalenten Erfahrungsweisen des Ausstellungsraums sowie der darin gezeigten Museumsfigurinen und Trachten. Erstmals kam es somit zu einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem einzigen in seiner Originalaufstellung erhaltenen Trachtensaal. Das im Rahmen eines Projektseminars entstandene Buch Unheimlich heimisch. Kulturwissenschaftliche BeTRACHTungen zur volkskundlich-musealen Inszenierung diente als Basis für die Intervention.

Ausstellungsansicht "Unheimlich heimisch", 2016,

Foto: Universalmuseum Joanneum

Unbekanntes Terrain erforscht

Im historischen Trachtensaal des Volkskundemuseums werden traditionelle Kleidungsstücke seit jeher auf hölzernen Figurinen präsentiert. Diese lebensgroßen Skulpturen und „Mannequins“ standen dabei immer im Hintergrund, sie wirken sich jedoch erheblich auf die Stimmung des Raumes aus und polarisieren. Manche Besucher/innen empfinden sie als befremdlich oder gar gruselig. In Zusammenarbeit mit dem Volkskundemuseum erforschte eine Projektgruppe des Instituts für Volkskunde und Kulturanthropologie der Karl-Franzens-Universität Graz im Forschungsschwerpunkt „Kultur- und Deutungsgeschichte Europas“ unter der Leitung von Katharina Eisch-Angus die ambivalente Spannung zwischen dem „Heimischen“ der Tracht und den „unheimlichen“ Anmutungen der hölzernen Skulpturen. „Besonders interessant war, dass der Trachtensaal des Volkskundemuseums der einzige in der Originalaufstellung erhaltene ist und bis jetzt fast keine Forschung dazu betrieben wurde. Zu dem Thema ist auch keine Literatur vorhanden. Wir haben uns also auf unbekanntes Terrain begeben und unglaublich viele neue, spannende Erkenntnisse gewonnen. Diese spiegeln sich in der Intervention wider“, meinte Projektleiterin Eisch-Angus bei der Eröffnung.

 

Auf der Grundlage dieser Forschungen und unterstützt von Erika Thümmel nahm die Projektgruppe das Präsentationskonzept des Saales als „Museum im Museum“ wörtlich und gestaltete fünf ironische sowie subjektive „Führungslinien“ durch den Trachtensaal. Die verschiedenfärbigen Schnittmuster ziehen diese fünf Wege durch den Trachtensaal und führen die Besucher/innen von Station zu Station: Vom „Irrweg“ durch populäre Irrtümer zum Trachtensaal über den „Tabuweg“, den „Historischen Weg“, den „Holzweg“ für Kinder bis hin zum „Gruselweg“ entdecken Besucherinnen und Besucher auf humorvolle Weise das verborgene Leben der Trachtenfigurinen und lernen neue, überraschende Seiten der vom bekannten Grazer Bildhauer Alexander Silveri (1910–1986) geschaffenen Skulpturen kennen.

Ausstellungsansicht "Unheimlich heimisch", 2016,

Foto: Universalmuseum Joanneum

Der Trachtensaal neu beTRACHTet

Im Rahmen des Forschungsprojekts verfassten Studierende und Fachleute aus der Kulturwissenschaft und dem Museum 14 Essays, die im 268 Seiten umfassenden Buch Unheimlich heimisch. Kulturwissenschaftliche BeTRACHTungen zur volkskundlich-musealen Inszenierung versammelt wurden. Der reich illustrierte Essayband lüftet die Geheimnisse des Trachtensaals im Volkskundemuseum darüber hinaus fotografisch, mit zahlreichen künstlerischen Beiträgen und Archivdokumenten. Neben dem Versuch, die Botschaften und Aussagen der Inszenierung „Trachtensaal“ quer zu lesen und in ihren kulturgeschichtlichen Kontexten zu verstehen, werden darin auch tagesaktuelle Themen wie etwa das Trachtenspektakel „Aufsteirern“ oder die Auseinandersetzung syrischer Asylwerber mit Heimat- und Identitätsverlust angesprochen.

 

Auf diese Weise wird im Trachtensaal nicht nur erstmals diese museale Inszenierungsform erforscht: Ausgehend von Sigmund Freuds Aussage „Das Unheimliche ist das ehemals Heimische, Altvertraute“ nehmen die Autorinnen und Autoren die unheimliche Wirkung der Figurinen ernst; im Spannungsfeld von Volkskunde und Kunst werden die Sehnsüchte und Ideologien der Entstehungszeit beleuchtet und heutige Fragen von Angst, Identitätssuche und dem Umgang mit der eigenen, „heimischen“ Kultur aufgeworfen.

 

Wir freuen uns über Ihre Berichterstattung und stehen bei Rückfragen sehr gerne zur Verfügung.

 

Herzliche Grüße

Anna Fras