Der mysteriöse Fund
1967 wurde in Unterpremstätten ein weiblicher Porträtkopf von exzellenter Bildhauerarbeit aus weißem Marmor gefunden. Der damalige Landesarchäologe Walter Modrijan erwarb den Kopf um 7.000 Schilling für das Landesmuseum Joanneum. Relativ bald war klar, dass es sich aufgrund der hohen Qualität – die durch ein Gutachten des Kunsthistorischen Museums Wien festgestellt wurde ‒ nicht um ein einheimisches Erzeugnis handeln konnte. Im Jahr 1969 veröffentlichte Walter Modrijan in der archäologischen Zeitschrift des Universalmuseums Joanneum „Schild von Steier“ einen ersten Bericht mit einer Abbildung als „Kopf vom Kaiserwald“. Bereits 1960 jedoch war der Kopf in einem Buch über die römische Porträtplastik der Kyrenaika (Nordafrika) als „im Krieg verschollen“ publiziert worden. 1973 gelang es dem deutschen Archäologen Klaus Fittschen, den von Modrijan 1969 vorgelegten Kopf mit dem verschollenen Kopf aus Apollonia in Libyen gleichzusetzen. Das Porträt einer jungen Frau entstand zwischen 175 und 190 n. Chr. in Apollonia (Susah, Libyen) und wurde dort in der östlichen Basilika gefunden.
Herkunft und Rückgabe
Seit 2009 betreibt die Abteilung Archäologie & Münzkabinett aktiv die Aufklärung des Sachverhaltes. In jahrelanger Recherche bereitete die Archäologin Barbara Porod gemeinsam mit der Verantwortlichen für Restitution und Provenienzforschung am Joanneum, Karin Leitner-Ruhe, die Rückgabe nach Libyen vor. Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte sich der Frauenkopf nachweislich im Museum von Apollonia in Libyen befunden. Die rechtliche Prüfung des Landes Steiermark ergab, dass der Frauenkopf zwar im Eigentum des Landes Steiermark steht, jedoch keine Hinweise darüber vorliegen, dass der im Kaiserwald gefundene Porträtkopf unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zwischen 1941 und 1943 außer Landes gebracht wurde.
Auf der Grundlage dieser rechtlichen Expertise fasste die Kommission zur Rückgabe und Verwertung von Kunstgegenständen und Kulturgütern, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ihren Eigentümer*innen entzogen worden sind, in ihrer Sitzung am1. Juli 2020 den Beschluss, dass es sich bei diesem antiken Frauenkopf, der sogenannten „Faustina“, nicht um einen Restitutionsfall im Sinne des entsprechenden Landesverfassungsgesetzes handelt. Gleichzeitig empfahl die Kommission die Schenkung an den völkerrechtlich anerkannten Staat Libyen. Dem diesbezüglichen Antrag von Landesrat Christopher Drexler an die Steiermärkische Landesregierung wurde im Jänner 2021 stattgegeben, sodass der Kopf nun am 4. März 2021 in der Botschaft des Staates Libyen in Wien an den Botschafter Jalal Alashi übergeben werden konnte. Im Schenkungsvertrag, der bei der Übergabe unterzeichnet wurde, ist festgehalten, dass der Staat Libyen für eine den international geltenden Museumsstandards entsprechende Erhaltung des Objekts zu sorgen hat. Ebenso ist die sogenannte „Faustina“ der Öffentlichkeit – präferiert in einem Museum –zugänglich zu machen und mit einem Hinweis zu versehen, dass es sich um eine Schenkung des Landes Steiermark handelt. Die öffentliche Zugänglichkeit muss auch für Forschungs- und Studienzwecke gewährleistet sein.
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