„Partizipation als wesentlicher Bestandteil der Kunst von Martin Walde wird in unterschiedlicher Form angeboten. An einem Ort wie dem Universalmuseum Joanneum, das unterschiedliche Wissenssparten versammelt, erscheint seine Zugangsweise höchst plausibel zu sein. Martin Walde gelingt es in seinem Werk allgemein und in dieser Ausstellung im Speziellen, einen Zugang zu wesentlichen Aspekten der Welterkenntnis und Realitätserfahrung zu geben. Die dabei möglicherweise entstehende Verwirrtheit und Verunsicherung soll dem Publikum die Möglichkeit zum unkonventionellen und weiterführenden Denken in Bezug auf bekannte bzw. bekannt erscheinende Tatsachen an die Hand geben – den Zweifel als kreatives Szenario zur erweiterten Weltsicht“, so Kurator Günther Holler-Schuster zur Ausstellung.
Von Wechselwirkungen verschiedener Disziplinen
Kunstwerke verändern bekanntlich ihre Bedeutungs- und Funktionszusammenhänge im Laufe der Zeit. Das trifft besonders auf jene zu, die sich mit der Zeit bzw. mit Entwicklungsphasen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, in dem sie entstanden sind, beschäftigen. Waldes Praxis positioniert sich zwischen Kunst und Forschung, Kunst und Wissenschaft bzw. ist sie ein Versuch, den Narrativen der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Visualisierung nachzuspüren. Forschungsergebnisse sind Momentaufnahmen und entwickeln sich üblicherweise weiter ‒ und somit auch die Kunst, die sich darauf bezieht.
Seit dem Beginn der Neuzeit (Leonardo da Vinci) steht die Kunst (Malerei) in enger Beziehung zur Wissenschaft. Mit den Erfindungen diverser Apparate (Mikroskop, Teleskop, etc.) konnten Wissenschaftler zunehmend mehr sehen als Künstler (Maler) mit freiem Auge. Damit ging zunächst eine Trennung der beiden einher. Vermehrt kam es jedoch bis zum heutigen Tag auch zum Einsatz derselben Technologieansätze in Kunst und Wissenschaft sowie zu einem Methodenaustausch. Sowohl der direkte Einsatz von Technologie als auch die Erfahrung der Vielfalt an wissenschaftlicher Visualisierung ermöglicht eine neue Form der Verwissenschaftlichung von Kunst. Bewegungen wie „Researched-based Art“, „Science-Art“, „Bioart“ oder „Robot-Art“ sind aktuelle Ausformungen dieser Entwicklung.
Auf der Suche nach Fehlstellen, blinden Flecken und Grauzonen
Martin Waldes Kunst setzt nur wenige avancierte Technologien direkt ein, vielmehr nützt der Künstler visuelle Strukturen aus der Wissenschaft, verbindet diese mit Formen des künstlerischen Darstellens und spinnt Forschungsergebnisse teilweise subjektiv weiter bzw. fragt nach den Fehlstellen, Irrtümern und Ungenauigkeiten. Im wissenschaftlichen Experiment ergeben sich blinde Flecken, Grauzonen des Wissens, die zu Spekulationen Anlass geben können. Das betrifft die Naturwissenschaften ebenso wie beispielsweise die Geschichtswissenschaften. Wie hat es wann wo ausgesehen, welche Bedingungen haben zu welchen Zeiten welche Wirkungen erzielt? Wie kann man Organismen rekonstruieren, über die es eine nur rudimentäre Faktenlage gibt? Wie haben unterschiedliche politische oder soziale Dynamiken Veränderungen an verschiedenen Orten bewirkt und wie haben sich diese geäußert? Wie kann man Zeit jenseits der Linearität aufzeichnen, wie bildet sich Historizität ab? Welche Schlüsse zieht dabei die jeweilige wissenschaftliche Sparte und welche Bilder entstehen dabei bzw. wie verändert sich dadurch unsere Realität? All das sind Fragen, denen in Martin Waldes Werk nachgegangen werden kann. Man wird sich als Publikum hier mit rationalen Fakten genauso konfrontiert sehen wie mit subjektiven Narrationen. Welche Konsequenzen werden aus welcher Faktenlage gezogen? Diese Frage stellt man sich in der Wissenschaft genauso wie innerhalb der Kunst.