Forschende, Institutionen und Wissenschaftspolitik
Betrachtet man die Lebensläufe der österreichischen Prähistoriker, Archäologen und Althistoriker jener Jahre, wird man biografische Gegensätze erkennen. Man findet Persönlichkeiten, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten aus ihren Positionen gedrängt, ihres Dienstes enthoben oder zur Emigration in das Ausland gezwungen wurden, gleichzeitig wird man auf Wissenschaftler stoßen, die trotz ihrer rassistischen/antisemitischen Weltanschauung bzw. ihres starken Engagements für das NS-Regime von der Nachkriegsgesellschaft mit Preisen und Ehrungen ausgezeichnet wurden.
Neben Einzelpersonen wie Kurt Willvonseder (1903–1968), der durch seine verschiedenen Funktionen als einer, wenn nicht sogar der einflussreichste Prähistoriker in Österreich während des „Dritten Reiches“ gelten darf, oder Walter Schmid (1875–1951), der über den Zeitraum von fünf politischen Systemen – Monarchie, Erste Republik, Ständestaat, „Drittes Reich“ und Zweite Republik – in der Steiermark als Landesarchäologe wirkte, werden im Tagungsband auch Institutionen und Organisationen wie die Akademie der Wissenschaften, das Österreichische Archäologische Institut oder die Vorläuferorganisation des heutigen Bundesdenkmalamts in den Mittelpunkt gerückt.
Darüber hinaus wartet der Band mit Überblicksdarstellungen zu den einzelnen Bundesländern bzw. Reichsgauen auf. Beispielhaft genannt sei hier die Studie von Daniel Modl zur ideologisch-politischen Vereinnahmung der Archäologie im Reichsgau Steiermark und CdZ-Gebiet Untersteiermark, in der die missbräuchliche Verwendung der Archäologie für Ideologie und Propaganda der Nationalsozialisten in der Steiermark und im nordöstlichen Slowenien in der NS-Zeit behandelt wird.
Eingeleitet und abgeschlossen wird das Buch durch Beiträge, die über Österreich hinausgehen. Einem Überblick über die Wissenschaftspolitik im „Dritten Reich“ mit Schwerpunkt auf den Geisteswissenschaften folgt eine neue Deutung des berüchtigten „Ahnenerbes“ der SS als eines rassistischen Netzwerkprojekts, das ein die Staatsgrenzen ignorierendes Forschungsnetzwerk aufbauen wollte. Den letzten Beitrag des Tagungsbandes bildet die Umschrift der öffentlichen Podiumsdiskussion „Archäologie in der NS-Zeit –Archäologie heute“, die am 28. April 2015 im Kunsthaus Graz geführt wurde.
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Bildmaterial zum Download finden Sie unter: Archäologiemuseum
Buchpräsentation Archäologie in Österreich 1938–1945
Donnerstag, 17. September 2020, 17 Uhr
Archäologiemuseum, Schloss Eggenberg
Eggenberger Allee 90, 8020 Graz
www.archaeologiemuseum.at
Tagungsband Archäologie in Österreich 1938–1945
Beiträge zum internationalen Symposium vom 27. bis 29. April 2015 am Universalmuseum Joanneum in Graz
Herausgegeben von Daniel Modl und Karl Peitler
Schild von Steier, Beiheft 8/2020
Forschungen zu geschichtlichen Landeskunde der Steiermark, Band 79
Herausgeber:
Universalmuseum Joanneum, Archäologie & Münzkabinett
Historische Landeskommission für Steiermark
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